Sommerzeit ist Reisezeit. Auch ich bin nicht zuhause, sondern auf einer Insel. Treibende Wolken an einem weiten Himmel und der Blick auf eine unvertraute Landschaft. Leere Tage ohne Termine, Zeit zum Schreiben und zum Lesen, zum Schwimmen und für Strandspaziergänge. Luftveränderung nannte man das früher, Sommerfrische, Tapetenwechsel. Apropos Tapeten: Gut gewählt in meiner Unterkunft, stilvoll, alles schick, wie die Berliner sagen. Und hätte ich den Aufzug anstelle der stets empfohlenen Treppen genommen, hätte ich das Desaster gar nicht gesehen. Nur nehme ich stets folgsam die Treppe und da habe ich wieder entdeckt, was mir nicht zum ersten Mal in Hotels und Appartementhäusern begegnet: In den Nischen der Treppenhäuser befinden sich Bücherregale, und weil unsereins magisch angezogen wird von Büchern, habe ich mir hier das Ganze angeschaut. Die Magie allerdings ist schnell verflogen. Was da in den Regalen lagert, ist der letzte Schrott. Lauter zerlesene, zerknautschte, uralte, fleckige Taschenbücher, aus denen Sand, Krümel und Ekligeres rieselt, nimmt man sie zur Hand. Zurückgelassenes Zeug von Gästen aus der Zeit, als der Rollkoffer noch nicht erfunden und Hörbücher noch inexistent waren. Irgendwelche Krimis, Schnulzen, zerfledderte Vogelbücher und längst überholte Reiseführer. Nichts gegen Krimis, Liebesromane und gegen ornithologische Werke, aber das Zeug, das da im Regal steht, ist samt und sonders in einem so himmeltraurigen Zustand, dass ich mich überwinden muss, ein paar dieser abgegriffenen Bücher durchzublättern. Ich hoffe auf einen Fund oder dass jemand eine Ansichtskarte als Lesezeichen in ein Buch gesteckt hätte, aber nicht einmal das.
In der nächsten Etage ist es noch trauriger. Dort klebt am Regal ein vergilbter Zettel: ‘Kinderbücher’. Ich kann mir beim besten Willen kein Kind vorstellen, dass sich an einem dieser stockfleckigen Bücher erfreuen würde. Überdies weisen die Bilderbücher Illustrationen auf, so etwas von haarsträubend klischiert, dass ich fliehe. Zum Trost rufe ich mir gut sortierte Hotelbibliotheken in Erinnerung und verlockende Büchernischen in Ferienwohnungen, in denen man gerne eines seiner Lieblingsbücher zurücklässt. Was es glücklicherweise auch gibt.Später bin ich mit drei von vor der Reise erstandenen Bücher zum Strand gegangen – siehe Bild! Zu meiner Freude habe ich Menschen gesehen, die in ihren Strandkörben gelesen haben. Gibt es was Schöneres, mit dem Sound des Meeres in den Ohren in ein Buch zu versinken? Leider ist es mir nur in einem Fall gelungen, zu erspähen, was da gelesen wird, ich habe das Blumencover sofort wieder erkannt: ‘Altern’, von Elke Heidenreich, ein tolles Buch! Aber was ganz sicher ist: Kein einziger dieser lesenden Menschen hat sich dazu verführen lassen von einer so verkommenen Bücherauswahl wie in meiner Unterkunft, im Gegenteil: Solche Ware vergrault und törnt gründlich ab. Ich schicke nun meiner Vermietungsagentur ein Bild eines der Regale mit der Bildlegende: Bitte entsorgen.