StartseiteMagazinKolumnen„Fühlen, was im anderen lebendig ist“

„Fühlen, was im anderen lebendig ist“

Michael Liebowitz, ein New Yorker Psychiater, hatte nach eigenen Angaben vor Jahren die chemische Substanz entdeckt, die angeblich das Liebessyndrom in unseren Gehirnen auslöst: C6H5(NH2)CH3.

Wer nun bei sich denkt, diese Formel noch nicht einmal bis morgen in seinem Gedächtnis aufbewahren zu können, der versuche sich den Namen Phenylethylamin merken zu wollen. Dieses Phenylethylamin, abgekürzt auch PEA, löst das Hohegut der Liebe aus. Das „erklärt“ alles.

Warum aber und um Himmels willen sollte man sich diese chemische Formel denn merken wollen? Weil man sie im Falle eines Falles als wissenschaftlich testierte Entschuldigung benutzen könnte: „Liebling. Schuld bin nicht ich. Schuld ist allein das verdammte C6H5(NH2)CH3 in meinem Hirn“.

Das erklärt dann alles

Phenylethylamin ist eine Substanz, die chemisch dem süchtig machenden Aufputschmittel Amphetamin nahe steht. Dieser Stoff, so Liebowitz, mache uns ähnlich und selbst gegen unseren erklärten Willen süchtig nach einem Lebenspartner, einer Lebenspartnerin, bei denen schon im gleichen Augenblick der ersten Begegnung haargenau derselbe chemische Prozess abläuft. Unbeabsichtigt, ungewollt und unausweichlich, allerdings halt auch mit unberechenbaren und unabsehbaren Folgen.

Ein kurzer Blick, eine schöne Stimme oder ein helles Lachen genügen, so Liebowitz, und schon produziert das Molekül das, wozu es da ist. „I get a kick out of you“.

Die Folge der begrenzten Halbwertzeit

Aus dem wissenschaftlichen Bereich kommt aber auch die Nachricht, dass das Hirn nach und nach PEA abbaut. Es gibt eben auch da eine Halbwertzeit, die sehr begrenzt ist.

Um später wieder den gleichen Kick zu bekommen, ist eine immer höhere Dosis PEA nötig, doch die „körpereigene Produktion kann dem Verlangen nicht nachkommen.“

Stoppt also nach Tagen, Wochen, Monaten, Jahren oder gar Jahrzehnten die Produktion der Chemikalie, stellt das liebende Hirn kein Phenylethylamin mehr her.

Und so hat man wiederum im ‚Bedarfsfall’ eine wissenschaftlich testierte Entschuldigung: „Tut mir Leid, Liebling. Schuld bin nicht ich, sondern mir ist einfach das C6H5(NH2)CH3 abhanden gekommen“.

„Wer etwas Grosses will, der muss sich zu beschränken wissen!» (Hegel)

Doch ehe wir uns gegen diese chemische Formel wehren, weil wir dabei bleiben wollen, dass die wunderschöne Liebe nichts mit Chemie oder naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun haben darf, werfen wir einen Blick auf einen Granden unter den geisteswissenschaftlichen Denkern. Fragen nach, was er sich über die Liebe „an und für sich“ ersonnen hat.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel zum Beispiel.

Ausgerechnet diesen „staubtrockenen“ und „oberschwierigen“ schwäbelnden Philosophen? Doch nicht etwa, weil er schon in jungen Jahren ernsthafte Reflexionen über den „Charakter des weiblichen Geschlechts“ notierte? Weil er dafür bekannt ist, dass er für alles eine Theorie parat hat? Oder weil er der Marie Tucher, seiner um 20 Jahre jüngeren Braut, einmal einen kritischen, belehrenden Liebesbrief schrieb, bevor er sie im Jahr 1811 heiratete?

Marie erlaubte sich in einem ihrer Briefe, einen Unterschied zu machen zwischen ihrer Liebe zu ihm und seiner Liebe zu ihr. Des Herrn Professors Antwort auf einen kurzen Nenner gebracht: Was heisst hier meine Liebe, deine Liebe? „Es gibt in Wahrheit nur unsere Liebe.“

«Leidenschaftliche Liebe und Ehe ist zweierlei» (Hegel)

Die Frage nach dem Wesen der Liebe und die „Idee der wechselseitigen Anerkennung“ sind zum Ausgangspunk seines Denkens geworden.

„Das wahrhafte Wesen der Liebe besteht darin“, schreibt er, „das Bewusstsein seiner selbst aufzugeben, sich in einem anderen Selbst zu vergessen…“ In genau diesem wechselseitigen Anerkennungsverhältnis der Liebe «vermag sich das wollende Subjekt» selbst auch zum ersten Mal als bedürftig-begehrendes Subjekt zu erfahren, und sich in einem anderen Selbst zu vergessen».

Liebe heisst das Bewusstsein meiner Einheit mit einem anderen, so dass ich für mich nicht isoliert bin. In einem «affektiven Anerkennungsverhältnis» der Liebe ergibt sich, «dass eben Jedes dadurch, dass es sich im Anderen weiss, sich aufhebt als fürsichseiend, als verschieden, seine Selbständigkeit aufgibt» und sich in einer höheren Form der Einheit wieder findet.

Dem Drang, sich im «Sein beim Anderen» wieder zu finden, entspricht dem sehnsüchtigen Gefühl nach Anerkennung. Sich als einzigartig, unverwechselbar und unersetzbar in der Liebe eines anderen zu erfahren… Ein Wunder, das wir nicht zu fassen vermögen.“

«Fühlen, was im anderen lebendig ist» (Butler)

Die amerikanische Philosophin Judith Butler hat sich eingehend mit Hegels Aufsatz «Liebe» aus den Jahren 1797/98 beschäftigt. Ihrem Essay hat sie den schlicht-schönen Titel gegeben: „Fühlen, was im anderen lebendig ist.“ Darin findet man den denkwürdigen Satz: „Liebe bedeutet dem anderen kein Toter zu sein und dass der andere einem selbst kein Toter ist.“

Darauf ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel nicht gekommen.

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