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Entwicklungshilfe ohne Umwege

Agnes Benz-Tiziani erzählt in ihrem Buch «Einander die Hände reichen», wie sie nach ihrem ersten Besuch im Senegal 2002 von der Hausfrau zur erfolgreichen Projekt-Managerin wurde. Heute begleitet sie mit ihrem Verein «Hand für Afrika» zahlreiche Schul- und Landwirtschaftsprojekte nach dem Prinzip «Hilfe zur Selbsthilfe».

Am Anfang steht ein Backstein, den Agnes Benz-Tiziani aus einer losen Mauer in einer Schule im ländlichen Senegal zieht. Das Mauerwerk ist so brüchig, dass das Gebäude einsturzgefährdet ist und die Eltern sich weigern, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Sie will helfen, aber wie, und woher die Mittel beschaffen? Zurück in der Schweiz bespricht sie die Situation mit ihrem Ehemann Kurt. Gemeinsam schreiben sie einen Bericht, entwickeln ein Projekt und sprechen Geldgeber an. Nach kurzer Zeit sind 100 000 Schweizer Franken beisammen. Schon ein Jahr später ist das marode Gebäude in Bambey abgerissen und die Kinder haben neue, sichere Klassenzimmer. Dies ist der Beginn der internationalen Hilfsorganisation Hand für Afrika (HfA), die Agnes Benz-Tiziani zusammen mit ihrer Familie 2003 gründete.

Agnes Benz-Tiziani, 1948, wuchs in Montlingen SG in einfachsten Verhältnissen auf. Sie war eine gute Schülerin. Eine Ausbildung blieb ihr jedoch verwehrt, weil die Familie auf ihren Verdienst angewiesen war. An ihre eigene Geschichte erinnerte sie sich später in den armen Gemeinschaften in Afrika, wie sie im Buch Einander die Hände reichen. Mein Wirken im Senegal erzählt, das von der Autorin Franziska K. Müller verfasst wurde.

In St. Gallen zog die verheiratete Agnes Benz-Tiziani als Hausfrau und Mutter drei Kinder gross, zwei Töchter und einen Sohn. Die Ferien verbrachte die Familie jeweils beim Wandern in den Schweizer Bergen. Mit fünfzig, die Kinder waren erwachsen, besuchte sie erstmals mit Kolleginnen Kenia. Die Mountainbike-Safari wiederholte sie darauf auch mit ihrem Mann. Doch mit Afrika, meinte sie, hielt ihr das Schicksal ein anderes Geschenk bereit, aus dem man etwas machen kann.

Die Begegnung mit Ambroise Tine in St. Gallen führte sie erstmals 2002 in den Senegal. Er erzählte ihr von der baufälligen Schule aus der französischen Kolonialzeit in Bambey, auch von den prekären Lebensbedingungen der Bevölkerung in der ländlichen Gegend. Abbé Ambroise, liebevoll Ambu genannt, war Direktor der katholischen Diözese (DIDEC) in Thiès, der zweitgrössten Stadt Senegals, und Generaldirektor der Caritas Senegal. Zuständig für den Bildungsbereich kannte er sich mit den Problemen der Menschen aus. Durch ihn lernte sie eine neue Welt kennen, die sie zum Handeln herausforderte, und in ihm hat sie bis heute einen kompetenten Berater.

Agnes Benz-Tiziani und Abbé Ambroise mit Jugendlichen.

Das erste Schulprojekt ging die unerfahrene Agnes Benz-Tiziani noch zögerlich an. Sie lernte im Bereich Fundraising, ihre bis heute wichtigste Aufgabe, rasch dazu. Zum guten Gelingen ihrer Vorhaben trägt die lokale Organisation der DIDEC viel bei, die vor Ort als Bauherrin zeichnet und für alle Arbeiten im Land verantwortlich ist. Die Projekte werden zusammen mit einheimischen Fachleuten und Handwerkern zügig umgesetzt, innerhalb von 20 Jahren sind es 19 Schulen. Die Aktivitäten bringen neue Arbeitsmöglichkeiten ins Land, so dass immer mehr Familien wieder zurückkehren und ihre Kinder hier zur Schule schicken.

Schule mit Schreibtischen aus St. Gallen. Mehr als 600 Schülerinnen und Schüler besuchen heute die Schule in Bambey.

