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Agnes, heimliche Königin der Schweiz

Im Mittelalter gehörte Agnes von Ungarn zu den einflussreichsten Frauen in der Schweiz. Mit ihrer Mutter zusammen stiftete sie das Kloster Königsfelden im Aargau und vertrat von hier aus die Habsburger-Dynastie westlich des Arlbergs. Gleich zwei aktuelle Biografien von Dorothe Zürcher und von Bruno Meier spüren ihrem Leben nach. 

Agnes von Ungarn (1280-1364) hinterliess keine schriftlichen Zeugnisse. Doch seit 15 Jahren besteht die Plattform Königsfelden online, wo der ganze Quellenbestand minuziös aufgearbeitet ist. Das motivierte den Historiker und Verleger Bruno Meier, das Leben der Agnes und ihr Umfeld historisch auszuleuchten. Bereits 2008 schilderte er in seinem Buch Ein Königshaus aus der Schweiz den Aufstieg der Habsburger. Im vorliegenden Werk Agnes von Ungarn 1280-1364 – Die einflussreichste Habsburgerin des Mittelalters bleibt Bruno Meier als Wissenschaftler ganz den Quellen verpflichtet. Ausser begründeten Vermutungen hat bei ihm die Fiktion keinen Platz.

Buchcover: Die heilige Klara. Ausschnitt aus dem Bildprogramm der Glasfenster der Klosterkirche Königsfelden

Anders die Historikerin und Geschichtslehrerin Dorothe Zürcher. Auch sie stützt sich in ihrer Romanbiografie Ein geschwind listig Wib. Agnes von Habsburg und Ungarn – Heimliche Königin der Schweiz auf historische Quellen. Doch in Anbetracht der vielen Lücken erlaubt sie sich, wie sie schreibt, diese mit fiktivem Inhalt zu füllen. Auch ihre früheren Romane handeln von historischen Persönlichkeiten etwa von den Grafen von Lenzburg im Buch Im Schatten der Krone (2021). Es ist eine Bereicherung, beide Bücher über Agnes aus so unterschiedlicher Perspektive zu lesen.

In der Schweiz ist Agnes von Ungarn durch das aargauische Kloster Königsfelden bekannt, das 1309 von Agnes’ Mutter Elisabeth von Görz-Tirol gestiftet wurde. Es wurde in Windisch als Memorialkloster an der Stelle erbaut, wo Elisabeths Mann König Albrecht I. (1255-1308) im Jahr zuvor von seinem eigenen Neffen ermordet wurde, weil der sich um sein Erbe betrogen fühlte. Zum Doppelkloster gehörten: die Bettelordenskirche, im Süden angebaut der Nonnenkonvent der Klarissen und im Norden der Franziskanerkonvent. Nach der Reformation wurde das Kloster 1528 säkularisiert.

Königsfelden im Jahr 1669

Die Klostergemeinschaft hatte die Aufgabe, für das Seelenheil des Königs zu beten, denn nichts war schlimmer als ohne Beichte zu sterben. Im Zentrum des Kirchenschiffs liess Agnes die Gebeine ihrer Mutter beisetzen. König Albrecht wurde standesgemäss im Dom von Speyer bestattet. Bis zu ihrem Tod 1364 lebte Agnes in einem separaten Gebäude auf dem Klostergelände und leitete die Geschicke der Gemeinschaft, ohne selbst ins Kloster einzutreten. Durch sie entwickelte es sich zum reichsten Frauenkloster innerhalb des Bistums. Sie und ihre Brüder statteten das Kloster mit Gütern und Einkünften aus. Agnes stiftete der Kirche zwischen 1330 und 1350 im Langhaus einen Glasfensterzyklus mit einem reichen Bildprogramm, auch die Stifterfamilie ist darin verewigt. Die Glasfenster gelten als bedeutende Kunstwerke der europäischen Glasmalerei des 14. Jahrhunderts.

