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Kleine Wunder im Schnee

Sie sind heute zwar Massenware und bei jedem Grossverteiler zu finden, aber wer sie kauft oder geschenkt bekommt, hat trotzdem das Gefühl, ein kleines Wunder zu besitzen: Die Christrose, die mitten im Winter blüht, der Eisnächte und Schnee nichts anhaben können. Zwar lässt sie bei strubem Winterwetter kurz ihre Blüten und Blätter hängen, aber wenn die Temperaturen steigen, steht sie wieder da in ihrer ganzen Schönheit.

Und weil bald Weihnachten ist, beginnen wir mit einer kleinen Geschichte: Der kleine Junge, der mit den Hirten, so wie es die Engel verheissen hatten, auf dem Weg nach Bethlehem zum Jesuskind war, hatte als einziger kein Geschenk dabei. Das machte ihn so traurig, dass ihm die Tränen kamen. Und oh Wunder, dort wo die Tränen den Boden berührten, wuchs eine wunderbar zarte, weisse Blume. Diese pflückte der kleine Hirtenknabe und brachte sie dem Kindlein in der Krippe als Geschenk.

Manche mögen jetzt einwenden, dass eine Christrose am Geburtsort von Jesu kein spektakuläres Geschenk sei. Schliesslich steht in der Bibel nichts von Schnee, durch den Maria und Josef auf dem Weg zum Stall stapfen mussten. Aber bitte, die Christrose als Wunder der Natur, verträgt doch auch etwas dichterische Freiheit.

Christrosen- Legende auch in Schweden

Auch Selma Lagerlöf, die schwedische Schriftstellerin und erste Literatur-Nobelpreisträgerin, erzählt von der Christrose. Sie soll im Winter in einem schwedischen Wunderwald geblüht, und, ganz kurz gefasst, dazu geführt haben, dass eine geächtete Räuberfamilie wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wurde.

So zart die Blüte auch scheint, Eis und starker Schneefall können ihr nichts anhaben. (alle Bilder pixabay)

Der Text zum Lied «Es ist ein Ros entsprungen» soll im ältesten Nachweis, dem Speyerer Gesangbuch 1599, vom heiligen Laurentius stammen, der sich ebenfalls von der Winterwunderland- Blüte inspirieren liess. Und Eduard Mörike widmete dem «Kind des Mondes, nicht der Sonne» zauberhaft poetische Verse.

Profane Verwandtschaft

Dass die Christrose mitsamt ihren später blühenden Verwandten, den Lenzrosen, zu einer eher profanen Familie gehört – der Gattung Nieswurz, aus der Familie der Hahnenfussgewächse – schadet ihrem Zauber nicht. Ihr schwarzes Rhizom, das sich in ihrem Namen lateinischen Namen Helleborus niger spiegelt, unterscheidet sie von all den anderen später blühenden Nieswurzgewächsen. Sie kommt als Wildform in Laubwäldern von Süd- bis Westeuropa vor, in der Schweiz wild nur im Tessin. Sie steht allerdings überall unter Naturschutz; all die Christrosen im Handel stammen aus Zuchtbetrieben.

Die Lenzrose blüht etwas später, im Frühling, und ihre Blüten neigen sich, im Gegensatz zu den stolz aufgerichteten Christrosen, der Erde zu.

Die Christrose hat sich allerdings nicht nur einen Namen in der Literatur gemacht, sie wird im Volksmund auch als Orakelblume verwendet und ist in der Medizin seit Hippokrates als Heilpflanzen bekannt. Zum Orakel: Wer in der Weihnachtsnacht zwölf knospende Blüten der Christrose ins Wasser stellt – und jeder Knospe einen Monat zuordnet – kann das Wetter des kommenden Jahres voraussagen. Öffnet sich die Knospe, ist für den fraglichen Monat mit gutem Wetter zu rechnen, bleibt die Knospe geschlossen oder welkt sogar … .

Vorsicht giftig

Etwas aussagekräftiger sind die heilenden Kräfte der Christrose. Hippokrates verwendete sie als harntreibendes und abführendes Medikament und später wurde sie auch zur Behandlung von Wahnsinn in der Psychiatrie eingesetzt. Und der Name Nieswurz sagt es: Zu Pulver zerriebene Pflanzenteile wurde in den Schnupftabak gemischt. Protoanemonin heisst der Stoff, der die Schleimhäute in der Nase kitzelt und den Niesreiz auslöst. Mit dem, so wurde früher angenommen, auch Krankheiten und sogar böse Geister mit ziemlichem Druck aus dem Körper katapultiert wurden.

Aber aufgepasst: So poetisch und zart die Christrose auch erscheinen mag, all ihre Pflanzenteile sind giftig und können, zu hoch dosiert, zu Atemlähmung und zum Tod führen. Das sagt schon ihr Name: Das altgriechische «hellein» heisst töten,»bora» Speise. In der Homöopathie aber wird Nieswurz bis heute verwendet, nachdem bereits im 16. Jahrhundert der Zürcher Arzt und Gelehrten Conrad Gessner von dessen Heilkraft berichtete.

Ob da wohl ein Hexentrank gebraut wird? Dann hat es sicher auch Pulver der Christrose im Topf.

Zudem soll eine Kraft ganz anderer Art in der Christrose enthalten sein: Zu Pulver gemahlen und auf den Boden gestreut, soll sie unsichtbar machen. Auch in Hexensalben soll sie ein wichtiger Bestandteil sein und als Elixier für ewige Jugend und Schönheit sorgen. Sicher ist allerdings nur, dass mit Christrosen sorgfältig umgegangen werden muss: Der aus den Stengeln austretende Saft kann auf der Haut allergische Reaktionen auslösen. Ist halt schon so: Auch grosse Schönheit und Anmut und grosser Zauber kann irgendwo ein Quentchen Gift enthalten.

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2 Kommentare

  1. Ich habe schon ein paar Jahre eine Christrose in meinem Garten. Sie hat jedes Jahr mehr Blüten. Am Morgen erfreut ihr Anblick mein Herz ❤️.

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