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Bundesrats-Wahl – an der Realität vorbei?

Viola Amherd machte es sich zu leicht. Thomas Süssli, der Armeechef, machte es sich zu leicht, ebenso Christian Dussey, der Chef des Geheimdienstes, zumindest vordergründig; sie machen sich vom Acker. Über die wahren Gründe wird in den Medien heftig spekuliert. Viola Amherd sei im Bundesrat wegen ihrer offenen Sicherheitspolitik zunehmend isoliert gewesen. Thomas Süssli fühle sich „als Bauernopfer“ im Kampf um Macht und Geld zwischen Viola Amherd und Karin Keller-Sutter. Und Christian Dussey scheiterte anscheinend an den schlechten Umfragewerten bei seinen Mitarbeitenden. Angezeigt ist jetzt eines: volle Transparenz.

Gerhard Pfister macht es sich ebenso zu leicht, wie seine Partei, Die Mitte, eben auch. Gerhard Pfister verweigerte sich der logischen Kandidatur für den Bundesrat, weil er sich der Nomination durch seine Partei, insbesondere durch Frauen in seiner Partei, nicht sicher war. Den Frauen war er zu zielstrebig, zu fordernd, wohl auch zu souverän. Im Gegenzug waren die Mitte-Frauen nicht in der Lage oder auch willens, eine Frau auf das Bundesrats-Ticket zu hieven.

Ob es sich das Parlament, die 246 Frauen und Mannen der Bundesversammlung, ebenso leicht machen und Markus Ritter oder Martin Pfister zum Bundesrat wählen, ist aktuell betrachtet so wahrscheinlich wie das Amen in der Kirche. Es sei denn, es regen sich die Wachsamen, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche über den Tellerrand der eidgenössischen Politik hinauszublicken vermögen, denen unter der Käseglocke des Bundeshauses die weltpolitischen Entwicklungen nicht entgehen.

Jedenfalls spätestens der beispielslose Streit im Weissen Haus zwischen Trump/Vance und Selenskyj vor laufenden Kameras hat der Weltöffentlichkeit vorgeführt, so auch der Schweiz inklusiv Bundesbern, was auf dem Spiele steht. US-Präsident Trump warf dem ukrainischen Präsidenten vor: «Sie setzen das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel. Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg». Selenskyj hatte sich in den Augen Trump/Vance „erfrecht“, für den Rohstoff-Deal bei einem Friedensschluss mit Putin Sicherheitsgarantien einzuhandeln. Was für die Ukraine unmissverständlich, für einen gesicherten, gerechten Frieden absolut notwendig ist, finden Trump und Vance respektlos ihnen vor allem und den USA gegenüber. Francesca Melandri schreibt in ihrem Buch »Kalte Füsse» zum Ukraine-Krieg: «Das Gegenteil von Krieg ist nicht Frieden, sondern Gerechtigkeit: No justice, no peace.» Und das strebt Selenskyj an: Gerechtigkeit und Sicherheitsgarantien insbesondere von den USA. Trump dagegen will vor allem und zuerst den Handelsvertrag um die seltenen Erden. Und die bange Frage: Kommen die beiden wieder zusammen? Bizarr ist jedenfalls , dass sich Selenskyj für die Beschimpfungen, die er durch Trump/Vance erfahren musste, zu entschuldigen habe, wie Schweizer Medien meinen.

Gefragt sind nun bei der anstehenden Bundesrats-Wahl besonnene, unabhängige Geister, die aus den normierten Gepflogenheiten ausbrechen und die Bundesrats-Wahl am 12. März zu dem machen, was sich geziemt, was zwingend Not tut: Die Wahl einer Frau, eines Mannes, einer Persönlichkeit, welche das eidgenössische Mittelmass mehr als sprengt.

Blenden wir in der Geschichte zurück. Es war ein denkwürdiger Tag im Bundeshaus. Ich stand als junger TV-Journalist am 5. Dezember 1973 mit dem Mikrophon in der Hand vor einer riesigen Kamera in der Wandelhalle und wartete auf die neugewählten Bundesräte, die ich zu einem ersten Interview zu befragen hatte. Zur Erinnerung: Zu ersetzen waren damals Hans-Peter Tschudi (SP), Roger Bonvin (CVP), und Nello Celio (FDP). Keiner der damals offiziell nominierten Nachfolger schaffte die Wahl. Statt Arthur Schmid kam der Solothuner Willi Ritschard auf mich zu, der zuerst im Solothurner Regierungsgebäude abgeholt werden musste. Statt dem Tessiner Enrico Franzoni (CVP) war es der Zuger Hans Hürlimann und schliesslich war es der Waadtländer Georges-André Chevallaz (FDP), der dem Genfer Henri Schmitt von der Bundesversammlung vorgezogen wurde. Alle drei im ersten Wahlgang. Was unterstreicht, welche genauen, im Vorfeld auch geheimen Absprachen erfolgten, so dass der Scoup auf Anhieb gelang.

Ich fragte Daniel Jositsch, den Zürcher Ständerat, an einer Sitzung des sozialliberalen Forums, ob nicht doch noch etwas im Schwange sei, da ja weder Ritter noch Pfister so richtig zu überzeugen vermöchten. Als Neulinge verfügen sie doch weder über sicherheitspolitische Erfahrungen, noch über die notwendigen breiten Sprachkenntnisse, schon gar nicht über die notwendige Reputation, um international zu verhandeln, die Schweizer Armee personell, strategisch, konzeptionell, waffentechnisch so weiterzuentwickeln, dass sie die Schweiz zu schützen in der Lage ist.

