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Eine «magische» Uraufführung

Fünf Jahre ist es her, dass das Opernhaus Zürich Beat Furrer (*1954) den Auftrag für eine abendfüllende Oper gab. Nun ist es so weit: «Das grosse Feuer» wurde am letzten Samstag unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt und begeistert aufgenommen.

Die Geschichte, die sich der gebürtige Schweizer Komponist für seine neue Oper ausgesucht hat, spielt im argentinischen Regenwald. Das Libretto hat Thomas Stangl nach dem Roman «Eisejuaz» der argentinischen Schriftstellerin Sara Gallardo eingerichtet. «Das grosse Feuer» schildert die verzweifelte Situation der Indigenen, deren Wald und Lebensgrundlage von den Kolonialherren ausgebeutet und zerstört wird.

Die Stimmen der Bäume

Der Ureinwohner Eisejuaz ringt den ganzen Abend lang um seine verlorene Identität. Er hat sich zum Christen bekehrt und lebte lange in einer Mission. Diese hat er verlassen, weil er die Stimmen der Bäume und der Tiere nicht mehr hören konnte. Und nun antwortet ihm auch Gott nicht mehr, an den er sich hilfesuchend wendet. Sein Kampf um das Überleben seines Volkes im Regenwald ist hoffnungslos; er verausgabt sich für seine Nächsten wie in einem Hamsterrad.

Eisejuaz (Leigh Melrose) inmitten des Vokalensembles Cantando Admont und Mitgliedern des Statistenvereins am Opernhaus Zürich. (alle Bilder Opernhaus Zürich/Herwig Prammer)

Das Werk dauert knapp zwei Stunden, und die Besetzung ist riesig – stimmlich wie instrumental. Furrer zelebriert gerne dichte und farbenreiche Klänge, wobei Mikrotonalität eine wichtige Rolle spielt. Deshalb wundert es nicht, dass Furrer «seinen» Chor mitbrachte. Das Ensemble Cantando Admont, von Cordula Bürgi geleitet, ist auf neue Musik spezialisiert. Es singt auch sonst gerne Furrers Werke und kann Vierteltöne problemlos intonieren. Der Zürcher Opernchor wäre damit überfordert gewesen.

Beat Furrer zählt nicht umsonst zu den bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Er lebt seit langem in Österreich und hat schon früh in Wien das Klangforum begründet, das mittlerweile eines der weltweit besten Ensembles für Neue Musik ist. Furrers Musik ist hoch differenziert und betört das Gehör. Wie er in dieser Oper die Vokalstimmen vierteltönig in den Gesamtklang hineinmischt, hat magische Kraft. Solch transparent schillernde Klänge öffnen die Ohren.

Der Klangraum als Bühne

In diesem magisch schwebenden Klangraum spielt die Oper, die reale Bühne ist zweitrangig. Es gibt ja auch kaum eine Handlung. Der Chorklang ist das musikalische Ausdruckszentrum. Aus dem Ensemble heraus treten immer wieder Solostimmen, die mittlere und kleine Solopartien übernehmen. Dieser irisierende Vokalklang steht für den übernatürlichen Gesang der Bäume, er gehört aber auch einer aufrührerischen Masse und bildet den Resonanzraum der inneren Stimmen der Protagonisten.

Singen, sprechen, murmeln – Eisejuaz und Mitglieder des Vokalensembles.

Die grossen Solopartien sind hervorragend besetzt. Sie schwingen sich nicht einfach arios über das Orchester. Die Protagonisten singen, sprechen, murmeln, machen Geräusche. Die Hauptpartie des Eisejuaz gestaltet Leigh Melrose mit grosser Hingabe und intuitivem Spürsinn. Er ist ununterbrochen im Mittelpunkt und spielt die Verzweiflung, wie auch die Resignation mit vielen Facetten.

Eisejuaz (rechts) und sein Kontrahent Paqui (Andrew Moore).

Sein böser Widerpart Paqui verachtet die Indigenen, ist aber auf ihre Hilfe angewiesen. Andrew Moore prägt die Partie mit körperlicher Präsenz und stimmlicher Kraft. Die grosse Frauenfigur ist Muchacha. Sie ist – wie so oft in der Oper – auch bei Furrer die Liebende, die Eisejuaz unterstützt und ihm einen Sohn gebärt. Damit sichert sie die Zukunft. Sarah Aristidou schwingt sich in dieser Rolle aus der lyrischen Klage zu einer markanten, dramatisch ausdrucksstarken Persönlichkeit auf. In ihrer grandiosen Schlussarie zeigt sie all ihre stimmlichen Facetten.

Die Bühne ist, wie gesagt, in dieser schwankenden Zwischenwelt zweitrangig. «Der grosse Brand» spielt in einem grauen Einheitsbühnenbild mit Drehbühne. Und ab und zu regnet es glitzernde Asche auf die Szenerie. Regisseurin Tatjana Gürbaca führt die Figuren so, dass man gut die Übersicht behält. Gürbaca erkrankte während der Proben, so dass ihre frühere Assistentin Vivien Hohnholz übernehmen musste. Eindrücklich sind vor allem die farbigen Kostüme von Silke Willrett. Vor allem die drei Wahrsagerinnen Chahuanca kommen damit mystisch zur Geltung.

Ensembleszene in «Das grosse Feuer».

Beat Furrer sorgte als Dirigent der Philharmonia Zürich für eine differenzierte und wirkungsvolle Interpretation seines Orchesterparts. Auffällig war nicht nur, wie gut die Musikerinnen und Musiker Furrers ungewohnte Klangmischung umzusetzen vermochten. Das Orchester machte auch deutlich, mit welch dramaturgischer Genauigkeit diese Oper gebaut ist. Grosse Gesten, unheimliche Stille, ein sich langsam verdichtender Klang – das alles ist präzise auf die Szenerie abgestimmt. Auch deshalb packt einen diese Musik bis zum Schluss. Der begeisterte Applaus galt allen Beteiligten.

Weitere Vorstellungen: 25., 28., 30. März; 4., 6., 11. April

 

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1 Kommentar

  1. Also bei mir hat das Stück keine Begeisterung ausgelöst. Mit diesen Dissonanzen, abgehackten Gesängen und der ganzen Melodielosigkeit konnte ich nichts anfangen.

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