StartseiteMagazinKulturWie wird aus Gerümpel Kunst?

Wie wird aus Gerümpel Kunst?

Das open art museum in St. Gallen widmet sich in zwei Ausstellungen dem homo collector, dem Menschen als Sammelwesen. Was sammeln wir? Wie sammeln Künstler? Wie verfremden Künstler, was sie sammeln? Welche Geschichten verbergen sich hinter dem Sammelgut?

Unter dem Ausstellungstitel «versammelt» werden 137 Werke der Künstler Erwin Schatzmann, Matthias Kuk Krucker, Karsten Neumann und Hermann Reinfrank ausgestellt. Ein Problem dabei ist, dass deren Werke sich nur andeutungsweise zeigen lassen, da sie als soziale Plastiken Ausdruck von Lebenswelten sind. Im open art museum werden aber anregende Spuren zu alternativen Erschliessungsformen und Einblicke in Lebenswelten gelegt.

Erwin Schatzmann, 1954 in Pfäffikon geboren, hat seit 2009 am Stadtrand von Winterthur mit recycletem Material unter dem Titel Morgenland off Space eine Wohn- und Arbeitsstätte eingerichtet. Am Eingang prangt der Titel Templum Amicitiae und Erwin Schatzmann lädt Besucherinnen und Besucher in seinen Tempel der Freundschaft ein. Nicht selten ergeben sich dabei Gespräche über Gott und die Welt und über das Formgeben für das Form- und Zeitlose. Öfters kommen auch ganze Schulklassen zu ihm, die von den von Erwin Schatzmann transformierten Skulpturen und Gegenständen bezaubert werden.

Erwin Schatzmann erläuterte in selbst kreierten Kleidern an der Eröffnung der Ausstellung einige seiner Werke. (Foto bs)

Der autodidaktische Künstler Matthias Kuk Krucker hat sich 1999 in Schwellbrunn niedergelassen und dort die Villa Sommertal, ein Gesamtkunstwerk entstehen lassen. Verfremdete Objekte aus Brockenhäusern und kukistische Malereien verstellen nur den Besuchenden den Weg. Kuk fühlt sich in der Enge wohl und meint, das Werk sei immer noch im Entstehen. Wo wird er Platz finden für weitere Sammelstücke und selbst geschaffene Werke? In seiner kukistischen Ordnung finde alles seinen Platz. Er lässt sich inspirieren von Weggeworfenem und macht es zu einem Fund, der ihm über die Welt erzählt und womit er zu neuen Sichtweisen zu den Dingen inspiriert.Matthias Kuk Krucker, Villa Sommertal, Schwellbrunn (Foto 2024, ©open art museum)

Matthias Kuk Krucker, Villa Sommertal, Detail (©open art museum)

Karsten Neumann, Leuchtobjekt innen Farben der fünf Buddha-Familien, 2014 (© open art museum)

Der 1963 in Würzburg geborene Karsten Neumann trat 2002 zur Stadtratswahl in Nürnberg an und arbeitet seit 2004 an der Kunst- und Konzeptstadt Bethang, einer Vereinigung der Städte NürnBErg, FürTH und ErlANGen. Im am Silvester 2013 veröffentlichten Bethang-Manifest schreibt er u.a.: «Bethang ist eine Kunststadt. Bethang ist radikale Konzeptkunst (…) Bethang erschöpft sich nicht im realkommunalen und politischen. Bethang berührt die dimensionen in denen darstellung und sprache ihre grenze finden. Bethang ist radikal, weil es paradox ist: «realisierung der utopie durch deren nichtverwirklichung». Bethang zeigt auf, dass kultur permanenter wandel ist. Bethang verweist auf die unbeständigkeit allen seins (…) Am ende wird auch die idee verschwinden, weil ideen immer an ein «ich» gebunden sind.»

Karsten Neumann, Mandala-Gemälde aus Bethang, 2008-2023, Plastikmüll, verschraubt (©open art museum)

Der 1952 in St. Gallen geborene und 2023 in St. Gallen überraschend verstorbene  Hermann Reinfrank hat einen grossen Nachlass hinterlassen, der von der Association Verdre, von Martin Amstutz, Jan Buchholz und Michael Felix Grieder nach und nach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. An der Ausstellung ist das Objekt 21 zu sehen, eine komplexe Verpackung. Damit wird hingewiesen auf eines der Themen von Hermann Reinfrank, dem Verpackungen und die Verpackung der Welt, das Wegwerfen von Verpackungen und von Verpacktem ein Anliegen war. Können Verpackungen selbst einen künstlerischen Wert haben?

Hermann Reinfrank, Objekt 21 (Foto bs)

In der zweiten Ausstellung unter dem Titel collage – collection werden über 50 Objekte von 14 Künstlerinnen und Künstlern aus der Sammlung des open art museums gezeigt. Alltagsgegenstände werden mit Leim, Schnur, Draht, Nägeln und Klebstreifen verbunden und künstlerisch transformiert. Dadurch erhalten sie eine provokative Wertschätzung und laden zum Nachdenken und Kombinieren ein.

Max Goldinger (1908–1988), Ohne Titel, (Musikinstrument), undatiert, Diverse, Materialien, open art museum, Sammlung Mina und Josef John

Cuno Affolter (*1985), The fallen angel opened its wings again and entered another door of perception, 2000–2011, Diverse Materialien, open art museum, Schenkung des Künstlers

Marc Moret (1943–2021), Ohne Titel, um 1997–1998, Diverse Materialien, open art museum, Schenkung aus dem Nachlass Marc Moret

Was hat sich bei uns angesammelt, was sammelt sich weiter an? Landet Weggeworfenes aus unseren befreienden Entrümpelungsaktionen im Müll. Erweitern wir unseren Horizont durch das Sammeln? Eröffnet das Gesammelte uns Erinnerungswelten? Oder verstellen wir uns die Aussicht und den Zugang zur Welt durch Sammelgut, das sich vor unseren Augen gelegentlich zu Gerümpel wandelt? Wie wird aus Gerümpel Kunst? Besuchen Sie die Ausstellung in St. Gallen bis zum 4. August 2024.

Titelbild: Erwin Schatzmann, Morgenland off Space (Foto 2023, ©open art museum)

Open art museum. Ausstellung «versammelt», bis 4. August 2024

Karsten Neumann; Bethang
Erwin Schatzmanns Website
 Association Verdre

 

 

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