StartseiteMagazinLebensartEdelmetall für die Reichen und Schönen

Edelmetall für die Reichen und Schönen

In der Ruhmeshalle des Landesmuseums in Zürich widmet sich die Ausstellung «Glänzendes Kunsthandwerk» dem Nachlass von Bossard Goldschmiede Luzern (1868–1997), einem der weltweit bekanntesten Schweizer Familienbetriebe.

Pokale und Schweizer Dolche, Tafelsilber und Schmuck wurden für eine internationale Kundschaft in der Tourismusmetropole, was Luzern schon im 19. Jahrhundert war, hergestellt, oft auf speziellen Wunsch. Mit der Industrialisierung und den Massenprodukten erlebte das erlesene Einzelstück, entworfen von einem Künstler, gearbeitet von einem Kunsthandwerker, wenn gewünscht nach alten Vorbildern des Barock oder der Renaissance, eine neue Wertschätzung.

Eidgenossenpokal: Bossards bedeutende Eigenkreation von 1893 in Form eines imposanten Barockpokals thematisiert die nationalen Gründungsmythen der Schweiz. So zeigen die drei Schaftfiguren den Rütlischwur, der Fuss die Geschichte Wilhelm Tells und der Deckel die Schlacht bei Sempach.

Johann Karl Bossard (1846–1914) lernte Goldschmied bei seinem Vater, dessen Atelier er nach Lehr- und Wanderjahren bis in die USA übernahm. Er brachte es zur Blüte, weil er seine Objekte im Trend des modischen Historismus in der Schweiz schuf. Das Atelier Bossard war als Station der Reisenden damals so wichtig, wie heute der Besuch bei Bucherer vor allem für ostasiatischen Touristen dazugehört.

Blick in die Ruhmeshalle mit den Glanzstücken aus dem Bossard-Nachlass

Zu dem herausragenden kunsthandwerklichen Atelier, eröffnete Johann Karl Bossard in den 1880er Jahren ein ebenso exklusives wie renommiertes Antiquitätengeschäft. Hier wurden antike Möbel angeboten, auf Wunsch aber auch passende Repliken gefertigt. Kunden waren der europäische Adel und die neureichen Industriellen, aber auch Kirchen, Zünfte und andere Vereine, die sich ihren Silberpokal oder ähnliches herstellen liessen.

Ein spezielles Objekt in der Ausstellung ist ein Teller mit Krug aus dem Kloster Muri: Das Original aus dem 16. Jahrhundert wurde teuer nach England verkauft, an seine Stelle kam eine Replik aus dem Atelier Bossard: Beide Varianten können in der Ausstellung verglichen werden: Sie wirken beim Blick durch die Vitrine absolut identisch.

Inspirationsquelle und fertiges Silberwerkstück: Links: Tusche- und Aquarellzeichnung des 1662 vom St. Galler Goldschmied Zacharias Müller angefertigten Nautiluspokals aus dem Stift Beromünster von Louis Weingartner, um 1890. Rechts: Kunstkammerstück eines Nautiluspokals, gefertigt im Atelier Bossard um 1895-1900

Der letzte Bossard, Karl, führte das Atelier in sechster Generation in gewohnter hoher Qualität bis zur Geschäftsaufgabe 1997. Der Nachlass kam 2013 ins Nationalmuseum. Ein Team von Expertinnen und Experten analysierte den umfangreichen Bestand. So konnten neben den klassischen Goldschmiedearbeiten auch Aspekte der Herstellung von Schmuck, Besteck, Waffen untersucht werden.

Aber nun ist jedes Stück aus der berühmten Goldschmiedewerkstatt katalogisiert, inventarisiert, fotografiert, so dass eine Publikation für die Wissenschaft und weitere interessierte Kreise sowie die Ausstellung im Landesmuseum entstehen konnten. Dort kommen alle Besucherinnen und Besucher auf ihre Kosten, es gibt nicht nur viel Glänzendes und Feinziseliertes zu bewundern und einiges zu erfahren auf den mehrsprachig eingerichteten Bildschirmen, auch an die Kleinen haben die Ausstellungsmacher gedacht: In den Möbeln können auf Kniehöhe hier und dort Türchen mit kindgerechten Inhalten geöffnet werden.

