Die AHV war nie existenzsichernd, obwohl nach der Verfassung die 1. Säule die Existens zu sichern hat. Das vermag auch die 13. AHV-Rente nicht zu korrigieren. Das eherne Ziel, dass nach dem Berufsleben die Renten aus AHV und Pensionskasse 60% des letzten Lohnes erreichen, ist in weite Ferne gerückt. Und die Frauen bleiben benachteiligt wie eh und je.
Wahr ist aber auch: Es gibt Privilegierte. Nämlich nicht wenige der Generation, die in den 40-er Jahre bis in die frühen 50-er Jahre das Licht der Welt erblickten. So hatten viele von uns, nicht alle, leider, gute Aufstiegschancen und haben vor allem das Glück, Renten aus den zwei Säulen zu beziehen, von denen wir heute zehren, gut leben können. Auch wenn die meisten von uns nie einen Teuerungsausgleich aus der 2. Säule erhielten, im Gegensatz zur AHV. Einige konnten gar in eine 3. Säule einzahlen. Viele profitierten vom damaligen «Leistungsprimat». Die BVG-Renten wurden nicht anhand der einbezahlten Beträge berechnet, sondern anhand des versicherten Lohnes, abzüglich des Koordinationsabzugs.
Später wurde das «Beitragsprimat» eingeführt. Die BVG-Renten wurden und werden nun nicht mehr aufgrund des versicherten Lohnes, sondern aufgrund der Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und den erwirtschafteten Zinsen berechnet. Die Faustregel aber blieb: Die Renten aus der AHV und der Pensionskasse sollten auch weiterhin 60% des letzten Lohnes betragen, um als Rentner anständig über die Runden zu kommen, den bisherigen Lebensstandard einigermassen auch halten zu können.
Das blieb aber ein frommer Wunsch. Heute sind wir weit davon entfernt. Wie eine aktualisierte Studie des VermögenZentrums VZ aufzeigt, kam ein Mann, der vor 20 Jahren in Rente ging, zuletzt brutto 100‘000 Franken verdiente, auf eine Rente aus AHV und Pensionskasse von 62% des letzten Lohnes. Heute sind es nur noch 52%. Noch drastischer sieht es für einen Mann aus, der als letzten Lohn 150‘000 Franken verdient. Er kommt, wenn er in Rente geht, noch auf 43%. Vor zwanzig Jahren hat ein Mann mit dem gleichen Einkommen 58% bekommen, 15% mehr. Ein Beispiel in Franken ausgedrückt, zeigt noch eindrücklicher auf, was der Rückgang bedeutet. Ein heute 55jähriger Mann, der 120‘000 Franken verdient, hätte 2002 mit einem Betrag von rund 75‘000 Franken aus AHV und Pensionskasse rechnen können, also mit rund 6250 Franken im Monat. Heute sind es noch 60‘000 Franken, also rund 5000 Im Monat.
Nicht genug: Im überobligatorischen Bereich senken viele Pensionskassen immer wieder den Umwandlungssatz, um die Renten, wie sie begründen, auch refinanzieren zu können. Im Durchschnitt beträgt er noch etwa 5%. Einzelne Kassen sind bereits bei 4,5% angelangt. Viele von uns Alten profitierten noch von einem Umwandlungssatz von 7,2%. Aus 100‘000 angespartem Kaptal resultierte damals eine Rente von 7‘200 Franken. Heute sind es bei 4,5% satte 2‘700 Franken weniger.
Festzuhalten ist aber auch, wie schon angedeutet, dass die meisten der Pensionierten nie zu einem Teuerungsausleich gekommen sind und auch nie einen bekommen werden. Einmal, weil er gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Und zum anderen, weil es den Pensionskassen anheimgestellt ist, eine entsprechende Bestimmung in ihren Reglementen aufzunehmen. Aktuell sind die meisten Kassen finanziell sehr gut aufgestellt, so dass sie sich einen Teuerungsausgleich durchaus leisten könnten. Doch die meisten Aufsichtsräte (in der Regel Stiftungsräte) sind paritätisch aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammengesetzt und agieren deshalb in der Regel sehr vorsichtig, haushälterisch, wenig innovativ, bewahrend.
Bei der Abstimmung am 22. September über die Reform des BVG geht es gerade nicht um diese stete Absenkung der Renten aus den Pensionskassen. Es geht lediglich um den obligatorischen Bereich, dem nur etwa 17 % der Versicherten unterstehen. Dennoch wird ein erbitterter Abstimmungskampf geführt. Plakate verkünden es: «Mehr zahlen – weniger Rente», der Slogan der Gegner. «Unsere Arbeit verdient eine faire Rente», so die Befürworter. In den Redaktionsstuben werden die Finger wund geschrieben, um aus dem Dickicht der Vorlage herauszukristallisieren, was tatsächlich Sache ist. Wer gewinnt, wer verliert?
Dass es Gewinner und dass es Verlierer gibt, das ist unbestritten. Bestritten ist die jeweilige Zahl. Wahr ist aber auch, dass die Frauen mit Teilzeitarbeit, mit tiefen Löhnen nun doch zu einer zweiten Säule kommen würden. Das ist wenig und dennoch ein Armutszeugnis für eine Reform, welche die Renten sichern will. Aus meiner Sicht schlicht eine Flickschusterei, welche dem Parlament nicht zur Ehre gereicht. So ist es beinahe egal, ob es am 22. September zu einem Ja oder einem Nein kommt. Denn die wirklichen Probleme der Altersvorsorge löst die Reform eh nicht. Das gereicht nun aber uns Alten nicht zur Ehre. Warum haben wir das zugelassen, uns nicht gewehrt, uns politisch nicht eingemischt? Immerhin: Nach der Reform ist vor der Reform. Vor einer wirklichen, grundlegenden Reform.