“Du weisst ja aus Erfahrung“, meinte Jositsch, „dass erst in der am Montag beginnenden Session so was in Fahrt kommen kann. Da sind geheime, vertrauliche Absprachen eher möglich“. Wir werden ja sehen. Was 1973 gelang, könnte sich wiederholen.

Wenn es so kommt, dass entweder Ritter oder Pfister bei allen Bedenken doch gewählt wird, ist der Bundesrat gefordert. Er würde es sich schlicht zu leicht machen, wenn er das VBS einfach dem Neuen übertragen würde. Ich habe schon in der Kolumne vom 19. Januar 2025 angeregt, dass Karin Keller-Sutter aktuell das wichtigste Departement, das VBS, übernehmen sollte. Ich schrieb: „Sie hat das Stehvermögen, analytischen Verstand, internationale Erfahrungen, kann schwerwiegende Probleme wie das IT-Desaster, die Schwierigkeiten bei der Drohnen-Beschaffung im VBS lösen“. Jetzt doppeln Politikerinnen und Politiker in einem Bericht der NZZ nach und gehen in die Offensive. Für sie käme auch Albert Rösti in Frage. Ja, warum nicht? Es war ja die SVP, welche Viola Amherd zum Rücktritt aufgefordert hatte. Jetzt könnte tatsächlich ein SVP-Mann den Beweis antreten, dass er es besser kann als die vielgeschmähte Frau der Mitte.

Am 12. März wird es so weit sein. Die internationale Lage ist wie beschrieben besorgniserregend. Derart, so dass auch unter der Bundhaus-Kuppel nun wirklich die Erkenntnis ankommen sollte: Weder Parlament noch Bundesrat dürfen es sich zu leicht machen. Die wahrzunehmende Verantwortung darf sich nicht im Mittelmass erschöpfen. Tut etwas Tapferes, sprengt die eidgenössische Normalität. Erkennt die besondere Lage im März 2025.

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4 Kommentare

  1. Herr Schaller hat uns in wenigen Worten eine gute Analyse geliefert. Lassen wir uns überraschen, was unser Parlament macht. Danke.

  2. Der Kandidaten Vorschlag der Mittepartei für die kommende Bundesratswahl finde ich unangemessen für das höchste Amt in unserem Land. Angesichts der Bedrohung der unglaublichen und völlig undemokratischen Vorgehensweise der US-Regierung, sollten sich unsere Volksvertreter gut überlegen, wer sie als Verstärkung in den Bundesrat holen und wem danach die Departemente zugeteilt werden. Es sollte bei der Wahl in unsere Regierung um Qualifikation, Demokratieverständnis und Loyalität gehen und nicht um politische Parteienmacht. Benötig wird m.E. eine pro Europa denkende Person, die sowohl innen- wie aussenpolitisch klar machen kann, dass die Schweiz ohne stärkere Zusammenarbeit mit der EU und der Nato den Willkürlichkeiten der jetzigen US-Regierung, die keine Demokratie mehr ist, sondern eine Autokratie, ausgeliefert ist.

    Trotz des enormen gesellschaftlichen und politischen Wandels ist das 1848 mit dem Bundesstaat begründete Regierungssystem der Schweiz im Wesentlichen bis heute unverändert geblieben. Es bedarf m.E. einer erneuten Anpassung an die heutigen Verhältnisse. Insbesondere das VBS hat mit seinen neuen Aufgaben in der Sicherheitspolitik wie der Cybersicherheit, dem Ukrainekrieg und ev. weiterer Bedrohungen durch Russland, dem Bevölkerungsschutz, der erforderlichen militärischen Aufrüstung, dem erweiterten Nachrichtendienst, eine weit grössere Belastung als vor noch ein paar Jahren. Für mich ist es fraglich, ob eine einzelne Person die Aufgabenvielfalt des VBS mit der entsprechenden Verantwortung für dieses überaus wichtige Departement zuzumuten ist.

    Im Zuge einer Überprüfung unseres veralteten Regierungssystems mit sieben Bundesratsmitgliedern und Departementen, halte ich eine Aufstockung des BR auf acht oder neun Mitglieder für sinnvoll und machbar. Die grossen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik, die notwendige Ratifizierung der bilateralen Wirtschaftsverträge mit der EU, die Umsetzung der Klimaziele, ein realistischer und gerechter Finanzhaushalt auf der Basis der Bundesverfassung, werden unserer Regierung und dem Parlament alles abverlangen. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

  3. Lieber Toni, wie Du Dich sicher noch blass erinnern kannst….Mein Blut ist Landesring, mein Smartvote Spider ist GLP, die Partei, in die ich den LdU Horgen ZH reinfusioniert habe war die CVP, jetzt bin ich Grufti in der Mitte. Und ich sage Dir: Lieber den Oberst Pfister als den Gefreiten Ritter. Liebe Grüsse.

  4. Sehr bereichernde Kommentare, vielen Dank. Unfassbar, der miserable Zustand der führenden US-Regierung. Wie gross war der Wunsch der Trumpwählenden auf einen Retter in der Not. Fatalerweise führen undemokratische Abkürzungen nicht zum Ziel. Beschämung des Gegners, eine wirksame Waffe im Schauprozess empathisch zu klein geratener Mittäter, die im Kometenschweif eines Hofnarren mitglänzend weltweit gesehen werden wollen.
    Meine allergrösste Bewunderung gilt Prädident Selenski mit seinem Volk. Unendliches Leid in den Reihen ukrainischer Opfer und den Verheizten auf der Gegenseite lassen die Verschonten zumeist demütig werden. Ja, der neue Bundesrat braucht die Nähe zur EU.

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