1 KommentarDer Dalai Lama, Flüchtling und Weltbürger, wird 90 - Seniorweb Schweiz
StartseiteMagazinKulturDer Dalai Lama, Flüchtling und Weltbürger, wird 90

Der Dalai Lama, Flüchtling und Weltbürger, wird 90

Am 6. Juli 2025 wird der Dalai Lama 90-jährig. Ein soeben erschienenes Fotobuch von Manuel Bauer mit Texten von Thupten Jinpa bringt uns den Dalai Lama und seine Botschaft ganz nahe.

Der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, floh am 17. März 1959 während des Tibetaufstands nach Indien und Ministerpräsident Nehru gewährte ihm am 3. April 1959 Asyl. Auf die Frage, was es für ihn bedeute, die Heimat verloren zu haben, antwortete er: «Ja, ich habe mein Land verloren, aber dafür habe ich die Welt gefunden. Auch wenn ich kein Bürger eines einzelnen Landes bin, so bin ich doch ein wahrer Weltbürger.» Im Bewusstsein, dass viele Menschen aus ihrem Elend in die Flucht getrieben werden und in einem neuen Elend landen, setzt sich der Dalai Lama unermüdlich dafür ein, dass wir als Menschheit die gegenwärtigen Herausforderungen auf diesem Planeten gemeinsam bewältigen, über all die egoistischen, nationalen, ideologischen und religiösen Gräben hinweg.  Als er 1989 den Friedensnobelpreis erhielt, sagte er in seiner Dankesrede: «Ich bin niemand Besonderes. Aber ich glaube, der Preis ist eine Anerkennung für den wahren Wert von Uneigennützigkeit, Liebe, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit, die ich in Übereinstimmung mit den Lehren Buddhas und den großen Weisen Indiens und Tibets zu praktizieren versuche. Im Namen der Unterdrückten überall auf der Welt und für alle, die um Freiheit kämpfen und für den Frieden in der Welt arbeiten, nehme ich den Preis in tiefer Dankbarkeit entgegen.» Worte, die gerade in der gegenwärtigen aufgehetzten Weltlage mit wahnsinnigen Ausgaben für die militärische Aufrüstung von 2,7 Billionen Dollar oder 2,700 000 000 000 Dollar (im Jahre 2024) gehört werden sollten.

Seine Heiligkeit der Dalai Lama lässt Sand durch einen Trichter rieseln und formt so die ersten farbigen Linien eines Kalachakra-Mandalas. Ein zweiter Trichter, den er darüber reibt, setzt ein feines Rinnsal aus Sand in Bewegung. 150 000 Pilger:innen wohnen dem mehrtägigen Ritual bei. Leh, Ladakh, Indien, 18. Juli 2012

Unter dem Titel «Mut und Mitgefühl in einer Welt im Wandel» wurde am 13. Juni 2025 das Buch „Dalai Lama. Fotografien von Manuel Bauer 1990–2024″ im Zürcher Museum für Gestaltung vorgestellt. Manuel Bauer, der den Dalai Lama in den letzten 34 Jahren fotografisch begleitet hat, projezierte in seinem mit Anekdoten gespickten Bildervortrag den Dalai Lama in den voll besetzten Saal.

Thupten Jinpa, ehemaliger tibetischer Mönch, hielt einen Vortrag über zentrale Botschaften des Dalai Lama. Er hat wie Manuel Bauer den Dalai oft auf seinen Reisen begleitet und seine Vorträge bei Bedarf ins Englische übersetzt. Thupten Jinpa hat nach seiner Mönchsphase in Cambridge Religionswissenschaften studiert und an der Stanford Medical School ein Mitgefühl-Training einwickelt. Bei wichtigen Werken des Dalai Lama hat er mitgewirkt, ist eine führende Stimme im Bereich der säkularen Ethik, Präsident des Mind and Life Institute und Gründer des Compassion Institute.

Die 10 kurzen, brillanten Texte von Thupten Jinpa zu den thematisch angeordneten Fotos weisen schon im Titel auf zentrale Handlungsfelder des Dalai Lama hin, etwa «Dialog mit der Wissenschaft», «Botschafter für den Buddhismus», «Interreligiöse Verständigung und gegenseitige Wertschätzung», «Ökologie und Verantwortung des Menschen», «Die Stimme des Mitgefühls und Erziehung des Herzens».

Die Kombination von Text und Bild ist in diesem Band auf äusserst eindrückliche Weise gelungen und Lesende der Texte und Betrachtende der Fotos können sich der wohltuenden, vielleicht sogar transformativen Wirkung des Buches nicht entziehen.

Wo auch immer der Dalai Lama sich aufhält, beginnt er den Tag um 03.30 Uhr mit Meditieren. Er sagt: «Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist gestern, der andere morgen.» Zürich, Schweiz, 10. April 2010

Seniorweb stellte Manuel Bauer drei Fragen:

Seniorweb: Der Dalai Lama hat mal über Sie gesagt: «Ich kenne ihn seit vielen Jahren, und er selbst hat mir gegenüber in all diesen Jahren eine grosse, tief empfundene Nähe gezeigt. Er ist für mich ein echter Freund.» Wäre der Zauber Ihrer Fotos ohne echte Freundschaft mit dem Dalai Lama gar nicht möglich gewesen?