Ein guter Artikel, vielen Dank, nur leider am Schluss inkonsequent, es sei egal, wie die Abstimmung rauskomme. Zustimmen zu der zuvor festgestellten «Flickschusterei»? Wohl kaum! Ein Nein ist ehrlicher. Es stimmt auch nicht, dass nur 17% betroffen sind. Das Obligatorium des BVG ist für alle Kassen die Grundsicherung, deshalb sind auch alle aktiven Versicherten vom Abbau betroffen, die 17% einfach vollständig. Fast nicht betroffen sind wir Pensionierten, ausser beim nur versprochenen, aber nie erhaltenen Teuerungsausgleich: Er wird mit der von der Banken- und Versicherungslobby diktierten Revision noch länger ausbleiben, weil die Kassen das Geld für die ungleichen, meist zu geringen Überbrückungszuschläge brauchen. Weshalb also wegen der Scheinreform neu über 2 Milliarden verpulvern? Besonders die angeblich davon profitierenden tiefen Einkommen (v.a. Frauen) werden diese bezahlen müssen und schliesslich kaum mehr Rente erhalten, weil die Ergänzungsleistung entsprechend kleiner würde. Für sie muss endlich die AHV in Richtung verfassungsmässige Existenzsicherung gestärkt werden. Die BVG-Reform entzieht dieser nur die nötigen Mittel.
Das Rentenobligatorium der zweiten Säule BVG ist keine Sozialversicherung wie die Versicherungen der staatlichen AHV/IV/EL, sondern ein vom Staat verordnetes Zwangssparen, das wir in erster Line den Lobbyisten der Finanz- und Versicherungsbranche zu verdanken haben. Die damalige Regierung hat auch veranlasst, dass die Lohnbeiträge an private und gewinnorientierte Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen anvertraut werden, die mit ihren Gewinnüberschüssen verfahren können wie es ihnen beliebt, ohne Einmischung des Bundes oder der nötigen Transparenz für die Beitragszahler:innen.
Wie bereits erwähnt, ist eine existenzsichernde und für die Zukunft flexibel ausgestaltete AHV Rentenversicherung, die den jeweils herrschenden Verhältnissen wie der Teuerung angepasst werden kann, für alle billiger, sozialer und einfacher zu händeln, als mit dem komplizierten Versicherungschinesich und der undurchsichtigen Zahlenjonglierei beim BVG.
Gemäss Berechnungen von Rudolf Strahm (siehe Link) «versickern» jährlich über 8 Milliarden Franken in der zweiten Säule. Nach meiner Meinung könnten diese Milliarden, nach Auflösung des BVG-Obligatoriums, in das Vermögen der AHV übergehen und eine echte Rentenreform in Gang setzen und damit auch den mühsamen Kampf der Frauen mit den Brosamen verteilenden Männern endlich beenden.
https://direkt-magazin.ch/meinung/kkrft/rudolf-strahm-8-milliarden-franken-versickern-jaehrlich-in-der-zweiten-saeule/
Ich sehe das genauso wie im Kommentar von Rolf Zimmermann erwähnt, es ist keinesfalls egal, ob am 22. September zur BVG Reform Ja oder Nein abgestimmt wird! Diese ‹Reform› ist keine Reform sondern impliziert eine Senkung der PK Renten. Auch verhilft die ‹Reform› Frauen mit tiefem Einkommen eben leider nicht zu einer verbesserten Rente. Die Gründe dazu beschreibt Frau Mosimann in ihrem Kommentar auf den Punkt. Ich finde beide Kommentare (von Rolf Zimmermann und Regula Mosimann) sehr wichtig und stimme mit beiden überein. Ansonsten finde ich den Artikel von Anton Schaller, bis auf die Schlussfolgerungen im letzten Abschnitt, denen ich wie erwähnt nicht zustimme, gut und informativ. Für mich am 22.09. ein klares Nein zur BVG ‹Reform›.
Zu Strahms Milliarden, bzw. 0,6 Prozent Vermögensverwaltungskosten:
wichtig ist meines Erachtens nicht primär, wieviel die Vermögensverwaltung kostet, sondern der Nutzen, den sie dem Vesicherten durch eine gute Vermögensanlage bringt. Würde das Ersprarte bloss unters Kopfkissen gelegt oder in Bundesanleihen angelegt, wären die Pensionen mit Sicherheit kleiner.
Strahm ist aber beizupflichten wenn er bezüglich Verwaltungskosten Trasparenz fordert, inkl. Publikation der Werte der einzelnen Kassen.
Das Grundproblem ist aber arithmetischer Natur: wenn das Verhältnis zwischen Beitragsjahren und Rentenbezugsjahren sich zugunsten der letzteren verschiebt, gerät jede Altersvorsorge in Schieflage. Die Jungfreisinnigen hatten diese Evidenz thematisiert, leider ohne Erfolg. Das ändert aber nichts daran, dass à la longue auch die Schweiz nicht an dieser Lösung vorbeikommen wird. In vielen Nachbarländern wird sie schon längst praktiziert.