Die Schlagzeilen in den Zeitungen sind nicht zu übersehen. Der Kanton Zug schwimmt im Geld. 2023 erzielte der Kanton einen Rekord-Überschuss von 461,3 Millionen Franken. Budgetiert waren 248 Millionen. Er übertraf den Rekord von 2022 (332 Millionen plus) noch einmal bei weitem. Nun senkt er einmal mehr die Steuern, er übernimmt ab 2026 beinahe die vollen Kosten in den Spitälern, entlastet damit die Krankenkassen, die ihrerseits die Prämien der Zuger Bevölkerung senken können. So werden für die rund 130’000 Einwohnerinnen und Einwohner die Prämien auf einen Schlag um durchschnittlich 18 Prozent oder rund 700 Franken pro Jahr tiefer ausfallen. Der Zuger Regierungsrat denkt auch an die nicht so reichen Pensionierten, auch sie sollen vom Geld-Berg profitieren, auch sie sollen entlastet werden. Verfügen sie nämlich über ein Reineinkommen unter oder eben bis 120’000 Franken und ein Vermögen, das bei 400’000 Franken begrenzt ist, sollen sie je 6’000 Franken in Abzug bringen können.
Da gibt es doch nur eines: Auf in den Kanton Zug. Schnell, seine sieben Sachen packen, den Umzug an den Zugersee wagen. Schön wäre es, ja, wenn es so einfach wäre. Denn genauso schnell wird klar: Es gibt auch eine Gegenbewegung, weil sich viele, Angestellte, aber auch Pensionierte im Kanton Zug, im Monaco der Schweiz, insbesondere der hohen Mietzinsen wegen das Leben an den Gestaden des Zugersees und rundherum schlicht nicht mehr leisten können, sich zum Umziehen gezwungen sehen. Ihnen bleibt nichts anders übrig, als ein neues Zuhause zu suchen, sei es im ländlichen Knonauer-Amt (Kanton Zürich), im Kanton Luzern (Wahlkreis Luzern-Land), wo die Steuern weit höher, die Lebenshaltungskosten nicht tiefer sind. Tröstlich ist nur, dass das Pendeln nach Zug kein Problem darstellt. Die Wege sind kurz, die Strassen in einem sehr guten Zustand und durch den Kanton Zug zirkulieren Züge, die im Besitz des Kantons sind. Selbst aus Zürich, aus Luzern und von wo her auch immer wird nach Zug gependelt, weil die Löhne hoch und die Arbeitsbedingungen attraktiv sind. Und weil sich im Kanton Zug immer mehr zukunftsorientierte Unternehmen, Dienstleister, Bitkom-Unternehmen angesiedelt haben, weiter ansiedeln und das seit Jahrzehnten. So entstehen laufend Arbeitsplätze, die für qualifizierte Leute ein Magnet darstellen.
Wie konnte es so weit kommen, dass der Kanton Zug so attraktiv, damit so reich geworden ist, obwohl er als Folge immer stärker in den eidgenössischen Finanzausgleich einzahlen muss? Blättern wir zurück. 2005 beauftragte mich Otmar Hasler, damals Regierungschef im Fürstentum Liechtenstein, ein umfassendes Kommunikations-Konzept für sein Land zu entwickeln. Zuerst nahm ich den Istzustand in Liechtenstein auf. Reiste aber auch nach Zug und nach Bern, tat dort das gleiche, so dass ich Vergleiche ziehen, Ideen aufnehmen konnte: Wie wird kommuniziert, auf kommunaler/kantonaler, aber auch auf Staatsebene?
In Zug traf ich den damaligen Landesscheiber, der für die Kommunikation zuständig war. Auf meine Frage, warum boomt Zug so sehr, warum ist Zug für viele Unternehmen so attraktiv, antwortete er kurz und bündig: «Schon vor Jahren haben wir einen Paradigma-Wechsel vollzogen. Eines Tages kam der damalige Regierungspräsident in die wöchentlich Sitzung und verkündigte: «Ab jetzt machen wir es anders. Die Einwohnerinnen und Einwohner, die Unternehmen sind nicht für den Staat da, wir sind für sie da.»
