2 KommentareEine pfiffige Inszenierung - Seniorweb Schweiz
StartseiteMagazinKulturEine pfiffige Inszenierung

Eine pfiffige Inszenierung

Am Opernhaus Zürich ging am Sonntag die Zürcher Premiere von Händels Oper Serse über die Bühne. Die junge aufstrebende Schweizer Regisseurin Nina Russi hat daraus eine unterhaltsame, in die Moderne verpflanzte Geschichte um Liebe und Intrigen gemacht.

Die Inszenierung ist nicht neu, sie wurde letzte Saison mit den Absolventen des Opernstudios Zürich am Theater Winterthur gezeigt. Nun hat es Nina Russi auf die grosse Zürcher Opernbühne geschafft, mit neuer Besetzung. Gespannt war man vor allem auf die Brüder Serse und Arsamene. Die beiden Countertenöre Raffaele Pe und Christophe Dumaux gaben nicht nur Rollendebüts, Pe sang auch erstmals am Opernhaus Zürich.

Verwirrende Intrigen

Die Geschichte dieser Oper ist einfach und dennoch verwirrend. Serse verliebt sich plötzlich in Romilda, die Geliebte seines Bruders. Im Gegenzug möchte deren Schwester Atalanta gerne Arsamene, den Geliebten von Romilda, für sich haben. Alles dreht sich um Liebe und Intrigen, und das drei Stunden lang. Trotz der simplen Geschichte hat der Abend Spass gemacht, dank der unterhaltsamen Regie, den witzigen Kostümen und den grandiosen Stimmen.

Es ist einiges los bei dieser Händel- Inszenierung: v.l.: Romilda (Anna El-Khashem), Atlanta (Miriam Kutrowatz), Arsamene (Christophe Dumaux), Elviro (Gregory Feldmann). Aber singen können alle. (alle Bilder Opernhaus Zürich/ Toni Suter)

Die Regisseurin Nina Russi ist als Spielleiterin und Regieassistentin eng mit dem Opernhaus Zürich verbunden. 2019 wurde sie mit dem Götz-Friedrich-Preis ausgezeichnet, 2020 war sie Semifinalistin beim Ring Award in Graz. Sie hat schon einige Opern inszeniert, darunter auch Händels Alcina am Staatstheater Darmstadt. Mit dieser Zürcher Serse-Inszenierung ist ihr ein echter Coup gelungen.

Verspielte Videobilder

Das Bühnenbild (Julia Katharina Berndt) besteht aus zwei weissen, verschiebbaren Kuben. Jeder Kubus hat mehrere Wohnzimmer, die unterschiedlich möbliert sind. Treppen führen in eine obere Etage. Werden die Kuben verschoben, entstehen neue Räume. Das erlaubt nicht nur schnelle nahtlose Szenenwechsel, die Sängerinnen und Sänger können die Treppen auch sinnig bespielen. Videobilder von Ruth Stofer beleben die weissen Wände mit eindrücklich verspielten Nahaufnahmen der Darsteller(innen).  Darstellerinnen und Darsteller.

Bühnenbild von Julia Katharina Berndt mit Atlanta.

Mit Raffaele Pe debütierte einer der erfolgreichsten Countertenöre in Zürich. Er eröffnete den Serse mit «Ombra mai fu», der wohl berühmtesten Arie Händels. Darin besingt der machtbetonte Herrscher mit eigenartiger Sentimentalität die Schönheit eines Baumes. Raffaele Pe verfügt über eine lyrisch weiche Stimme, die zu Herzen geht. Aber auch dramatische Ausbrüche weiss er grandios zu gestalten. So etwa in der Verzweiflungsarie im 2. Akt, in der er das Verschmähtwerden von Romilda verdaut.

Szenenbild aus dem Händel- Haus mit Amastre (Nora Beinart) und Elviro.

Serses Bruder Arsamene wird vom Counter Christophe Dumaux gesungen. Seine Stimme ist dramatischer und metalliger als die von Pe. Im Dialog ergänzten sich die beiden Timbres ausgezeichnet. Lustig gezeichnet sind neben diesen beiden Protagonisten Gregory Feldmann als Elviro und Miklos Sebestyén als Vater der Schwestern. Elviro sorgt für Missverständnisse und Verwirrung. Er hat eine kraftvolle männliche Stimme, springt aber gerne in Röcken herum. Und Sebestyén ist als schlumpfiger Stubenhocker köstlich und hat einen schönen Bassbariton.

Weibliche Stärken

Die drei Frauen haben trotz der seichten Telenueva-Geschichte klare stimmliche Charaktere. Sie sind mit Miniröcken, hohen Stöckelschuhen und sexy Oberteilen gekleidet. Die farbenfrohen Kostüme von Annemarie Bulla sind erfrischend abwechslungsreich. Dazu kommen Handys und Fernseher.

Der Statistenverein des Opernhauses bespielt das bunte Bühnenbild.

Anna El-Kashem singt die Romilda charakterstark und mit geschmeidiger Stimme. Als ihre intrigante Schwester Atalanta spielt Miriam Kutrowatz das Zickige herrlich aus. Dass diese bei all dem Geschminke und Rumgestöckel noch so hoch und rein singen kann – fast schon wie eine Königin der Nacht – ist erstaunlich. Die erdige Altstimme von Noa Beinart als frustrierte Ex-Verlobte von Serse verlieh diesem Frauentrio eine wohltuend herbe Note.

Händel mit italienischem Temperament

Musikalisch gut getragen werden die Sängerinnen und Sänger vom Orchestra La Scintilla unter der Leitung von Enrico Onofri. Der italienische Dirigent und Barockgeiger gab in Zürich sein Debüt. Er vermochte die Spannung gut zu halten, emphatisch auf die Sänger einzugehen und federnd zu akzentuieren, ohne damit zu übertreiben. Der Continuo, zu dem auch eine Erzlaute und eine Theorbe gehören, ist fantasievoll und verlässlich. Insgesamt eine tolle, erfrischend heitere Händel-Produktion.

Weitere Aufführungen: 5., 8., 17. Oktober www.opernhaus.ch  

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0<

2 Kommentare

  1. Wozu braucht es zu dieser klamaukigen Inszenierung die 300 Jahre alte Musik von Händel? Ist man so einfallslos, keine zeitgenössiche Musik hierfür zu machen? Oder ein Musical? Ein Countertenor passt wohl kaum in den heutigen Lifestyle.

    • Guten Tag Robert Svoboda, danke für Ihren Kommentar. Ich bin die Autorin des Artikels. Es hat erstaunlich gut gepasst, die moderne Kostümierung und Personenführung zu Händels Musik. Das Thema ist ja zeitlos. Und die beiden Counter-Tenöre wirkten etwas surreal, auch das passte. Aber das kann man natürlich auch anders sehen. Ich habe einmal eine Aufführung in historsicher Art erlebt, wie man es damals machte, aber das war unmöglich, das geht heute nicht mehr.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-