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Emanzipation – war’s das?

Die Illusionen sind verflogen. Vielleicht war es aber auch etwas naiv, darauf zu hoffen, die Frauen würden einen eigenständigen Weg aus der patriarchalen Bevormundung wählen.

Ein Stich ins Wespennest? Vielleicht. Aber es gibt wenig Tabus, denen so konsequent aus dem Weg gegangen wird, wie der Frage, was aus 100 Jahren Emanzipation eigentlich geworden ist. Die Widersprüche sind so zahlreich, dass es schwierig genug ist, gemeinsame Nenner auszumachen.

Was gesichert ist, ist die Erkenntnis, dass 2000 Jahre Christentum eine männliche Hegemonie zeitigte, die von Machtgier, Krieg und Unterdrückung geprägt war. Die Frauen fanden sich noch bis 1900 bar jeder Rechte ins Korsett eingeschnürt und mussten schicksalsergeben feststellen, dass sie in allen Belangen – auch in der Kunst – den Männern den Vortritt lassen mussten. Sigmund Freud und Arthur Schnitzler haben dann den Schleier gelüftet und die psychosomatischen Begleiterscheinungen offenbart. Und Gustav Klimt hat das Reformkleid geschaffen, und die Damen im Dada- und Monte Verità-Umfeld haben im modernen Tanz auch ihre körperliche Freiheit gesucht und gefunden, darunter auch Sophie Täuber-Arp (der wir gerade die 50-Frankennote nachweinen).

Was ist daraus geworden? Viele Frauen zelebrieren einen Körperkult, vor dem keine Schönheitsoperation zu kostspielig, keine Modelkarriere verlockend genug, jede Film- oder TV-Karriere zuoberst auf der Wunschliste steht und jeder Modegag sinnstiftend scheinen. Neuerdings kommen nicht nur die Brüste unters Messer, jetzt wird auch der Po mit Push-up-Slips aufgemöbelt. Bis zum Revival des Korsetts ist es nicht mehr weit.

Und sie fordern ihre Rechte ein, verzichten aber noch so gerne auf auferlegte Pflichten. Gleichberechtigung nur dann, wenn daraus keine Nachteile erwachsen. Gleiches Rentenalter? Natürlich nicht. Militärdienst? Geht’s noch! Kinder? Bis 40 sicher nicht, dann aber subito, die moderne Medizin soll sich gefälligst etwas einfallen lassen. Und dann das Hohelied der verlockenden Chefetagen: Frauen wissen sehr genau, weshalb sie sich das nicht antun wollen, mit Haut und Haar Karriere zu machen. Das ist aber schon fast der einzige Lichtblick, sich männlichem Machtgefüge zu widersetzen.

Auffallend ist, dass männliche Vorbilder immer häufiger imitiert werden. Fussball, Eishockey, Boxen und Bobfahren waren früher reine Männerdomänen. Heute sind das emanzipierte Sportarten. Im Suchtverhalten haben die Frauen gewaltig aufgeholt: Sie rauchen, kiffen und saufen, was das Zeug hält. Männliches Fehlverhalten als Zielvorgabe für Gleichberechtigung? Der Märchenprinz und Macho als ewiggestrige Richtschnur? Die häusliche Gewalt ist z.B. längst bei beiden Geschlechtern eingekehrt. Lesen Sie einmal die Statistik von Kinderspitälern.

Und jetzt bescheren uns die Einwanderungsströme mit der Islam-Debatte auch noch ein Frauenbild, das längst überwunden schien. Die Frau zwischen Jungfrau und Hure, wie gehabt. Unter dem Deckmantel religiöser Maximen unterliegen die Frauen wieder einer männlichen Selbstgefälligkeit, die achselzuckend hingenommen wird. Solidarität unter den Frauen, das war gestern. Was läuft da schief? Nichts wäre dringender, angesichts einer nach wie vor männlich dominierten Welt, die ratloser ist denn je, als ein weibliches Selbstbewusstsein, welches eigenständige Wege geht, ganzheitlich denkt und verantwortungsbewusst handelt und dem patriarchalen Machtstreben den Tarif erklärt. Hoffen darf man, ja muss man dürfen.

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