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Namenlose Gesichter

Ovale, namenlose Gesichter prägen die Ausstellung von der Manor-Preisträgerin Mathola Wittmer im Kunstmuseum Luzern.

Auf über tausend Blättern und grossformatigen Leinwänden hat sie mit minimalen Elementen Gesichter geschaffen. Ein ovaler Umriss bestimmt fast alle Blätter und in der Masse reicht er bereits, um ihn als Kopf zu lesen. Bei manchen kommt ein Punkt als Auge dazu, ein Strich als Nase oder der Abdruck einer Haarsträhne legt sich als kokette Locke über das Gesicht, während ein schneller Pinselstrich zum lachenden Mund wird.

Im Fokus von Mahtola Wittmers  Arbeit steht die Interaktion, das Ich gegenüber dem Du, aber auch gegenüber der Umwelt. Was passiert, wenn Menschen aufeinandertreffen? Was geschieht, wenn Körper auf Architekturen treffen? Die Künstlerin findet in ihren Performances prägnante Bilder für Aspekte zwischen menschlicher Beziehungen, für Nähe, Spannung, Unterstützung, Abstossung und Anziehung.

Die verwendeten Mittel und Settings sind einfach, das Vorgehen oft spielerisch und von Humor getragen. So verteilt Mahtola Wittmer beispielsweise magnetische Ringe im Publikum, hängt sich mit ihrem Mantel gleich selbst an die Garderobe oder vernäht Pulloverärmel, um Emotionen zu visualisieren. Dabei denkt sie ihre Performances immer auch bildlich und übersetzt sie in Fotografien, Videos oder Skulpturen. In ihrem Werk verwebt sie persönliche und feministische Themen. Der Besucher darf hier auch ruhig mal die Rollen wechseln und sich beobachtet und sich ausgestellt fühlen. Denn Kunst zu schaffen, bedeutet nicht zuletzt, sich einem Wettbewerbs auszusetzen, und sich selber auszustellen, wenn man seine Werke präsentiert.

Mathola Wittmer zeichnet mit Bleistift, Kohle oder Pinsel, trägt Graphitstaub oder Spray auf und arbeitet mit Monotypien, also Druckverfahren, die Unikate erzeugen. Mit sogenannten Gelliprint-Druckplatten überträgt die Künstlerin Strukturen und Motive wie Haarlocken oder Hände. Die Monotypien und der Farbauftrag mit der Spraydose erzeugen einen Positiv-Negativ-Effekt, der an Fotogramme erinnert.

Die Künstlerin nutzt unzählige Alltagsobjekte aus Haushalt, Garten und Atelier als Negativformen, beispielsweise Pflanzen, Sand, Spaghetti  oder Dosendeckel. Das heisst, sie legt diese auf Papier oder Leinwand, bevor sie die Farbe darüber sprayt. So erzeugt sie Augen und Münder, Falten, vernarbte Haut oder ein Gedankengewitter, das durch den Kopf zu blitzen scheint.

Die Gesichter blicken amüsiert, verblüfft , erschrocken, ernst, gelangweilt  oder verträumt. Sie sind meist kahl, manchmal verschleiert oder versehrt. Eine Hand über den Augen oder dem Mund evoziert die drei Affen, die nichts sehen, nichts sagen, nichts hören. In der Ausstellung präsentiert Mathola Wittmer die Köpfe als Masse, die von den Wänden blickt. Tischtennis-Trainingsmaschinen sind so im Raum installiert, dass sie als menschliches Gegenüber assoziiert werden können. Die Bälle, die diese Maschinen in den Raum spucken, werden zu Worten, mit denen das Publikum beworfen wird.

Die Maschinen können auch stellvertretend für die Künstlerin gelesen werden, die sich in einer Performance vorausgabt und sich gleichzeitig dem Publikum und dessen Reaktionen stellt. Jeder Auftritt, jede Präsentation ist mit der Möglichkeit des Scheiterns verbunden. Die gesellschaftlichen Ansprüche heute, der Leistungs- und Erfolgsdruck sowie die permanente Verfügbarkeit, sind ein wichtiges Thema in Wittmers aktuellem Schaffen.


Mathola Wittmer erklärt ihre Werke

Mathola Wittmer studierte Grafik und arbeitete in diesem Bereich, bevor sie an der Hochschule Luzern Design und Kunst, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der Akademie der bildenden Künste Wien in den Fachbereichen Medienkunst, Performance, Installation  und Vermittlung studierte.

Mahtola Wittmer erhält den Manor Kunstpreis Zentralschweiz Luzern 2024. Zu diesem beutenden Schweizer Förderpreis gehört nebst der Ausstellung im Kunstmuseum Luzern auch eine Publikation. Die von Eveline Suter kuratierte Ausstellung «Kopf an Kopf oder Tête-à-Tête?» dauert bis 16. Februar 2025.
Fotos: Josef Ritler

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