Die Silberschmiede am Schwanenplatz. Hier arbeiten unter anderem Joseph Scherer (vorne links) und Wettstein (stehend), der Atelierchef Friedrich Vogelsanger (im Hintergrund stehend) sowie der junge Silberschmied Horn (vorne rechts), um 1905.

Wissen Sie wie in einem Silber- oder Goldschmiedeatelier mit den Metallen verfahren wird, was also geschmiedet ist, oder gepunzt, getrieben, gehämmert? Ein Block mit handlichen Silberstücken zum Anfassen bringt das haptische Erlebnis. Dazu passen die Schaustücke aus der Werkstatt, die Instrumente und Werkzeuge der Gold- und Silberschmiede. In einer Ecke steht der massive Planschrank, aus der Luzerner Werkstatt, in dem die Entwurfszeichnungen und Vorlagen geordnet lagern. 12500 Zeichnungen in 60 Mappen sind im Nachlass, 4500 Modelle und Fotografien mussten ebenfalls inventarisiert werden.

Blick in die Ausstellung: Vitrine mit Trinkgefässen «Alte Schweizer», hergestellt im Atelier Bossard als Nachahmungen von Originalen aus dem 17. Jahrhundert, Silber, teilvergoldet.

Den Bossards war es nicht so wichtig, als eigenständige Künstler anerkannt zu werden. Das Atelier war historisch ausgerichtet, Kopien von Objekten aus früheren Zeiten wurden ohne, oder mit den Marken der ursprünglichen Urheber versehen. Stiche von Urs Graf oder Hans Holbein d.J. wurden als Vorlagen benutzt. Erste Priorität hatte die Schönheit des Gegenstands, die exakte Kopie. Beispielsweise wurden unvollständige Besteckgarnituren der Renaissance mit präzisen Nachahmungen ergänzt.

Schweizerdolch: Bossard kopiert zahlreiche historische Schweizerdolchscheiden, die bei Sammlern beliebt sind, und kombiniert sie mit neu angefertigten Dolchen und Bestecken. Auf dieser vergoldeten Messingscheide von 1880/90 ist der Tod der Virginia nach der von Livius überlieferten Geschichte dargestellt.

Beliebt waren Bossards Schweizerdolche nach Vorbildern im 16. Jahrhundert. Ein Schweizerdolch ist eine kurze Stichwaffe in einer fein dekorierten Scheide mit Einschubfächern für ein kleines Messer und ein weiteres Werkzeug, etwa einen Pfriem. Letztlich ist diese Waffe ein Vorgänger des Schweizer Taschenmessers.

Vieles wurde auf Wunsch der Klienten gearbeitet. Spektakulär ist beispielsweise das monumentale Schaustück für den Warenhaus-Unternehmer John Wanamaker (1838-1922), angefertigt 1910. Die Luzerner Türme der Stadtbefestigung und der Rathausturm in Form einer Burg kann von innen beleuchtet werden.

Burg als Tafelaufsatz mit Luzerner Stadttürmen

Das Besucherbuch, geführt von 1887 bis 1893, enthält Unterschriften aus der halben Welt, auf einer Seite allein haben sich Kunden aus Biarritz, Palermo und Southampton handschriftlich eingetragen. Bossard Goldschmiede Luzern waren ein Familienunternehmen von weltweiter Ausstrahlung.

Titelbild: Ein Tee- und Kaffeeservice zur Hochzeit. Johann Karl Bossard schenkte dieses Service aus Silber 1899 seiner Tochter Maria Karoline (1872–1938) anlässlich ihrer Vermählung mit Josef Zemp (1869–1942), dem späteren Vizedirektor des Landesmuseums.

Alle Bilder: Schweizerisches Nationalmuseum
Bis 6. April 2025
Hier gibt es Informationen für den Besuch der Ausstellung Glänzendes Kunsthandwerk.

Zur Ausstellung sind eine umfangreiche Publikation und ein Booklet erhältlich:
Publikation: Bossard Luzern 1868–1997. Gold- und Silberschmiede, Kunsthändler, Ausstatter. 512 Seiten, 22 x 28 cm, über 600 Abbildungen. (65 Franken) ISBN 978-3-905875-16-4
Booklet: Glänzendes Kunsthandwerk / Bossard Goldschmiede Luzern. 72 Seiten (15 Franken)

 

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

oder über:
IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-