René Zäch, Zeichner und Objektkünstler, im Raum Solothurn – Biel beheimatet, weit darüber hinaus bekannt und geschätzt, erhält posthum im Kunstmuseum Solothurn mit «Vermessen in Finnland» eine sehenswerte Ausstellung.
«Er war ein humaner und engagierter Zeitgenosse», schrieb die Solothurner Zeitung, als René Zäch 2023 im Alter von 77 Jahren starb. Ein «moderater Minimalist» sei er gewesen, lese ich anderswo. 1946 in Solothurn geboren und aufgewachsen, lebte und arbeitete er in Biel, wo er letztes Jahr starb. Die Direktorin des Kunstmuseums Katrin Steffen, die diese Ausstellung gemeinsam mit Christoph Lichtin kuratiert hat, nennt ihn eine inspirierende Künstlerpersönlichkeit. Sein Schaffen wird über Generationen hinweg eine Referenz bleiben, schreibt sie.
Der junge René Zäch hatte gerade seine Ausbildung als Ingenieur abgeschlossen, als sein Leben «durch Zufall» einen anderen Weg nahm. Da sein Freund nach Skandinavien reiste, begleitete ihn Zäch. In Finnland angekommen, arbeitete er dort als Vermesser, daher der Titel der Ausstellung. Dort in der Ferne fand er heraus, dass er nicht Ingenieur, sondern Künstler werden wollte. – Die besondere Schönheit der finnischen Landschaft muss dabei eine Rolle gespielt haben.
am Eingang der Ausstellung, René Zäch, Ohne Titel (Foto mp)
Zurück in der Schweiz besuchte Zäch die Kunstgewerbeschule in Basel und verzeichnete schon bald Erfolge mit seinen ersten künstlerischen Arbeiten. Die entscheidende Station war das anschliessende Stipendium der Rijksakademie in Amsterdam: Dort fand er die Anregungen, die ihn während seines ganzen künstlerischen Lebens beschäftigen sollten. Im Amsterdam der 1970er Jahre entwickelten sich die Richtungen der damaligen Avantgarde: Landart, Minimalart bzw. Konzeptkunst. «Es entstand die konzeptionelle Basis seines Werkes, das den Bezug zur konkreten Welt, zu Figuration nie ganz verlassen sollte», schreibt Katrin Steffen.
verschiedene Objekte zum Staunen: zwei Bundesordner in ungewöhnlicher Anordnung; ein keineswegs gewelltes Blatt mit Karos; ein Bild mit links und rechts je einem Druckbleistift, die Mine durch das Bild verbindet beide; oben: Kleiderbügel (Foto mp)
Landschaft, das heisst, alles, was sie lebendig macht, bearbeitet René Zäch immer wieder und manchmal überraschend. Wir sehen gleich neben dem Eingang zum Hauptsaal eine Landkarte der Gegend um Moutier (heute noch BE, ab 2025 JU) aus dem Jahre 1974, als der Konflikt um die Selbstständigkeit des jüngsten Kantons schon entbrannt war. Auf diese Karte hat der Künstler weisse Papierstreifen geklebt und mit Bleistift graue Schraffierungen derart täuschend angebracht, dass das Werk dreidimensional wirkt.
Moutier mit Streifen (Foto mp)
Gegenüber fällt eine Serie von Zeichnungen auf, zarte Zweige ganz naturnah fein gezeichnet. Die Schönheit der Natur wird durch die Wiederholung betont. Die Hängung trägt zu dieser Überhöhung bei. – Daneben lesen wir im Brief, den Zäch damals (1984) geschrieben hat, und verstehen: Er hatte ein Konzept, wie und wo die Bilder zu hängen hatten.
Eine der Zeichnungen, für die René Zäch genaue Vorschriften gemacht hatte
(Foto mp)
Wenn dieses Konzept nicht eingehalten würde, müsse er, Zäch, sich von der Weihnachtsausstellung zurückziehen. Mich erstaunte folgender Satz: «Auf keinen Fall dürfen die Zeichnungen als geschlossene Serie gezeigt werden.» – Genau das ist nun 40 Jahre später in dieser posthumen Ausstellung geschehen.
Uhren müssen den Künstler fasziniert haben. In der Ausstellung hängen mehrere, die in ihrer Form an die legendären Schweizer Bahnhofsuhren erinnern. Aber die Uhr im Treppenhaus zwischen den beiden Stockwerken, wo stets ein besonderes Werk platziert ist, hat keine Zeiger und keine Zahlen, stattdessen nur zwölf Punkte – allein die perfekte Form wird zur Schau gestellt.
Im Treppenhaus des Kunstmuseums: René Zäch, Uhr (Foto mp)
In den Ausstellungsräumen finden wir neben anderen Uhren eine mit Buchstaben statt Zahlen. Man liest D A U E R N zweimal – also 12 Buchstaben. Die roten Zeiger bewegen sich rasend schnell, widersprechen damit dem «Dauern». Solche ironisch-witzigen Anspielungen findet man bei Zäch in verschiedenen Werken. – «Er führte die technische Welt ad absurdum. In seinen Werken schuf er eine Balance zwischen Schönheit und ironischer Kritik», schrieb die Bieler Zeitung ‘jour’ vor Jahren.
Auch Zächs Konstruktionen entbehren dieser Komik nicht. Sie scheinen aus Aluminium gebaut zu sein. Liest man aber den Saalzettel, muss man feststellen, dass der Künstler für ein «Fernrohr» (2011), eine ziemlich grosse Konstruktion in der Mitte des Raumes, Karton, Holz, Lack und Metall verwendet hat. (s. Titelbild)
Der «Beschleuniger» (Foto mp)
Zächs Werke sollte man auch in den anderen Sälen des 1. Stocks suchen. Im grossen Mittelsaal steht der immense «Beschleuniger», 1998 geschaffen, ein Werk aus Holz, Kunstharz und Stoffband. Beim Betrachten dachte ich spontan an einen «Nachbau» des CERN-Teilchenbeschleunigers in Genf. – Welche Ironie!
Zu den schönsten Werken zählt für mich ein filigranes Kunstwerk ohne Titel, geschaffen 1976 aus feinen Zweigen. Ein Symbol der Natur in meinen Augen, zerbrechlich, aber es steckt Hoffnung auf Wachstum drin. Es zeigt, wie wenig Material notwendig ist, um eine starke Aussage zu machen.
René Zäch, Ohne Titel («Feine Zweige» mp) Foto mp
Auf beschränktem Raum zeigt diese Ausstellung eine Fülle unterschiedlichster Werke, ältere, neuere und noch nie gezeigte aus dem Nachlass. Wir erkennen, dass René Zäch über die Jahrzehnte seines Schaffens kontinuierlich an gewissen Themen interessiert war: Linie und Fläche, Raum und Bewegung, Nutzbarkeit und Witz ohne Zweck. Und einige Werke können auch etwas erzählen.
Der Künstler war mit dem Kunstmuseum eng verbunden. Seine Werke wurden mehrmals dort präsentiert. Für diese Ausstellung konnte Katrin Steffen auf Werke aus dem Museumsbesitz als auch aus dem Nachlass und aus Privatbesitz zurückgreifen.
René Zäch: Vermessen in Finnland. Im Kunstmuseum Solothurn bis 1. Januar 2025
Titelbild: Ausstellungsansicht «René Zäch: Vermessen in Finnland». Kunstmuseum Solothurn Foto: David Aebi