StartseiteMagazinKulturEin forcierter Mephisto

Ein forcierter Mephisto

Mephisto nach dem Roman von Klaus Mann Schauspielhaus Zürich Premiere 15.01.2016 Besetzungsliste: Miriam Maertens Elisa Plüss Michael Neuenschwander Siggi Schwientek André Willmund   Regie Dušan David Pařízek Bühne Dušan David Pařízek Kostüme Kamila Polívková Licht Christoph Kunz Dramaturgie Gwendolyne Melchinger Regieassistenz Sonja Streifinger Bühnenbildassistenz Selina Puorger Kostümassistenz Benjamin Burgunder Souffleur János Stefan Buchwardt Inspizienz Dagmar Renfer

Am Schauspielhaus Zürich inszeniert der tschechische Regisseur Dušan David Pařízek Klaus Manns Gründgens-Roman „Mephisto“.

«Mephisto», verfasst 1936 in Amsterdam, ist ein aussergewöhnlich vielschichtiges Porträt eines Karrieristen. Der junge Schauspieler und Regisseur Hendrik Höfgen feiert Mitte der 1920er Jahre in Hamburg seine ersten Erfolge. Er hasst die Nazis, hält zu den Linken und imaginiert sich ein „Revolutionäres Theater“. Nicht verwunderlich, dass er sich nach dem Umsturz 1933 angstvoll verkriecht. Doch was dann folgt, konnte niemand vorhersehen. Er taucht wieder auf und wird als Protegé des Ministers zum Herrscher der repräsentativsten Bühne des Naziregimes, seine umjubelte Paraderolle wird Goethes Mephisto sein.

In seiner tiefschürfenden psychologischen Analyse zeigt Klaus Mann die Charakterzüge und die persönliche Entwicklung des Protagonisten vielfach gebrochen, gespiegelt, durch gegensätzliche Eigenschaften anderer Figuren kontrastiert und durch Übereinstimmungen verstärkt. «Mephisto» ist ein bissig geschriebener Zeitroman, der Analogien zu realen Personen, so zu Hermann Göring, Emmy Sonnemann, Joseph Goebbels, Erika Mann und dem Mephisto-Darsteller und Theater-Intendanten Gustav Gründgens zulässt, der aber auch ohne sie verständlich bleibt. Das Buch durfte in Deutschland erst 1981 gedruckt werden.

Eine Art heitere Revue

Regisseur Dušan David Pařízek inszeniert Klaus Manns „Mephisto“ am Schauspielhaus Zürich als eine Art heitere Revue mit schwindelerregenden Rollenwechseln. Mal agieren die Schauspieler als Erzähler, mal als konkrete Rollenträger. Und die Rollen werden – mit Ausnahme der Hauptfigur Hendrik Höfgen – wiederum gespalten. Das ist insgesamt etwas verwirrlich, aber durchwegs unterhaltsam. Das Psychogramm der Hauptfigur, ihre Verfügbarkeit und Verführung, ihr Werdegang vom Opportunisten zum Mittäter wird nicht wirklich gelebt, sondern mit viel Ironie und Klamauk erzählt und reflektiert.

Musikalische Rückblende auf Höfgens Aufstieg in Hamburg (v.l.): Michael Neuenschwander, Siggi Schwientek, Miriam Maertens, Elisa Plüss und André Willmund.

Zu Beginn wird Höfgens Karriere in Hamburg in einer clownesken Rückblende nacherzählt. Die fünf Schauspieler vollführen dazu ein umwerfend komisches Musikkabarett mit Instrumenten, die keine sind, palavern in verschiedenen Dialekten und Sprachen. Es ist ein heiterer, lustiger, spassiger Auftakt. Die Bühne gleicht einem Gefängnis-Innenhof, ausstaffiert mit grauen Stellwänden links und rechts, die hinten im Spitz enden. Die Stellwände dienen zwischendurch als Projektionsfläche für Romanausschnitte. In diesem Bühnendreieck wird die Episodenfolge, mal erzählend, mal spielend, virtuos ausgebreitet. Da sind neben dem Emporkömmling Höfgen der geifernde Nazi-Anhänger Hans Miklas, der zweitklassige Ensemble-Kollege aus früherer Zeit, die aufrechte und feinfühlige Barbara Bruckner, die Höfgen heiratet, die jüdische Schauspielerin Dora Martin, die verraten wird und nach Frankreich fliehen kann, der scheinjoviale Ministerpräsident und seine Frau Lotte Lindenthal sowie der überzeugte Kommunist Otto Ulrichs. Sie alle sind bekanntlich verschlüsselte Personen. Und da ist noch die dunkelhäutige Domina Juliette, die mit Höfgen in Ballettschuhen amüsante sadistische Spiele treibt.

Wenig Zeit für ambivalente Momente

Immer wieder bricht das hinreissend animierte Ensemble aus in forcierte Choreografie, steht unter inszenatorischem Hochdruck, kalauert, fuchtelt und deklariert, was das Zeug hält. Leider bleibt dabei wenig Zeit für ambivalente Momente, für die Entwicklung einzelner Figuren. Zwischendurch werden leise Lieder der Zeit wie das Horst-Wessel-Lied angestimmt. Im zweiten Teil, nach der Pause, die keine ist und für Irritation sorgt, agieren alle Schauspieler in weisser Mephisto-Maske, reflektieren und ironisieren Höfgens Ankunft und Aufstieg am Preussischen Staatstheater Berlin. „Der Mann mit dem aasigen Lächeln“, Höfgen, alias Gustav Gründgens, ist angekommen: ganz oben! Dann aber wird abgeschminkt, die Maske heruntergerissen. Zum Vorschein kommt ein selbstzweifelnder Höfgen und die trotzige Reaktion, dass „kein Regime ohne mich auskommen kann“.

Michael Neuenschwander als Mephisto und Elisa Plüss als Barbara Bruckner. (Fotos: Toni Suter / T+T Fotografie)

Grosses Lob verdienen die fünf Schauspieler Michael Neuenschwander, Siggi Schwientek, André Willmund, Miriam Maertens und Elisa Plüss. Sie zeigen eine reife, intensive Ensembleleistung, wechseln geschickt und eindringlich in die verschiedenen Rollen. Neuenschwander spielt einen komplexbeladenen, teils aufbrausenden Höfgen, der buckelt, taumelt und seine selbstgefälligen Auftritte auskostet. Der aufrichtige, lange Applaus am dreistündigen Premierenabend galt allen Beteiligten.

Weitere Spieldaten: 20., 28. Januar, 2., 12., 15., 22. Februar, 1. März, je 20 Uhr.

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