Mit diskretem Witz und interessanten Informationen erzählt Regisseur Thomas Haemmerlis «Die Hinterlassenschaft des Bruno Stefanini» von dessen Aufstieg zum milliardenschweren Immobilien-Tycoon, seinem Sammlungsfuror bis zum Zerplatzen des Traumes seines grossen Volksmuseums und ergänzt die Story mit einem wenig bekannten Stück Schweizer Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Ab 20. März im Kino.
Abwechslungsreich und humorig erzählt der Film das Leben von Bruno Stefanini: vom Immigrantensohn zum Offizier, vom Frauenschwarm zum schwerreichen Bauunternehmer und parallel dazu die Geschichte der Emanzipation der Frauen, der Sittenrevolution der Sixties, der Armeeabschaffer und der Hausbesetzer. Für seinen Museumstraum trug der Sammler und Messie Stefanini klassische Kunst, aber auch Krempel zusammen, Hellebarden und Panzer, Schlösser und Memorabilia von Napoleons Zahnbürste bis zu Sissis Unterhosen, alles atomsicher in Bunkern gelagert. Tempo- und informationsreich rollt die ungewöhnliche Biografie ab, die da und dort zu Ergänzungen oder Entgegnungen, manchmal auch einem Lächeln einlädt.
Den roter Faden liefert Stefaninis Sammelwut, die bereits den jungen Bruno geprägt hat, der als Kind als einer der fleissigsten Sammler von Steinfels-Bildchen ausgezeichnet wird. Stefanini wächst im Milieu antifaschistischer italienischer Immigranten auf. Prägend war die Armut während des Krieges und die Einsamkeit, weil die Eltern Tag und Nacht arbeiten mussten.
Bruno ist ehrgeizig, studiert an der ETH, ist in Studentenverbindungen aktiv und steigt ins Immobiliengeschäft ein, gerade als der Bauboom der Nachkriegszeit beginnt. Systembau und Fertigelemente dynamisieren die Baubranche. Stefanini sammelt Wohnungen und wird reich. Die Sechziger bringen gesellschaftlich eine Revolution der Sitten. Er baut in Spreitenbach für junge Unverheiratete, die zusammen in der Nähe von Zürich, wo Konkubinat verboten ist, wohnen wollen.
Als Charismatiker und Charmeur sammelt er auch Liebschaften. Seine Ehe geht in die Brüche. Doch er träumt weiter von einem grossen Museum und beginnt, Bilder, historische Objekte, Krimskrams und Schlösser zu sammeln. Selbst lebt er äusserst karg und achtet auf jeden Rappen. Kaum etwas steckt er jedoch in den Unterhalt seiner Häuser. Verschiedene seiner Liegenschaften werden besetzt. Am spektakulärsten das Sulzer-Hochhaus, ein Zeugnis der Zeit, als Winterthur unter der Krise der Maschinenindustrie litt. Stefanini verhandelt damals persönlich und ohne Polizei mit den Besetzern.
Immer wieder zerschlagen sich seine Museumsprojekte. Seine Sammlungen sind in den diversen Liegenschaften verstreut. Der Traum vom grossen umfassenden Volksmuseum platzt. Als er stirbt, hinterlässt er einen gewaltigen Pendenzenberg und einen Scherbenhaufen.
Wer ist Bruno Stefanini?
1924 ins italienische Migrantenmilieu Winterthurs geboren, steigt Bruno Stefanini im Nach-
kriegsboom zum Bau-Tycoon auf und kauft grosse Teile der Winterthurer Altstadt. 1961 heiratet er Veronika Winiger, mit der er die drei Kinder Christoph, Bettina und Vital hat. Der Tod eines Sohnes erschüttert ihn tief. 1971 zieht seine Frau alleine mit den Kindern nach Bern. 1980 gründete Stefanini seine Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) mit der Idee, ein grosses Volksmuseum einzurichten, das abendländische Historie von den Ägyptern bis zum Zweiten Weltkrieg umfasst.Er wird auch, wie General Guisan, Mitglied der Moralischen Aufrüstung. Um seinen Traum zu verwirklichen, kauft er vier Schlösser. Im Schloss Brestenberg baut er einen gewaltigen Atombunker, damit die Sammlung auch im Falle eines Nuklearkrieges fortbestehen kann. Das Aufbewahren der Sammlung und die Leitung seiner Immobilienfirma fordern ihn, überfordern ihn im Alter. Als er 2018 nach längerer Krankheit 94-jährig stirbt, hinterlässt er seiner Stiftung 2’200 Wohnungen, die Schlösser, das Sulzer Hochhaus in Winterthur und über 100’000 Sammlungsobjekte mit erstklassiger Kunst bis zu Krimskrams und Krempel.
