Barocke Schlossgärten mit Wasserspielen sind heute begehrte Besuchsziele. In unserer Themenwoche Garten stellen wir zwei der beeindruckendsten barocken Garten- und Wasserspielanlagen näher vor, die historischen Erlebnisgenuss versprechen.
Die Brunnen des Barock erzählen von der Lebensfreude, dem Reichtum und der Macht ihrer Erbauer. Am bekanntesten ist wohl der Trevi-Brunnen in Rom. Das Wasser sollte den dargestellten Herrschern und den sie begleitenden Figuren einen passenden Rahmen geben. Weit mehr als in den städtischen Brunnen kam die barocke Lebensfreude in den Wasserspielen der Paläste und Gärten weltlicher und kirchlicher Machthaber zum Ausdruck. Aufwändig gestaltete Zierbrunnen, Wassergrotten, Fontänen, Kaskaden, grosse Wasserflächen und Kanäle unterstrichen den Glanz und den Herrschaftsanspruch der Mächtigen.
Bekannte Orte mit barocken Wasserspielen in Parkanlagen sind vorab in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Tschechien anzutreffen, so in Hannover (Herrenhäuser Gärten), Potsdam (Schloss Sanssouci), Kassel (Schloss Wilhelmshöhe), München (Schloss Nymphenburg), Wien (Schloss Schönbrunn), Salzburg (Schloss Hellbrunn), bei Paris (Schloss Versailles), bei Rom (Villa d`Este) und Tschechien (Schloss Kroměříž). Sie alle legen Zeugnis dafür ab, wie Wasser im Barock nicht nur schmückendes, sondern auch gestaltendes Element war: als überraschende Fontäne, als ruhiger Spiegel, als Teil räumlicher und sinnesbetonter Inszenierung. Sie vereinen technische Raffinesse, künstlerische Symbolik (Triton, Löwe) und boulevard-förmige Anlage zu einem Gartenerlebnis, das bis heute Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt bezaubert und beliebte Tourismusziele sind.
Wasserspiele Wilhelmshöhe – ein Gesamtkunstwerk
Etliche dieser Orte hat der Autor dieses Beitrags besucht. Unvergesslich bleiben die Besuche der Wasserspiele im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel und in den Herrenhäuser Gärten in Hannover. Die Wasserspiele Wilhelmshöhe sind ein einzigartiges Gesamtkunstwerk aus Landschaft, Technik und Inszenierung – weltweit einmalig und UNESCO-Welterbe. Sie funktionieren allein durch Schwerkraft und Wasserüberlauf, ohne den Einsatz von Pumpen. Das Wasser stammt aus natürlichen Reservoirs im Habichtswald oberhalb des Parks und wird über ein ausgeklügeltes System aus unterirdischen Rohren, Becken und offenen Wasserläufen mehr als zwei Kilometer talwärts geleitet. Dabei überwindet es einen Höhenunterschied von rund 200 Metern.
Beim Aquädukt fällt das Wasser rund 30 Meter in die Tiefe.
Die Inszenierung beginnt am Fuss des monumentalen Herkules-Bauwerks, dem Wahrzeichen Kassels. Von dort stürzt das Wasser über die barocken Kaskaden mit über 530 Stufen, begleitet von mythologischen Figuren wie Triton und Neptun. Nach einer kurzen Pause fliesst es weiter zum Neptunbassin und ergiesst sich über den prachtvoll inszenierten Steinhöfer Wasserfall in einen kleinen Teich. Anschliessend geht es weiter zur spektakulären Teufelsbrücke, wo das Wasser in einem dramatischen Fall über Felsen tost, bevor es das künstlich ruinierte Aquädukt erreicht. Von dort fällt es rund 30 Meter in die Tiefe – eine der eindrucksvollsten Stationen. Den Höhepunkt bildet schliesslich die Grosse Fontäne im Schlossteich unterhalb von Schloss Wilhelmshöhe. Mit einem bis zu 50 Meter hohen Wasserstrahl schliesst sie die Inszenierung feierlich ab.
Zum Schluss des Wasserspiel-Spektakels schiesst die Grosse Fontäne im Schlossteich rund 50 Meter in die Höhe.
Die gesamte Vorführung dauert etwa anderthalb Stunden und folgt einem festen Zeitplan – das Wasser „wandert“ in mehreren Etappen durch den Park, und viele Besucherinnen und Besucher begleiten es zu Fuss von Station zu Station. Die Wasserspiele finden von Mai bis Oktober regelmässig mittwochs, sonntags und an hessischen Feiertagen statt.
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Herrenhäuser Gärten – hydraulische Ingenieurskunst
Die Wasserspiele in den Herrenhäuser Gärten gehören zu den ältesten und eindrucksvollsten ihrer Art in Europa. Sie sind ein zentrales Element des Grossen Gartens, einem der bedeutendsten Barockgärten nördlich der Alpen, der Anfang des 18. Jahrhunderts nach französischem Vorbild unter Kurfürstin Sophie von Hannover angelegt wurde. Wasser diente hier nicht nur der Zierde, sondern auch der Machtdemonstration – wer Wasser kontrollierte, galt als Herr über Natur und Technik.
Den Mittelpunkt des Grossen Parterres bildet die Glockenfontäne, deren «Glocke» von 164 einzelnen Wasserstrahlen gebildet wird.
Die Wasserspiele werden bis heute rein durch den natürlichen Wasserdruck betrieben. Schon im 18. Jahrhundert wurde dafür ein raffiniertes System aus Brunnenhäusern, Rohrleitungen und Druckkammern entwickelt. Die wichtigste dieser Anlagen ist das historische Grosse Pumpenhaus, das das Wasser aus der Leine speist und auf das erforderliche Niveau bringt – ein frühes Meisterwerk hydraulischer Ingenieurskunst.
Zu den Highlights der Anlage gehört die Grosse Fontäne, die bis zu 80 Meter in die Höhe schiesst und damit eine der höchsten barocken Fontänen Europas ist. Sie ist bewusst am Ende der Mittelachse des Gartens platziert und bildet den zentralen Blickpunkt in der symmetrischen Anlage. Neben der Grossen Fontäne gibt es zahlreiche kleinere Fontänen, Wasserläufe, Kaskaden und Bassins, die in die strenge geometrische Struktur des Gartens eingebettet sind. Besonders schön wirken die Wasserspiele im Zusammenspiel mit den akkurat geschnittenen Hecken, farbenfrohen Blumenrabatten und weissen Skulpturen – ein Gesamterlebnis für alle Sinne.
Die im Jahr 1700 erbaute Grosse Fontäne kann heute bei Windstille bis 80 Meter in die Höhe schiessen.
Die Wasserspiele werden heute zu bestimmten Zeiten im Sommerbetrieb in Szene gesetzt – meist während Führungen oder an besonderen Veranstaltungstagen. Dann erlebt man, wie das historische System noch immer kraftvoll arbeitet und das Wasser über Brunnenfiguren sprudelt, sich in Becken sammelt oder in Bögen über den Wegen tanzt.
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Titelbild: Im Bergpark Wilhelmshöhe fliesst das Wasser über die 210 Meter langen Kaskaden zum Neptunbecken. Fotos: lb und zvg

