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Inseln sind Orte der Sehnsucht

Inselromantik auf der Lützelau. Mit Zelten, Badeplätzen, Feuerstellen und dem Restaurant ermöglicht die Insel ein Robinsonleben mit bescheidener Infrastruktur.

Unter „ab auf die Insel“ hat der Tages-Anzeiger vier Reportagen über die Ufenau geschrieben. Die Lützelau ist die kleine Schwester der geschichtsträchtigen Ufenau, unbewohnt, ohne Anlegestelle für die Schiffe des ZVV. Auf ihr darf man schwimmen, zelten, bräteln, spielen, am See essen und die Seele baumeln lassen. Die Lützelau braucht keine Propaganda. Mit 100 Übernachtungen pro Tag an Spitzentagen ist sie schon stark gefordert. Im Saisonschnitt sind es 25 Personen. Kenner schätzen die Insel als Kleinod.

Nordseite der Lützelau mit dem Etzel im Hintergrund

Als unser jüngster Bruder zu seinem 65. Geburtstag auf die Lützelau einlud, mischten sich Skepsis mit Neugierde. Wir fühlten uns etwas alt für die Insel, fragten uns, wie wir da hinkämen, hofften auf einen regenfreien Tag und waren doch neugierig auf das Abenteuer. Der Geburtstag war ein voller Erfolg.

An einem glutheissen Sommertag holte uns der Lütz-Shuttle in Rapperswil. Das Boot fasst 12 Passagiere. Nico fuhr zweimal. Die 30 Leute, die auch noch mit wollten, musste Nico leider am Quai stehen lassen. Nochmals zurückfahren lag nicht drin. Nicos Mithilfe wurde im Restaurant gebraucht.

Beim nächsten Besuch, vier Wochen später, ist der Himmel bewölkt, die Luft kühler. In Rapperswil warten nur drei Gäste auf die erste Überfahrt. Harasse mit Früchten und Gemüse, Getränke, Kanister mit Treibstoff türmen sich auf dem Boot. Unser Betrieb ist wetterabhängig, lacht Nico. Dafür kann sich heute einer von uns einen freien Tag leisten. Joe hat frei.

Nico am Steuer des Lütz-Shuttle

Die Lützelau sei wohl eine Insel für jüngere Gäste, mutmasse ich im Gespräch mit dem Kapitän. Nico widerspricht: Zu uns kommen neben Familien mit Kindern auch viele Senioren. Sie essen, jassen und geniessen die Ruhe am See.

Das im Schiff mitfahrende Ehepaar wohnt heute in Dübendorf und erzählt, die Familie habe jeweils zwei Wochen Sommerferien im Zelt auf der Insel verbracht, erst ab Montag, denn in den 70er Jahren sei am Wochenende auf der Insel ein lärmiger Festtrubel gewesen. Aus diesen Ferien sind wichtige Erinnerungen geblieben. Wie die Nacht vom 26. Juni 1969, als Apollo 11 auf dem Mond gelandet war und die Familie andächtig zum Himmel staunte. Nun haben die beiden in Dübendorf vernommen, dass ein Shuttle zur Insel fahre, und wollen sich die Lützelau nochmals ansehen.

Die grosse Wiese, das Zentrum der Insel, rechts mit Restaurant und Infrastruktur für die Zeltler

Auf der Wiese ist heute Morgen nicht viel los. Noch sind die meisten Zelte geschlossen. Ein bunter Berg von Kleidern, Hausrat, Spielzeug und Kinderjacken an der Wäscheleine markieren eine Ankunft. Oder eine bevorstehende Abreise. Vor dem Kinderspielplatz steckt eine Frau mit einigen Kindern ein Spielfeld ab. Auf den Sitzsäcken vor dem Restaurant fläzen sich junge Leute. Die Lounge des Restaurants. Noch sind Tische und die Bänke leer. Das Personal verräumt die Anlieferungen und widmet sich den Vorbereitungen für das Mittagessen.

Essen am See

Wir bestellen Fischknusperli mit Pommes frites. Die Fische stammen erstaunlicherweise immer noch vom Fischer Weber aus Hurden. Weitere Varianten wären Pizza, Würste oder Fleisch vom Grill, Salate, ein Vegi-Menu. Beim Einkauf werden Produkte aus der Region bevorzugt.

Die Insel auf einer Sandsteinplatte

Ich pirsche mit den Dübendorfern durch ein Wäldchen, zum Badeplatz im Westen. Auch hier Zelte, mitten im Gebüsch. Erinnerungen an Robinsongeschichten blühen auf. Meine Begleiter kennen sich aus. Früher war die ganze Insel begehbar, auch die „Ratteninsel“, das Anhängsel auf der Westseite. Heute wird ein grosser Teil im Süden als Naturschutzgebiet abgegrenzt.

Tief im Gebüsch zeltet Robinson

Vor dem kleinen Badeplatz wölbt sich der Sandstein, zeigt Spalten, Ecken und Kanten. Die unregelmässigen, treppenartigen Absätze erinnern an den Abbau von Steinen für den Bau der Rapperswiler Pfarrkirche und des Kapuzinerklosters.

