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Selenski – ein Held

Ein Volk müsse eine Erzählung haben, die es in schwierigen Zeiten und Epochen stärke und zusammenführe. Man nennt sie das Narrativ. So schrieb der Obwaldner Landschreiber Hans Schnider in der Zeit um 1470, als sich die Eidgenossenschaft von äusseren Mächten bedroht fühlte, das Weisse Buch von Sarnen. Es enthielt die Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft, schilderte das Zusammenstehen der Urschweizer Orte, kreierte starke Figuren und vor allen den grossen Freiheitshelden Wilhelm Tell. Der Mythos Tell überlebte die Jahrhunderte und im Zusammenhang mit der EU spricht man wieder von fremden Vögten. Wenn Tell ins Spiel gebracht wird, weiss jeder und jede, was gemeint ist.

In Russland genügt es heute Wolodimir zu sagen, und alle wissen, dass der kleine Mann, der unermüdlich bemüht ist, sein Volk zusammenzuhalten, gemeint ist. Die Leute beginnen zu vergleichen. Hier Wladimir, der Mann im goldenen Käfig des Kremls, der seinem Land verbietet, den Angriff auf das Brudervolk der Ukraine Krieg zu nennen. Alles in Russland soll der Spezialoperation dienen. Dagegen beginnt ganz allmählich der zähe, unbestechliche Selenski, dessen Muttersprache russisch ist, der sowohl ukrainisch und in aller Welt englisch spricht, auch Russen zu faszinieren und er bekommt einen Helden Status. Putin fürchtet Selenski als ukrainischen Helden mehr als Kanonen. Denn als Held wirft er in Russland Fragen auf.

Was tun wir Russen eigentlich in der Ukraine? Putin selbst habe vom Brudervolk gesprochen, das er nun vernichten wolle. Etwas stimmt da nicht. Warum opfern wir unsere Söhne? Warum kauft der Kreml nordkoreanische Söldner? Was haben uns die Ukrainer getan? Weshalb wird bei uns alles teurer? In einer Diktatur gibt es nichts Schlimmeres als ein fragendes Volk. Darum sollte der Westen Selenski als grossen Helden verehren und preisen. Damit würde er die gefährlichste «Kriegswaffe» gegen Putin.

Dass Putin ihn bei Trump schlecht geredet hatte, bewies der Auftritt im Oval Office. Trump nannte Selenski in der Sprache Putins einen Kriegstreiber. Der Kreml hasst ihn. Selenski aber bleibt standhaft, lässt sich nicht bestechen und wehrt sich unermüdlich für sein Volk. Damit verdient er Achtung in der freien Welt. Der ehemalige Schauspieler und Kabarettist Selenski, der deshalb im Kreml verspottet wird, könnte also die grosse Figur eines Narrativs seines Volkes werden. So bliebe er ein Stachel in Putins Fleisch. Ähnlich wie Alexei Nawalny.

Dieser wurde in Russland vergiftet, in Deutschland geheilt. Er hätte sich vor dem Tod retten können. Er ging zurück nach Russland, weil er bezeugen wollte, dass die Diktatur korrupt ist. Das kostete ihn sein Leben. Dass Nawalny ein Stachel im Fleisch des Kremls bleibt, beweist die Tatsache, dass mit allen Mitteln versucht wurde, seine öffentliche Beerdigung zu verhindern. Auch Nawalny bezeugt über den Tod hinaus, dass Diktatoren korrupt sind. Diejenigen, die den Mut haben, die Korruption beim Namen zu nennen, werden vernichtet. Diktatoren hassen unbestechliche Menschen und beschmutzen sie. Sie dürfen auf keinen Fall Volkshelden werden.

Selenski und Nawalny werden ganz allmählich zu Figuren eines Narrativs. Wir sollten sie als Helden verehren und dafür besorgt sein, dass sie überall in der Welt und selbst in Russland als solche wahrgenommen und vorgestellt werden. So bleiben sie ein Stachel im Fleisch von Diktatoren und die stärkste Waffe gegen den Krieg.

