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Vorbilder: Behrami, Xhaka und Shaqiri

Zugegeben: Ich bin ein Fussball-Fan, kein Fussball-Experte. Im Gegenteil. Ich erfreue mich einfach an höchst spannenden Spielen, auf welcher Stufe auch immer. Ich hatte die wichtige, aber auch erfahrungsreiche Aufgabe, meinen Enkel Nils, meistens mit einem Kollegen von ihm, auf die schönen Sport-Anlagen der reichen Zürichsee-Gemeinden auf der rechten Seite des Sees zu fahren. Nils legte Wert darauf, dass wir früh dort erschienen, damit wir noch einen nahen Parkplatz ergattern konnten. Die schon parkierten Autos wiesen auf eines hin: In dieser Umgebung fehlt es nicht an Geld. Und der Eindruck setzte sich fort, als ich als Zuschauer das Spielfeld erreichte. Die Anwesenden, meistens wohl Eltern und Grosseltern, unterschieden sich mit ihren sportiven, reich wirkenden Kleidern und Schuhen merklich von mir; ich kam mir ärmlich vor. Mit Herzblut «fänten» sie fanatisch für ihre jungen Fussball-Talente, spornten sie an zum Tore-Schiessen, zum Sieg. Und einen erkoren sie zum Vorbild, als ich die Knirpse in ihren teuren Club-Tenüs und Fussball-Schuhen befragte: Valon Behrami (39). Auch in Albanien war er ein Vorbild, ein Held. Als wir 2010 im Rahmen eines Entwicklungshilfe-Projekts des Schweizer Pfarrers Patrice de Mestral in Tirana ein Gymnasium besuchte, wollten die Schüler von uns nur eines wissen: Ob wir Valon Behrami auch gut finden und ob wir es auch wirklich schätzen, dass er für die Schweiz spiele. Valon Behrami hat 2022 seine Fussballer-Karriere in Italien beendet. Als Mann von Lara Gut-Behrami ist er aber nach wie vor mit dem Schweizer Sport eng verbunden, zumindest mit seinem Namen.

Ja, der Fussball ist auch bei den Reichen in der reichen Schweiz angekommen. Es sind nicht mehr nur die aus der Unterschicht, aus den Migranten-Familien, welche den Fussball zu hoher gesellschaftlicher Akzeptanz führten, der Schweizer Nationalmannschaft zu internationaler Reputation verhalfen. Zwar sind auch hochkarätige Schweizer darunter. Ich denke an Jan Sommer (36, Absolvent der Handelsmittelschule, jetzt bei Inter Mailand oder an Georg Kobel (27, jetzt bei Borussia Dortmund, der seinen Vater nachahmt, welcher als erfolgreicher Eishockeyspieler weiss, wie es beim Profi-Sport zugeht.

Doch bei aller Liebe zur Schweiz und zu den Schweizer Fussballern: Es sind mit Valon Behrami (39), Xherdan Shaqiri (33) und Granit Xhaka (32) aber nach wie vor drei mit Wurzeln im Balkan, welche dem Schweizer Fussball den wirklichen Glanz verliehen und verleihen. Shaqiri entzückt mit seiner Rückkehr in die Schweiz die fussballverrückte Stadt Basel und darüber hinaus. Endlich ist der FC Basel mit ihm aus dem Jahre langen tiefen Tal wieder an die Spitze des Schweizer Fussball gerückt. Und erst Granit Xhaka, der heissblütige Mittelfeld-Spieler? Er wechselte vom FC Basel zu Mönchengladbach, landete über Arsenal London schliesslich beim deutschen Meister und Cup-Sieger Bayer Leverkusen. Dort hat er sich endgültig zum bestimmenden Strategen entwickelt, gleich seinem Trainer Xabier Alonso.