Die Klosterstifterinnen: Elisabeth von Görz-Tirol (links) und Agnes von Ungarn (rechts) mit der stilisierten Klosterkirche. Nachzeichnungen der verlorenen Glasgemälde aus dem Ehrenspiegel des Hauses Österreich von 1555.

Als ihr Vater 1308 ums Leben kam, war Agnes 28 Jahre alt und lebte am Wiener Hof. Seit sieben Jahren war sie Witwe und hatte bereits ein abenteuerliches Leben hinter sich, das Dorothe Zürcher in ihrer Romanbiografie lebendig ausschmückt. Agnes war 18-jährig mit Andreas III., König von Ungarn, verheiratet worden, um das Königreich für Habsburg zu erweitern. Zeitlebens nannte sie sich Agnes, Königin von Ungarn. Es war üblich, Kinder hochadliger Familien schon als Kleinkinder für politische Allianzen einzusetzen, schreibt Bruno Meier. Agnes’ Vater zahlte eine hohe Mitgift, die der 15 Jahre ältere Ehemann mit einer «Morgengabe», das heisst mit Gütern auf Lebenszeit absicherte. So blieb die Frau auch nach dem Tod des Mannes finanziell unabhängig. Agnes erhielt von Andreas Stadt und Grafschaft Pressburg (Bratislava) und hatte Einkünfte aus Pressburg. Das reichte, um auch das Kloster Königsfelden aufzubauen und zu unterhalten.

Während der Roman mit dem Tod von König Albrecht I. in Windisch endet, führt der Historiker Bruno Meier die Geschichte weiter. Die kinderlos gebliebene Agnes heiratet nicht wieder, wird nicht Nonne, sondern versteht sich als Repräsentantin der Habsburger in den Vorlanden, westlich des Arlbergs.

Sie nutzte ihre Macht und ihr breites Netzwerk, um sich politisch einzubringen. So vermittelte sie in ausweglosen Situationen und verhandelte mit den Kriegsparteien, um einen Flächenbrand zu verhindern, wie im «Gümmenenkrieg» 1331 zwischen Berns expansiver Politik und dem Freiburger Adel. Doch «stets stand die Friedens- und die Besitzstandswahrung im Vordergrund, und sie agierte immer im Sinn der familiären Interessen», schreibt Bruno Meier.

Auch über grosse Distanzen blieb Agnes mit ihrem jüngeren Bruder Albrecht II. und allen Geschwistern in Kontakt. Diese besuchten sie auch in Königsfelden. Bei den Brüdern holte sie jeweils die Einwilligung für ihre politischen Vorstösse ein. Auf diese Weise hielt das Habsburger «Familienunternehmen» sein weitläufiges Reich zusammen. Bruno Meiers Buch geht von der historisch fassbaren Agnes aus und dehnt seine Studien über die ganze Habsburger Dynastie aus, bezieht auch die Schwestern, Nichten und Neffen und sogar die Dienstleute mit ein.

Als Leserin der beiden Neuerscheinungen über Agnes finde ich es einfacher, mit dem Roman von Dorothe Zürcher zu beginnen. Darin werden neben der Story auch viele historische Details beschrieben, die dann für Laien in Bruno Meiers Buch besser verständlich sind.

Titelbild: Kloster Königsfelden von Süden. Fotos: Wikimedia Commons

Bruno Meier, «Agnes 1280-1264. Die einflussreichste Habsburgerin des Mittelalters», Verlag Hier und Jetzt, Zürich 2025. ISBN 978-3-03919-640-1

Dorothe Zürcher, «Ein geschwind listig Wib. Agnes von Habsburg und die Ungarn. Heimliche Königin der Schweiz», Romanbiografie, Südverlag, Hamburg 2025. ISBN 978-3-87800-987-0

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2 Kommentare

  1. Es kann gar nicht genug Schilderungen und Geschichten von Frauen der letzten Jahrhunderte samt ihrem Umfeld geben. Zu lange haben wir ausschliesslich die Männer wahrgenommen.

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