«Und was heisst das konkret?», fragte ich. «Unsere Wirtschaftsförderer beispielsweise haben jedes Jahr rund 100 Unternehmen zu besuchen und zu fragen, bekommt ihr das vom Staat das, was ihr an Steuern bezahlt, habt ihr Vorschläge, Wünsche. Der Landschreiber damals: «Wir passen auch, sofern nötig, die Gesetzgebung an. Wir sind behilflich beim Suchen von Büros, Liegenschaften, Wohnungen für interessierten Unternehmen. Und für die Mitarbeitenden aus allen Ländern erstellten wir schon damals eine kantonale Liste aller Ärzte mit den Sprachen, die sie sprechen». Schaut man heute auf die erstaunlich einfache Website des Kantons, sind noch alle Angebote so vermerkt, einfach und klar und in zwei Sprachen dargestellt: Deutsch und Englisch. Der Kanton hilft, wo er nur kann, zukunftsträchtige Unternehmen sind willkommen. Mehr noch: «Wir bereiten alles vor, damit sie den Weg, ohne behördliche Hürden, zu uns finden.»
Das hat seinen Preis. So ist nicht verwunderlich, dass nun von überall die Forderung erhoben wird, den Finanzausgleich zu reformieren, um den erfolgreichen Kanton Zug noch stärker zur Kasse bitten zu können. Selbst der Kanton Zürich lechzt nach mehr Geld aus Zug. Dieser soll die Zürcher Zentrumsleistungen (Verkehr, Flughafen, S-Bahn, Opern-, Schauspielhaus) weit besser entschädigen als bisher. Dafür hat Heinz Tännler, Finanzdirektor zu Zug, nur ein müdes Lächeln übrig. Einzig der Zürcher Forderung steht er nicht ganz abseits gegenüber: Die Forderung ist wohl zu berechtigt. «Die anderen Kantone sollen zuerst sparen, danach die Steuern senken, wie wir es schon vor Jahren gemacht haben.» Vor allen der Kanton Bern, der über eine Milliarde aus dem Finanzausgleich beziehe, solle selbst aktiv werden. Hier irrt Tännler, es geht nicht nur um Sparen und Steuersenken, es geht um mehr: Es geht um das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgerinnen und Bürgern. Zug hat es vorgemacht. Tännler hat es anscheinend bereits vergessen. Als durch und durch bürgerlicher Finanzdirektor setzt er nicht auf Solidarität, auch unter den Kantonen nicht, sondern auf den Steuerwettbewerb, der die Kluft zwischen den Kantonen vergrössern wird, statt dass er das Trennende überwinden würde. Den anderen Kantonen ist zu raten, ihr Verhältnis zu ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, zu ihren Unternehmungen zu überprüfen: Bekommen sie das, für das sie Steuern bezahlen? Fragen sie sich doch: Sind wir, die Regierenden für die Bevölkerung da oder sie für uns?
Uiui das ist aber kein effektives Abbild der Wirklichkeit in Zug. So volksnah wie sich die Regierung gibt, ist sie nämlich ganz und gar nicht. Der Zuger Filz ist eine Institution mit Tradition.
Statt Steuern senken, sollte der Kanton Zug bezahlbare Wohnungen bauen.
Der Kanton Zug profitiert massiv von seiner geografischen Lage, v.a. von der Nähe zu Zürich mit Flughafen, Kulturangebot usw. Deshalb hat hier die Politik der massiven Steuersenkung auf Kosten der anderen Kantone scheinbar funktioniert. Die meisten Kantone, die später kamen, haben (vielleicht mit Ausnahme von NW und SZ) mit derselben üblen Politik Verluste eingefahren, i.A. auf Kosten der ärmeren Bevölkerung (z.B. der Kanton Obwalden, der es mit degressiven Steuern auf die Spitze treiben wollte und jetzt mit dem nachweislich schweizweit asozialsten Steuersystem punktet). Der Kanton Bern hat aufgrund seiner geografisch schwierigen Verhältnisse schon gar keine Möglichkeit, dieses steuerliche ‹Race to the Bottom› mitzumachen. Internationale Firmen werden sich nicht in Riggisberg oder Kiental ansiedeln wollen, egal, wie fleissig die «Wirtschaftsförderer» sind. Etwas weniger Arroganz würde Zug gut anstehen. (Von dem, was die Rohstoff-Firmen anrichten schon gar nicht zu reden.)
Nun, gerade der Kanton Bern, wo ich wohnhaft bin, hätte es durchaus auch in der Hand, mit gezielter Wirtschafts-, Tourismus- jedoch vor allem Wohnbauförderung, die desolaten öffentlichen Finanzen in den Griff zu bekommen. Übrigens war Schwyz mal das Armenhaus der Schweiz, aus dem die Armengenössigen nach ZH zogen, um dort die nötigen Sozialgelder zu beziehen. Heute verläuft dieser Strom in die andere Richtung und der eigentlich reiche Kanton ZH verliert wegen der sich verschlechternden wirtschaftlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen vermehrt an Attraktivität und wird bald mal zum Nehmerkanton beim Finanzausgleich.