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3 Kommentare

  1. Herzlichen Dank für die Beiträge! Ich lese sie immer mit viel Freude und Interesse. Nur eine kleine Frage: was bedeutet es, wenn jemand zur Figur eines Narrativs wird? Wir sind doch alle Figuren eines Narrativs. Ich möchte gerne dieses Modewort hinterfragen.

  2. Auch ich habe diesen Beitrag gerne gelesen. Aber: Auch Selenski will, dass die Ukrainer nur noch ukrainisch sprechen sollen, genau so wie Putin nur noch russisch als Landessprache akzeptieren will. Beide sehen nur den Bedarf an mehr Waffen. Waffen zur Wahrung eines Friedens ? Die Rüstungsindustrien florieren. Was geschieht mit diesen Waffen, wenn sie für die Ukraine hoffentlich nicht mehr gebraucht werden? Sowohl die Trump-Treuen als auch Putin empfehlen den Frauen, mehr Kinder aufzuziehen. Ein abscheulicher Ratschlag, wenn unsere Kinder als Kanonenfutter eingesetzt werden sollen. Auch ich erinnere mich, am 8. Mai 1945 als Neujährige n unserem Garten fasziniert die Friedensglocken gehört zu haben. An Helden erinnere ich mich nicht mehr (aber an eine Organisation «Frauen für den Frieden») . Heute werden wir als naiv verschmäht, wenn wir uns über 80 Jahre Frieden als Erfolg freuen. Ist die Welt denn tatsächlich verrückt geworden?

  3. Der Männertraum «Tell» ist bis heute ein Mythos mit der Legitimation zum Helden. Doch sollten wir diesen Tell aus dem 15. Jahrhundert ins 21. Jahrhundert übersetzen. Die Schweiz braucht andere Vorbilder als erfundene und gemalte Hodler-Helden. Nur nebenbei, die Kinderbilder und Portraits von Hodler halte ich für grosse Kunst.

    Als Held der Gegenwart sehe ich, wie Sie Herr Iten, auch Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj, der vor genau sechs Jahren mit über 70 % vom Ukrainischen Volk zum Staatspräsident der unabhängigen Ukraine gewählt wurde, die sich zum Ziel gesetzt hatte, als künftiges Mitglied der EU die Souveränität und Freiheit der Ukraine zu bewahren und vor Angriffen beschützt zu werden. Er hat jedoch nicht mit der Trägheit, der Uneinigkeit innerhalb der EU und der bürokratischen Wirklichkeit gerechnet. Der Druck der US-Regierung auf die EU wird hoffentlich den 26 Mitgliedsländern klar machen,
    dass sie jetzt zusammenstehen und sich einig darüber werden müssen, wie sie den grausamen Krieg Putins gegen das Ukrainische Volk stoppen wollen.

    Dass dieser Dummdödel Donald Trump Europa Knall auf Fall im Stich lässt und sich mit dem Teufel in Russenuniform Putin verbündet und ihm nach dem Mund redet, mit dem hat nun wirklich niemand gerechnet. Scheinbar hält der russische Geheimdienst KGB, schon seit der ersten Präsidentschaft Trumps, Ruf schädigendes Material über Trump unter Verschluss, so dass dieser erpressbar ist. Das würde auch der Meinungswechsel Trumps und der Stopp der US-Unterstützung der Ukraine und so einiges mehr erklären.

    Ja, Selenskis Haltung und Vorgehen in dieser ungerechten und schwer zu ertragenden Zerstörung und Erniedrigung seines Volkes und seiner Person, seine gleichbleibende, konsequente und ruhige Reaktion auf die unakzeptablen, üblen Angriffe von Russland und der Trump-Regierung auf die Souveränität der Ukraine und seines Präsidenten, macht ihn für mich zum Helden unserer Zeit. Wir sollten ihn und sein (noch) freies Land unterstützen wo wir nur können, auch im eigenen Interesse.

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