StartseiteMagazinKolumnenDas Positive überwiegt 

Das Positive überwiegt 

Wieder einmal habe ich gelernt, dass es gute Gründe gibt, Urteile aufzuschieben – oder anders gesagt, sie als korrigierbar zu betrachten. Es ist wichtig, nicht in Schwarz-Weiss-Denken zu verfallen, weder politisch links noch rechts, sondern vielmehr in Grautönen zu denken. Grau steht für Nuancen, für eine weichere Sichtweise, bei der die Konturen der Wirklichkeit verschwimmen. Genauso verhält es sich mit der Realität von Fakten.

Daran erinnert mich ein kleiner Beitrag in der NZZ, der feststellt: „In den zentralen Fragen ist sich die Bevölkerung ziemlich einig.“ Der Artikel bezieht sich auf die Spaltung in den USA, mit dem Hinweis im Untertitel, dass diese auf einer verzerrten Wahrnehmung beruhe. Laut einer Gallup-Umfrage von 2023 gaben 43 % der Befragten an, sie seien politisch unabhängig. Jeweils 27 % identifizierten sich mit den Demokraten und den Republikanern.

Im Wahlkampf, wo es oft laut und heftig zugeht, stehen sich diese Gruppen scheinbar unversöhnlich gegenüber. Doch dies betrifft vor allem die, die öffentlich streiten. Die gemässigten Stimmen innerhalb der Parteien werden häufig unterschätzt. Eine ehrlichere Wahrnehmung der Realität würde dies bestätigen. Ein eindrucksvolles Argument dafür ist der Sturm auf das Kapitol: Die Fanatiker im Land hatten nicht genügend Rückhalt, um eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie darzustellen. Es war keine kritische Masse hinter ihnen, die den Zusammenbruch des Systems hätte herbeiführen können.

Ein weiteres Beispiel für den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Realität bieten die jüngsten Wahlen in Ostdeutschland. Viele befürchteten, dass Deutschland nach rechts abdriften könnte, doch nüchtern betrachtet erreichte die AfD keine kritische Masse an Wählern, die der Demokratie ernsthaft gefährlich werden könnte. Eine verlässliche Stimme aus dem Osten Deutschlands ist die Schriftstellerin Juli Zeh. In einem lesenswerten Interview im Magazin Cicero im September äussert sie sich dazu. Zeh, Mitglied der SPD, lebt in einem Dorf im Osten Deutschlands und kennt die Menschen dort gut. Sie sagt: „Der typische AfD-Wähler ist weder besonders alt, noch sozial schwach oder ungebildet.“

Die Menschen in diesen Regionen fühlen sich von Vorschriften gestört, die das Leben auf dem Land erschweren, wie etwa die Forderung städtischer Eliten, auf das Auto zu verzichten. Auf dem Land läuft ohne Auto nichts. Es herrscht ein Gefühl der Überregulierung und Bevormundung. Mit der Wahl der AfD protestieren die Menschen gegen die Politik, die in Berlin gemacht wird. „Wenn ihr unsere Bedürfnisse nicht ernst nehmt und nicht versteht, was hier wichtig ist, dann lasst uns wenigstens in Ruhe“, sagen sie. Das habe nichts mit Rechtsextremismus zu tun. Die Demokratie sei inzwischen stabil genug, um solche Schwankungen auszuhalten – heute werde die eine, morgen die andere Partei gewählt.

Diese beiden Beispiele zeigen mir, wie wichtig es ist, Ansichten als veränderbar zu betrachten. Bei näherer Betrachtung muss ich oft meine aus der Ferne gefassten Urteile revidieren. Daraus leitet sich für mich die Maxime ab, dass es klug ist, eigene Meinungen und Urteile als aufschiebbar zu betrachten. Natürlich entgeht mir nicht, was in der Welt schiefläuft. Aber wenn ich von Schlagworten und alarmierenden Berichten absehe, dann stehen die positiven Aspekte des Lebens in einem Verhältnis von 95 zu 5 gegenüber den negativen. Dies wurde mir besonders bewusst, als ich das vierte Heft 2024 des Ägeritalers, der Gemeinden Unterägeri und Oberägeri, durchblätterte und sah, wie viel positives Engagement in Politik und Gesellschaft investiert wird – und dies in zahlreichen Bildern widergespiegelt wird.

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0<

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-