Von Anfang an trat Hand für Afrika der Benachteiligung von Kindern, besonders von Mädchen im Bildungsbereich mit Patenschaften und Schulprojekten entgegen. Das Geld aus den Patenschaften fliesst in einen Pool, den die DIDEC verwaltet. Lehrpersonen, Schulmaterial und auch kleine Arztkosten werden bezahlt, etwa die Malariaprophylaxe oder eine Brille. Begünstigt werden ausschliesslich Kinder aus armen Familien oder von alleinstehenden Müttern. Zudem gibt es einen Pool, der in Härtefällen Kindern ohne Patenschaften den Schulbesuch ermöglicht. Die Unterstützung hängt nicht von der Konfession ab.

Die in der Schweiz gesammelten Güter werden unter Mithilfe von Freiwilligen in Container gepackt und nach Senegal verschifft.

Da ein Universitätsabschluss keinen Arbeitsplatz garantiert, können Jugendliche einen Beruf mit Diplomabschluss erlernen. Viele der ehemaligen Patenkinder arbeiten heute in handwerklichen Berufen, junge Frauen auch als Schreinerinnen oder Elektrikerinnen. Doch häufiger lassen sie sich als Lehrerinnen, Hebammen oder Pflegefachkräfte ausbilden und bleiben ihrer Heimat treu.

Die Pflegefachkräfte freuen sich über die neue Krankenstation.

Die Projekte von Hand für Afrika beschränken sich nicht allein auf den Bildungsbereich. Agnes Benz-Tiziani geht stets offen auf die Menschen zu, spricht mit ihnen. Vor allem hört sie ihnen gut zu. Dank Gesprächen mit den Frauen gibt es nun auch Geburts- und Bettenstationen mit hellen Zimmern und mit einem einfachen Labor. Die jungen ausgebildeten Fachkräfte finden hier Arbeit und sind gefragt.

Der 15 Meter hohe Wasserturm sorgt dafür, dass der Zugang zum Trinkwasser für die 20 000 Bewohnerinnen und Bewohner im Tal auch in der Trockenperiode gewährleistet ist. In einer Tiefe von 108 Metern stiessen die Erbauer auf einen sich selbst auffüllenden See.

Grosse Teile Senegals liegen im trockenen Sahelgebiet. Hier realisierte die Gründerin von HfA mit viel Beharrlichkeit den Bau eines Wasserturms, der dank zusätzlicher Förderung aus dem Ausland und unter Mithilfe der Einheimischen nach vielen Hindernissen gebaut werden konnte. Mit dem Wasserturm wurde auch ein Gemüse-Bauernbetrieb La ferme ins Leben gerufen, wo rund 200 Frauen auf fünf Hektaren Land jährlich mehrere Tonnen Bohnen und Gemüse ernten können. Inzwischen gibt es grosse Abnehmer, was den Menschen ein Einkommen bringt.

Der Wasserturm sichert das Trinkwasser, aber auch die Bewässerung der Felder des Gemüseanbau-Projekts in der Sahelzone.

Agnes Benz-Tiziani begann als Greenhorn und realisiert bis heute als versierte Macherin Projekte im Senegal. Im engen Austausch mit den örtlichen Organisationen und mit den Einheimischen geht sie auf deren Bedürfnisse ein. In der Schweiz findet sie viele Unterstützende. Um die Spendengelder ordnungsgemäss zu kontrollieren, gründete sie zusammen mit ihrem Ehemann 2003 den Verein Hand für Afrika (HfA). Jeder Franken fliesst in das Projekt, Reisen werden immer aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt.

Agnes und Kurt Benz-Tiziani gründeten 2003 den Verein «Hand für Afrika» (HfA).

Im Verein Hand für Afrika (HfA) schliessen sich engagierte Menschen zusammen, die nicht nur spenden, sondern auch handeln wollen. Ihr Ziel ist es, gemeinsam etwas gegen Hunger, Armut, Elend und soziale Benachteiligung zu unternehmen. Den Menschen im Senegal ein Auskommen und ein würdiges Leben zu ermöglichen. «Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist, jeder Tropfen ist willkommen und wird geschätzt», sagt Agnes Benz-Tiziani.

Hier finden Sie die Webseite von «Hand für Afrika». Das Spendenkonto lautet:
PB 90-708782-9, IBAN CH84 0900 0000 9070 8782 9

Titelbild: Agnes Benz-Tiziani inmitten von Kindern im Senegal.
Alle Bilder:
© Hand für Afrika / Privatbesitz Agnes Benz-Tiziani

Agnes Benz-Tiziani, Einander die Hände reichen. Mein Wirken im Senegal. Textarbeit: Franziska K. Müller. Edition 381, Verlag rüffer & rub, Zürich 2024.
ISBN 978-3-907110-23-2

 

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