Spuren vom Sandsteinabbau

Die Insel liegt auf einer Sandsteinplatte. Deren Grenzen sind gut sichtbar. Nach rund 50 m hellem Grund fällt die Kante im Norden steil ab. Der Sandstein ist im Hochsommer schlüpfrig, mit Moos bewachsen.

Die Sandsteinplatte, auf der die Insel liegt, ist gut sichtbar

Wer schwimmen will, muss ins tiefere Gewässer waten. Nico empfiehlt den Schwimmern die Treppe beim öffentlichen Schiffshafen. Und Badeschuhe. Auch auf der Lützelau verbreitet sich die Körbchenmuschel. Zwar ist sie weicher und weniger scharfkantig als die Wandermuschel, dennoch kann sie sensible Füsse verletzen. Nicos Fusssohlen sind sich an Muscheln gewöhnt.

Das ist Nico. Joe hat heute frei.

Zwei kreative Pächter

Joe Kunz und Nico Brunner haben die Insel im vierten Jahr vom Verkehrsverein Rapperswil-Jona gepachtet. Sie führen das Restaurant, den Zeltplatz, unterhalten Gelände und Liegenschaften, halten Ordnung, entsorgen den Abfall, kaufen und transportieren Lebensmittel, Getränke und was zum Unterhalt gehört und stellen das Personal ein. Der Pachtzins ist günstig. Die beiden arbeiten auf eigene Rechnung, lustvoll und kreativ.

Die Insel ist öffentlich. Die Mehrheit der Gäste kommt mit eigenen Schiffen. Für einzelne Gäste und kleinere Gruppen haben Nico und Joe den Shuttle von und nach Rapperswil eingerichtet, eine Dienstleistung, kostengünstig für den Besuch der Anlässe: ein Insellunch von Montag bis Donnerstag, die Happy Hour an Dienstagabenden, Konzerte mit Live Musik an einigen Donnerstagabenden und der Insel-Brunch an einzelnen Sonntagen.

Zwei Festangestellte besorgen die Küche, die Frau von Joe erledigt die administrativen Arbeiten im Nebenamt. Saisonniers und Studenten ergänzen das Team. In der Hochsaison arbeiten täglich etwa 10 Personen auf der Insel. Das Restaurant bietet 220 Sitzplätze. 30 feste Zelte und 20 Zeltplätze stehen zur Verfügung. Die Zelte und die Plätze müssen im Voraus gebucht werden. Während der Sommerferien sind oft alle Plätze besetzt.

Die Saison dauert von anfangs Mai bis Ende September. Über den Winter räumen die Pächter auf, widmen sich den Unterhaltsarbeiten. Anfangs Jahr beginnen die Verhandlungen mit den Lieferanten und die Suche nach Personal. Im November und Dezember leisten sich die beiden einige Wochen Ferien. Damit kommen wir finanziell bis jetzt gerade so durch, erklärt Nico. Er wirkt glücklich und zufrieden.

Der Zeltplatz ist an vielen Wochenenden ausgebucht

Auch die Lützelau hat ihre Geschichte

Die Insel wird 741 und 744 erstmals urkundlich erwähnt. Im 7. Jahrhundert hat Beata Landolt, die Schwester des Grafen Beba von Bebinchova, auf der Insel ein kleines Frauenkloster gebaut, das später aufgegeben wurde. 1513 war die Insel in Besitz des Fluhhauses, des Siechenhauses der Stadt Rapperswil. 1964 wurden bei einer Grabung Reste des Frauenklosters und Grabstätten gefunden. Heute gehört die Insel der Ortsgemeinde Rapperswil-Jona, liegt allerdings im Gemeindegebiet Freienbach. Freienbach pflegt das Naturschutzgebiet.

Der öffentliche Bootssteg der Luetzelau

Die Schweiz zählt 70 Inseln

Nicht jede Insel ist ein Ort der Sehnsucht. Napoleon III. wurde auf die Insel St. Helena verbannt, Nelson Mandela auf Robben Island gefangen gehalten. Auf der griechischen Insel Spinalonga wurden bis 1953 Leprakranke isoliert, auf der Insel Rheinau psychisch kranke Menschen gepflegt.

Eine Liste der Schweiz zählt 70 Inseln. Ein Drittel davon wird über Brücken erschlossen. Die Ufenau ist die grösste nur über das Wasser erreichbare Insel.

Zu diesen 70 Inseln werden auch kleine, unbedeutende Landstücke gezählt, wie die Haab-Insel vor der Halbinsel Au, ein Felsgebilde von nur 90 m2 Fläche.

Über allen Inseln liegt der Zauber einer Idylle, das Staunen über den Zufluchtsort mitten in einem Gewässer.

Die Insel Lützelau

Die Lützelau bei Wikipedia

Liste der Schweizer Inseln

Die Ufenau im Tages-Anzeiger

 

 

 

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