Im heiss umstrittenen Cup-Duell mit Bayern München setzte Xhaka um, was Alonso ausgeheckt hatte. Leverkusen liess die Bayern anrennen, setzte auf Ballverluste und, sobald sie den Ball erobert hatten, schalteten sie sofort um und lancierten mit langen Pässen ihre schnellen Stürmer. Obwohl es nur zweimal gelang, brachte die Strategie den 0:1 Sieg. Einmal, weil Manuel Neuer (38), der ehemals weltbeste Torhüter der Bayern, den anstürmenden Leverkusener Jeremie Frimpong (23) mit einem eishockeyähnlichen Body-Check von den Beinen holte, dafür die rote Karte sah und vom Platze flog. Und einmal, weil der eingeübte Spielzug perfekt gelang. Xhaka schickte mit einem weiten Pass Alejandro Grimaldi (29) auf die Reise, der flankte zielgenau in die Mitte vor das Tor der Bayern, wo Nathan Tella (25), eben eingewechselt, den Ball mit dem Kopf ins Netz lenkte. In deutschen Medien hiess es dazu: «Ein strukturierter und von Granit Xhaka dirigierter Angriff reichte den Gästen zum siegbringenden Tor.» Xhaka, der zuerst als Stratege im Mittelfeld spielte, zog sich nach dem 0:1 zurück. Wo er auch als Abwehrchef brillierte. Als hinterster der Mannschaft verhinderte er im allerletzten Moment mit einer spektakulären Grätsche ein Tor der Bayern und sicherte damit endgültig den Sieg der Leverkusner. Wahrlich: Er kann auch als Verteidiger brillieren.

Während wir uns am Erfolg der «neuen» Schweizer erfreuen, ja stolz auf sie sind, tun wir uns recht schwer mit der Einwanderung. Die Personen-Freizügigkeit ist umstritten. Das Verhältnis zur EU noch ungeklärt. Bundesbern will  die Armee aufrüsten, dabei massiv die Mittel für die Entwicklungshilfe kürzen. Die SVP profitiert davon, wie Umfragen zeigen. Die Tendenz zur Isolation nimmt zu. Bleibt uns künftig nur noch der Sport? Sind es nur noch die Heldinnen und Helden, mit ihnen die erfolgreichen Migranten, die uns internationale Reputation verleihen? Zumindest bei der «schönsten Nebensache der Welt» (Zitat Pele, 84 +), wie der Sport nur zu gerne abgetan oder hoch gelobt wird.

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2 Kommentare

  1. Ein Paradoxon: Die Staatsform der direkten Demokratie der Schweiz will die Macht und das Geld auf möglichst alle Bürger:innen gleichmässig verteilen, da laut unserer Bundesverfassung, de facto nur auf dem Papier, alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Ich habe eigentlich nichts gegen Vorbilder, auch nichts gegen Sport, doch wenn es so ausartet, wie beim Profisport, allen voran dem Fussball, komme ich schon ins Grübeln.

    Längst wissen alle, dass der Weltfussball von einer Bande korrupter und machtsüchtiger Männer befehligt und korrumpiert wird, denken Sie an den Schweizer Fifa-Boss und seine arabischen Freunde, die alles andere als demokratische Werte im Blick haben.
    Trotzdem hat diese Mafia ihren Sitz nach wie vor in der Schweiz und die Fussballfans, scheinbar auch der Kolumnist, vergöttern die erwähnten, millionenschweren Profis, die absolut nichts mit unserer demokratischen Schweiz am Hut haben.

    Sport als Morphium für das Volk, nichts Neues, dann machen sie nichts Dümmeres als Schlägereien und kostspielige und unsinnige Zerstörungen in Fussballstadien und bei den Verkehrsbetrieben, die natürlich, weil ein grosses Polizeiaufgebot bei gewissen Spielen kostenpflichtig aufgeboten wird, durch die Steuerzahler bezahlt werden muss.

    Ich frage mich für was das alles? Haben die Schweizer:innen nicht mehr Potential, als Sport und Heldenverehrung? Ich fürchte, viele in unserem Land haben das «rechte Mass» und den «rechten Blick für das Wesentliche» verloren.

  2. Zur Abwechslung vertrage ich einen Beitrag über verwöhnte Burschen. Ein Bericht über den Materialwart einer Junioreninnenmannschaft wäre interessanter, ebenso wie eine Psychoanalyse über den grössten regionalen Männerchor in der Muttenzerkurve.
    Ich freue mich auf weitere Texte von Anton Schaller.
    Hans Rohrer

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