Es naht. Bald ist es so weit. Haben Sie schon alles beieinander? Das Menü geklärt? Da gibt es nichts zu klären, es gibt wie alle Jahre wieder, Sie wissen schon, und für die wachsende vegetarische Fraktion das auch wie alle Jahre wieder Gratin. Eigentlich möchte ich nicht über Weihnachten schreiben. Aber es drängt sich aus zwei Gründen auf: Erstens habe ich in den letzten Tagen mit mehreren Freundinnen und Freunden über das Fest der Feste gesprochen. Die einen schwelgten in Erinnerungen an wunderschöne Lieder, verheissungsvolle Düfte und raschelndes Geschenkpapier. Die Anderen schwiegen, bevor sie knapp zusammenfassten: Die heilige Familie, versammelt unter dem Baum, der reine Horror. Aber bei allen gingen die Emotionen hoch. Weihnachten, ein Fest, beladen mit Erinnerungen, Erfahrungen, Erlebnissen, Enttäuschungen, aber auch mit hohen Erwartungen, noch immer.
Und mit Geschichten. Es gibt jene, die auf Traditionen zurückgreifen und sie unhinterfragt fortführen bis in alle Ewigkeit. Zuerst singen, dann DAS Menü, dann Geschenke. Und ja, das Fest muss wie immer bei den Eltern stattfinden, denn es ist so schön, noch einmal Kind zu sein. Obwohl diese Weihnachtskinder schon bald fünfzig sind und eigene Kinder haben, die aus Liebe zum Tier Menü Nummer eins ablehnen. Es gibt die anderen, die entweder eine Weihnachtsparty organisieren, familienfern, aber mit Wahlverwandtschaft, oder mausbeinallein oder einsam zu zweit Serien schauen im TV, eingedeckt mit Sekt und Pommes Chips. Und wieder andere plädieren für soziale Weihnacht, was heisst: Flüchtlinge einladen, eine entfernte Verwandte, die schon etwas durch den Wind ist und zwei drei Randständige. Schöne Idee, nur, wie das gehen soll, keine Ahnung.
An Weihnachten bleibt man doch am liebsten unter sich, in der erweiterten Familie. War schon immer so. Jemand sagt, erweiterte Familien enthielten auch Sprengstoff. Aber doch nicht an Weihnachten, meint Rolf, da reisst man sich doch zusammen und feiert schön, nur schon der Kinder wegen. Weihnacht, das Fest der leuchtenden Kinderaugen. Das war einmal, höre ich mich sagen, als wir uns noch über eine Helanca-Kinderstrumpfhose freuten und einen Calidapijama. Klammer: Ich habe mich nicht über Anziehsachen gefreut. Ich habe mir immer Bücher gewünscht. Heute schenke ich mir selbst und nicht bloss zu Weihnachten Bücher. Und so sind wir nach dem zugegeben langen Exkurs bei meinem zweiten Grund angelangt, über Weihnachten zu schreiben. Denn ich bekam einige Zuschriften mit Fragen wie: Ich würde gerne Bücher verschenken, weiss aber nicht, welche. Oder: Welches Buch schenke ich einem Kind, das nicht liest? Ich selbst halte es so, dass ich Bücher schenke, von denen ich begeistert bin. Und wenn sie bei den Beschenkten nicht ankommen, hoffe ich, die Bücher werden weiter verschenkt. Deshalb besser keine Widmungen in Bücher, die Sie verschenken.
Kindern, die nicht lesen, würde ich keine Bücher schenken. Geschenke mit pädagogischen Absichten können Weihnachten verderben. Ich würde ihnen vielleicht ein Spiel schenken, ihnen aber die Spielanleitung nicht vorlesen. Oder ich würde ihnen, wenn es zwingend ein Buch sein soll (auf Wunsch der Eltern), dann eine Graphic Novel (es gibt spezielle Kinder-Comic-Romane) schenken. Die kommen mit wenig Text aus und es gibt grossartige Zeichner:innen. Unbedingt mit dem Kind in eine gut sortierte Buchhandlung gehen und mit ihm entsprechende Werke anschauen. Vielleicht beisst es an!
Dennoch, schenken Sie unbedingt und auch im letzten Moment Bücher, Ihren Liebsten und sich selbst, wie immer Sie auch Weihnachten feiern. Lesen Sie, lesen Sie weiter in den Tagen zwischen den Jahren und überhaupt an allen Tagen des neuen Jahres – alles Gute!