Im Garten sitzen und ein Buch lesen – dazu ist es noch etwas zu kühl. Aber ein Buch über den Garten lesen, das geht auch im Wohnzimmer. Besser noch: Da sind die Nachbarn nicht irritiert, wenn man ab und zu laut auflacht. Bei «Keine Zeit, der Garten ruft» von Klaudia Blasl kann das durchaus vorkommen. Wenn man sich nicht grad gruselt über das Gift im eigenen Garten.
Gartenbegeisterte sind im Allgemeinen nette Menschen, vielleicht etwas seltsame, mit dunklen Rändern unter den Fingernägeln, oft mit leichten Rückenschmerzen und einem Hang zur Geldverschwendung in Gartencentern. Die steirische Autorin Klaudia Blasl kultiviert ebenfalls alles, was in einen gut sortierten Garten gehört, hat aber eine spezielle Vorliebe für Giftpflanzen. Weil: Erstens schreibt sie Kriminalromane und zweitens wird sie, wenn sie Hunger hat, so richtig hässig. Und überlegt sich dann schon mal, wen sie mittels ihres tödlichen Grünzeugs umbringen könnte. Rein literarisch natürlich.
Viele Informationen über viele Themen
«Keine Zeit, der Garten ruft» ist aber viel mehr als ein Verzeichnis gängiger Methoden von Giftmorden. Es ist eine amüsante Plauderei über ihren Garten und seine Gewächse, die, Zitat, «medizinische Wunder bewirkt, Kriege gewonnen, Karrieren in der Automobilindustrie gemacht, Strom erzeugt (…. ) und sich als Lügendetektor, Massenmörder und Wetterfrosch profiliert haben». All das und noch viel mehr wird im Buch thematisiert, witzig, selbstironisch und mit erstaunlichem historischem, botanischem und auch anekdotischem Wissen.
Blasl weiss nicht nur sehr viel, sie nimmt ihre Pflanzen auch als Persönlichkeiten wahr. Die Tulpe, zum Beispiel, bezeichnet sie als die grösste Verliererin unter ihren Pflanzen, aber auch als eine Hochstaplerin, die ganze Gesellschaften ins Elend stürzte. Oder all die Gewächse mit «ablebensfödernden» Eigenschaften, die weit effizienter wirken, als wenn man seinem Feind einen Knüppel über den Schädel haut. Beispiel gefällig? Die Christrose, dieses zarte Wunder, das mitten im Winter blüht, zählt laut Blasl zu den ersten verbürgten chemischen Kampfstoffen, die bereits in der Antike genutzt wurden. Wie? Nachlesen! In Krimis wird der Mörder auch nicht auf der ersten Seite verraten.
Dass man mit Erbsen Strom erzeugen kann, ist eines der kuriosen Gedankenexperimente der Autorin, das lautes Lachen auslöst. Dass schon die alten Römer zu solchen Verknüpfungen neigten, beweist einer ihrer «Vorgänger», Puplilius im ersten Jahrhundert v.Chr., der ganz ernsthaft feststellte, dass guter Wein keinen Efeu als Aufputschmittel brauche. Efeu ist bis heute als ziemliches Gift verrufen, soll aber durchaus psychoaktive Fähigkeiten haben – in der richtigen Dosis genossen. Und da wässeriges Bier früher, vor dem deutschen Reinheitsgebot, auch mit Fliegenpilzen, Ginster oder Bilsenkraut versetzt wurde, «das die Stimmung zuverlässig in Richtung Hirntod hob», waren fragwürdigen Zugaben zum Wein wahrscheinlich auch ziemlich verbreitet.
Kampfarena Hausgarten
Und wo bleibt jetzt der Krimi, mag man sich fragen? Der spielt sich direkt im Garten der Autorin ab. Und nicht mal in der Ecke mit den Giftpflanzen. Nein, da ist die Rede von würgenden Bohnenranken und einem Aufstand aller Pflanzen gegen die stolzen, aber ansonsten unnützen Rosen. Und aus dieser Verschwörung, diesem «Mord» an den Farben und Düften der Königinnen der Pflanzen, ging eine demokratisch erkorene neue Gartenregentin hervor. Welche? Nachlesen! Nur so viel: Die Nymphe Kalypso soll damit Odysseus verführt haben, Hildegard von Bingen stellte daraus Wein her und färbte Stoffe, Frauen tranken ihren Tee, wenn ein Fehltritt «behoben» werden sollte, und, passt doch, derselbe Tee soll bei Männern die Manneskraft gestärkt haben. Die Rosen in Blasls Garten hatten ihre Farben verloren, weil sie gegen das mächtige Kraut die weissen Fahnen hissen und sich ergeben mussten.
Klaudia Blasl: Keine Zeit, der Garten ruft. Verlag Droemer und Knaur, 2025. ISBN 978-3-426-56031-0
Teaserbild: Der blaue Eisenhut hat eine Menge «ablebensfödernde» Eigenschaften. (pixabay)