«Wir schicken Abgewiesene schneller zurück», titelte die NZZ vom 17.2.2025 und zitierte so unseren Justizminister, der recht pragmatisch auf teils suggestive Fragen antwortete. Unsere Schweiz, so heisst indes Ein Heimatbuch für Weltoffene (Basel 2019). Beat Jans veröffentlichte es vier Jahre vor seiner Wahl in den Bundesrat. Über fünfzig Autorinnen und Autoren setzen sich darin mit der Geschichte, Identität und Wirtschaft unseres Landes auseinander. Mein Jaba’jaba titelte Jacqueline Badran ihren Beitrag – eine Zukunftsvision.
1976 war die heutige Nationalrätin 15-jährig. Und da hörte sie, wie ihr Geographielehrer sagte: «Die Hälfte der Menschheit verbringt die Hälfte ihres Lebens damit, Wasser zu suchen und zu transportieren.» Das schockte die Schülerin. «Fortan sah ich die Welt mit völlig andern Augen», schreibt sie. Der Lehrer vermittelte ihr, wie zufällig und privilegiert wir da leben, «wo uns ohne eigenes Dazutun stets Wasser bester Qualität zugänglich ist».
In den 1980er-Jahren trieben Jacqueline Badran dann die Jugendunruhen um. Von P.M. (Pseudonym) las sie das bolo‘bolo-Manifest (Zürich 1983). Der Verfasser (Hans Widmer) berichtet in seiner «(Real-)Utopie» von ein paar hundert Menschen («ibus»), die eine autonome Lebens- und Produktionsgemeinschaft («bolo») bilden und sich weltweit mit andern «bolos» verbinden. Alle dürfen da leben, wo sie ihre Familie und Freunde haben, die Sprache sprechen und die Kultur anerkennen. Das private Eigentum darf zwei Koffer füllen.
Badran ist inzwischen etwas arrivierter. Sie nimmt sich für ihre Zeit nach der Pensionierung das Doppelte vor, also vier Koffer. Mir geht es ähnlich. Früher plädierte ich für einheitliche Löhne. Eine Stunde Arbeit ist eine Stunde Arbeit und stets gleich viel wert. Punkt. Später räumte ich ein, das maximale Einkommen dürfe doppelt so hoch sein wie das minimale. Die Juso sind noch grosszügiger. Sie akzeptieren ein Verhältnis von 1:12.
Doch «des Pudels Kern» ist für Badran, «nicht Opfer der Umstände zu sein», sondern diese neu zu denken und selbst mit zu gestalten. «Ganz ohne Ausbeutung von Mensch und Natur.» Das beschäftigte die Politikerin schon früh und verdrängte ihre «Tagträume der persönlichen Selbstoptimierung». Das Aussehen und die Frisur verloren an Bedeutung.
Am Zürichberg aufgewachsen, kannte die einstige Skirennfahrerin die «Welt der Reichen und Schönen», erlebte jedoch auch finanzielle Abstiege. Eine «neue Heimat» fand sie, materiell und ideell, in ihrer Eigenständigkeit. Mit den vielen Menschen vor Augen, «die täglich Wasser suchen und rumschleppen», orientiert sich Badran längst an einem Gemeinnutzen für alle, der sich klar von der utilitaristischen Wohlfahrt unterscheidet.
Am «Erfolgsmodell Schweiz» schätzt die Politikerin den «stark föderalistischen (halb)direkt-demokratischen Rechtsstaat». Zudem gehörten in der Schweiz wichtige Güter und Dienstleistungen zum Volksvermögen. Sie werden quasi von der Gemeinschaft kostendeckend bereitgestellt. Niemand darf auf Grundgütern, die alle benötigen, Gewinne erwirtschaften. Unsinnige (Teil-)Privatisierungen bedrohen jedoch diese Errungenschaften. Sie zielen auf Kantonalbanken, die Post, den Strom und sogar das Wasser ab. Das empört Badran. «Heimat» ist für sie auch «das Gefühl, nicht ausgebeutet zu werden». Und so engagiert sich die Nationalrätin für eine Schweiz, die ihrem Modell «Jaba» (Jacqueline Badran) entspricht. Wasser und Boden müssen für alle erhalten bleiben und die gesetzliche Kostendeckung den privaten Immobilienbesitz regeln.
Wichtig ist bei so einem Jaba-Bolo auch die globale Verständigung. Möge sie dazu führen, fair zu handeln, natürliche Ressourcen zu schonen, die Menschenrechte zu achten und auf Waffen zu verzichten. Das dürfte dann auch die Arbeit unseres Justizministers erleichtern. Gerne empfehle ich allen Lesenden, in seinem Heimatbuch für Weltoffene Badrans Vision zu lesen, damit sie sich hoffentlich bald einmal realisieren lässt.
Porträt Ueli Mäder, Foto: © Christian Jaeggi
Jacqueline Badran wird am Donnerstag, 27. März 2025, um 19 Uhr im Sissacher Kultur-Bistro Cheesmeyer mit dem Architekten Jacques Herzog und der Wohnforscherin Miriam Meuth diskutieren, wie sich regionale Entwicklungen möglichst sinnvoll gestalten lassen. Gastgeber und Moderator ist Ueli Mäder.
Zum Beginn der neuen Gesprächsreihe «Für eine soziale und ökologische Wende» im Kultur-Bistro Cheesmeyer (gleich beim Bahnhof Sissach) empfängt Ueli Mäder am 27. Februar 2025 zum Thema «Wer plant die Planung?» Esther Keller (Baudirektorin Basel-Stadt) und Isaac Reber (Baudirektor Baselland).
Buchhinweis: Unsere Schweiz. Ein Heimatbuch für Weltoffene, hg. von Beat Jans, Guy Krneta, Matthias Zehnder. Basel 2019, Zytglogge, ISBN: 978-3-7296-5029-9