Manuel Bauer: Bei den Bildern, wo der Dalai Lama direkt mit der Kamera interagiert und einen sein fröhliches und menschliches Wesen direkt im Herzen berührt, mag diese Nähe zum Fotografen hilfreich sein. Aber wichtiger dünkt mich das Vertrauen. Ein Bild von jemandem zu haben kann Macht bedeuten. Dem bin ich mir bewusst und versuche meinen Beruf respektvoll auszuüben. Dass mich der Dalai Lama auch in sehr privaten Momenten, wie seiner Meditation früh am Morgen oder beim Training auf dem Laufband anwesend sein lässt, ist nicht selbstverständlich.

Auch Matthieu Ricard, der nach einer Promotion in Molekularbiologie buddhistischer Mönch wurde und Vertrauter und französischer Übersetzer des Dalai Lama ist, hat sich über Ihre Fotokunst geäussert: «Ich habe Manuel Bauer bei der Arbeit erlebt. Auch unter schwierigsten Bedingungen gelingt es ihm, Zurückhaltung und Demut mit einem aufmerksamen Blick zu verbinden, dem nichts entgeht. Manuel weiss, wie man sich unsichtbar macht und doch präsent ist, wenn der magische Moment, der nicht wiederkehrt, sich darbietet.» Wie machen Sie sich beim Fotografieren des Dalai Lama unsichtbar?

Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum Fotoapparat. Unvorsichtig eingesetzt kann er ein aggressives Potential haben. Es ist mir wichtig eine Kultur zu verstehen, in der ich mich bewege. Auch verändert die Anwesenheit einer Kamera eine Situation. Da ist es hilfreich, sich als Fotograf viel Zeit zu nehmen. Sich fotografieren zu lassen ist für viele Menschen unangenehm. Beim Dalai Lama ist das anders: Dank seinem lebenslangen Arbeiten an seinen geistigen Fähigkeiten kann er höchst fokussiert sein und Ablenkung unter Kontrolle halten. Als ich ihn fragte, ob ich ihn mit meiner Arbeit nicht zu fest störe, antwortete er: «Nein. Ich ignoriere Dich einfach.» Nun betet der Dalai Lama täglich für das Wohl aller fühlenden Wesen im ganzen Universum, bloss mich ignoriert er! Was habe ich bloss für ein Schicksal. (lacht)

Wenn man Ihren Fotoband betrachtet, könnte man meinen, Sie seien permanent im Umfeld des Dalai Lama, aber Sie leben mit Ihrer Familie in Winterthur und betreuen Ihren stark beeinträchtigten Sohn. Wie können Sie Familienleben mit Ihrem beruflichen Engagement verbinden?

Es ist eine grosse Herausforderung. Als Fotojournalist freiberuflich in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zu arbeiten braucht Kraft. Yorick braucht 24 Stunden Betreuung. Ich frage mich schon, wie wir das alles gestemmt haben. Zum Glück wurden einige meiner Projekte von Stiftungen oder Privatpersonen unterstützt. Manchmal waren die Spesen gedeckt, manchmal lag auch ein Honorar drin. Dafür bin ich sehr dankbar. Ja, ich war oft beruflich auf Reisen. Mir selbst mag das geholfen haben. Ich durfte in ein anderes Umfeld abtauchen und neue Motivation tanken. In diesen Zeiten übernahm jeweils Yoricks Mutter neben ihrer beruflichen Tätigkeit die ganze Betreuung. Seit Yorick 18 Jahre alt ist, lebt er nicht mehr bei uns. Wir haben das grosse Glück, dass er seit einiger Zeit in einer Institution in Kloten ein wunderbares, liebevolles Zuhause hat.

**********************************************************************

Zum Titelbild: Der Dalai Lama im Garten seiner Residenz: Die Natur ist Basis allen Lebens, und alle Lebewesen sind miteinander verbunden. Der Dalai Lama sagt: «Unser Planet ist unser Zuhause, unser einziges Zuhause. Wo sollen wir hingehen, wenn wir ihn zerstören?» Dharamsala, Himachal Pradesh, Indien, 22. Februar 1990 (alle Fotos © Manuel Bauer, alle Bildlegenden von Christian Schmidt)

Bücher:

  • Dalai Lama. Fotografien von Manuel Bauer. 1990–2024. Zürich 2025. ISBN: 978-3-03942-237-1. Das Buch gibt es in einer deutschen, englischen und französischen Ausgabe.
  • Manuel Bauer: Brief an meinen Sohn. Über die Liebe zu einem behinderten Kind. Limmat Verlag, Zürich 2017. ISBN: 978-3-85791-826-1 

Siehe auch die Besprechung des Films über den Dalai Lama «Wisdom of Happiness», in dem Manuel Bauer als Kameramann mitgewirkt hat.

 

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0

1 Kommentar

  1. Der Daila Lama und der Zen Buddhismus ist auch mir begegnet und hat eine Weiche in ein neues Denken gestellt, wofür ich wirklich dankbar bin. Jedeoch angesichts des konträren Weges, den die Menschheit nun eingeschlagen hat, frage ich mich, ob der Buddhismus und seine Heiligkeit der Daila Lama sich mit dem Ertragen des Schicksals begnügen sollte?
    Die Liebe ist eine starke Macht, die es nicht nur zu erhalten sondern auch zu verteidigen gilt. Ich erwarte vom Oberhaupt des tipetischen Buddhismus etwas mehr konkretes und mutiges Engagement und weniger Marketing.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-