Der Winterthurer Historiker Miguel Garcia, der dem Projekt beratend zur Seite stand, hat eine Biografie über Stefanini geschrieben: Bruno Stefanini: Ein Jäger und Sammler mit hohen Idealen. NZZ Verlag.
Anmerkung des Filmemachers Thomas Haemmerli
Bruno Stefanini fasziniert mich, weil sich an ihm idealtypisch die Saga vom steilen Aufstieg gegen Widerstände, dem Scheitern und dem Absturz seiner Museumspläne erzählen lässt. Er interessiert mich, weil er die grösste Privatsammlung der Schweiz zusammengetragen hat, die hervorragende Kunst birgt. Gleichzeitig war er ein Messie, der zwanghaft Krempel anhäufte, der ihm am Ende über den Kopf wächst. Das interessierte mich, weil meine Mutter ein Messie war, die uns eine Horrorwohnung hinterlassen hat.
Als einer, den es jung in die 80er-Bewegung spülte, bin ich gerichtlich beglaubigter Hausbesetzer. Und eine typische Figur des Kalten Krieges wie Stefanini, der als Offizier und Unternehmer das Land dirigierte, war unser Feindbild. Ich habe in der RS für die Armeeabschaffungsinitiative Unterschriften gesammelt und gegen die Diamantfeiern demonstriert. Nach der Scheidung meiner Eltern lebte ich in Glattbrugg, das eine hohe italienische Immigration kannte. Dazu kommt, dass ich seit Langem für eine produktionsorientierte Antwort auf unsere Wohnungsknappheit streite und dafür immer wieder bei der Baumoderne der 20er und 30er anknüpfe. Auch das finde ich bei Stefanini wieder. Zu guter Letzt interessiere ich mich für Kunst, sodass mich vieles aus Stefaninis Sammlung direkt anspricht. Diese biographischen Engführungen ergaben eine Vertrautheit mit diversen Beständen aus Stefaninis Universum.
Was stand wirklich hinter diesem Leben?
Darüber, weshalb Bruno Stefanini das tat, was er tat, könnte man eine Bibliothek mit psychologischen, soziologischen, juristischen und wirtschaftlichen Büchern füllen. Das macht wohl die Breite und Vielfalt, die Privatheit und Allgemeingültigkeit dieses aussergewöhnlichen Lebens – und Filmes – aus. Und dennoch werden die Zuschauerinnen und Zuschauer ihren je verschiedenen Film anschauen. Antworten könnten sein:
Bruno Stefanini war in der Kindheit einsam und musste dies kompensieren. Er wurde mitgerissen vom Konsumismus der Nachkriegszeit. Er litt an Reglementierungs-, Leistungs- oder Planungswahn. Er war ein Patriot und Katholik. Er war Jäger und Sammler zugleich. Gelegentlich handelte er auch aus Trotz. Er war ein Romantiker und Charmeur. Er lebte als Kontrollfreak zwanghaft und getrieben. Er war geizig und grosszügig. Er musste siegen. Er genoss das Handeln und Spekulieren, war ein Spieler. Und er liebte Menschen.
https://admin.der-andere-film.ch/statisch/dateien/2/interview-mit-dem-regisseur-thomas-3.pdf
Regie: Thomas Haemmerli, Produktion: 2024, Länge: 87 min, Verleih: Xenixfilm
Guter Artikel, der die Zerrissenheit
dieses aussergewöhnlichen Mannes betont. Seine Mutter war übrigens gebürtige Schweizerin, geb. Hüppi. Und er war kein Spekulant. Er war zur rechten Zeit am richtigen Ort. Das Land konnte er damals extrem günstig erwerben. Meines Wissens hat er keinen Immobilienhandel betrieben.
Achtung: Der Filmemacher heisst nicht Bruno, sondern THOMAS Hämmerli !