StartseiteMagazinGesellschaft„Unterwegs sein – ein Leben lang“

„Unterwegs sein – ein Leben lang“

Grossveranstaltung vom 28.6.16 der Pro Senectute Luzern im KKL: „Unterwegs sein – ein Leben lang“.

«Die schwindelfreien Senioren“ könnte ich meinen Bericht auch nennen. Denn der Konzertsaal des KKL mit seinen über 1800 Plätzen war ausverkauft bis in den 4. Rang hinauf.

Musikalisch wurde der Abend heiter umrahmt vom Quartett Claudia Muff, Akkordeon, Felix Brühwiler, Gitarre, Peter Gossweiler, Kontrabass, Julian Dillier, Schlagzeug.

Herzlich hiess die Präsidentin der Pro Senectute Luzern, Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler das Publikum willkommen. Dann übernahm Kurt Aeschbacher als Moderator das Zepter. Fünf interessante Persönlichkeiten waren eingeladen worden. Im ersten Teil des Abends unterhielt sich Kurt Aeschbacher einzeln mit den Gästen. Im zweiten Teil fanden diese sich zu einem Podium zusammen.


Podiumsteilnehmer: v.l. Nahost-Experte Erich Gysling, Politikerin Eveline Widmer-Schlumpf, Rollstuhlsportler Heinz Frei, Moderator Kurt Aeschbacher, Musikantin Christine Lauterburg und Schriftsteller Pedro Lenz

Heinz Frei

Es ist ja die grosse Begabung von Kurt Aeschbacher durch seine einfühlsame Gesprächsführung Menschen das Erzählen über sich selbst leicht zu machen. Dabei scheut er auch nicht vor provozierenden Fragen zurück.

„Sind Sie so gut oder die anderen so schlecht“ fragte er seinen ersten Gesprächspartner, den erfolgreichen Rollstuhlsportler Heinz Frei. Denn dieser hat bei den Paralympics 15 Goldmedaillen geholt und hält immer noch zwei Weltrekorde. „Ja, und da liegen noch viele andere „Plämpel“ zuhause herum“ meinte Aeschbacher in seiner launigen Art. Heinz Frei, 1958 geboren, verunglückte 1978 bei einem Berglauf und ist seither auf den Rollstuhl angewiesen. Im Gespräch wurde nichts ausgespart. Nicht die Zeit der Depression nach dem Unfall, aber auch nicht die anrührende Schilderung, wie Heinz Frei langsam wieder „in seinem Leben ankam“, wie er das selber formulierte. Er ist erfolgreicher Sportler, hat Familie und zwei Kinder. Er unterstützt junge Menschen, die denselben Weg gehen. Auf sein „Sportleralter“ angesprochen erzählte er, dass die Jungen gelegentlich zu ihm sagen: „Bleibe noch, bleibe noch, weißt Du, ich will Dich einmal schlagen!“

Christine Lauterburg

Christine Lauterburg führte die Zuhörenden in die Welt der Musik. Sie trug die Farbe Türkis. Das sei die Farbe der Kreativität, meinte sie. Ausgebildet worden war sie als Schauspielerin. Aber diese häufigen Rollen von „leidenden Frauen“ sagten ihr nicht zu. Sie machte Strassentheater in der Fussgängerzone von Stuttgart. Und entdeckte ungefähr mit 30 Jahren, dass Jodeln ihre Sprache war. Sie gab im KKL sofort eine jauchzende Kostprobe und meinte, dass sie sich die Freude und auch das Traurige von der Seele singe. Ihr Lebensmotor sei die Freude an der Musik. Nicht verschwiegen sei, dass die eigenwillige Frau mit ihrer Art des Auftretens, bis auf die Kleidung, bei der angestammten Jodelszene ganz und gar nicht ankam. Und auch in der Partnerschaft sei es immer wieder zu Schwierigkeiten gekommen. Aber jetzt lebe sie in einer „Liebesfreundschaft“. Wer Ohren hatte, zu hören, vernahm sehr wohl, dass Christine Lauterburg in ihrem Leben immer unterwegs war, aber dass da Höhen und Tiefen zu überwinden waren. Die Freude an der Musik, in der ihr keine Grenzen gesetzt werden, sie sich keine setzen lässt, trug sie immer weiter.


Konzertsaal KKL, bis hinauf zum 4. Rang gefüllt
Erich Gysling

Der nächste Gast war ein eleganter Herr: Erich Gysling, vielen bekannt von Radio, Fernsehen, gedruckten Medien, Reiseführungen, die Aufzählung würde Seiten füllen. „So sieht ein Mann mit 80 Jahren aus“, führte Kurt Aeschbacher ihn bewundernd ein. „Ja, und?“ hätte ich am liebsten gefragt, „wie soll er denn sonst aussehen?“. Es war faszinierend, zuzuhören, wie Erich Gysling seinen Weg fand. Er habe zufällig entdeckt, dass er Schreiben könne. Er habe sich aus Zufall mit dem Nahen Osten befasst, dann Arabisch gelernt. Über ein Land zu berichten, dessen Sprache man nicht kenne, halte er für unzulässig. Man müsse sich immer wieder fragen, was denn im Lebensentwurf drin liege – bei ihm sicher von jung auf das Reisen – man müsse  sich aber auch begrenzen. Für Gysling ist die Welt nicht zu bescchreiben mit schwarzen und weissen Schlagzeilen. Die Welt, das Weltgeschehen, sei durchzogen von vielen Widersprüchen. Beeindruckend war die grosse Dankbarkeit dem Schicksal gegenüber, die ausgesprochen und nicht ausgesprochen, die Schilderungen von Erich Gysling begleitete.

Eveline Widmer-Schlumpf

Und dann war die ehemalige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf an der Reihe. Gelöst und heiter erzählte sie von ihrer Laufbahn als Anwältin, Regierungsrätin, Bundesrätin. Sie liess sich aber von Kurt Aeschbacher nicht mit heiklen Fragen, z.B. über das Verhältnis der Bundesräte untereinander, aus der Reserve locken. Das Loslassen sei ihr leicht gefallen, meinte sie. Als sie Regierungsrätin geworden sei, habe ihre zwölfjährige Tochter ihr eher kritisch gesagt, dann solle sie das Amt eben übernehmen. Aber sie solle ihre Freunde nicht vernachlässigen. Sonst sei sie dann einmal einsam, wenn Amt und Würde vorbei seien! Das habe sie sich gemerkt, und habe nach dem Austritt aus dem Bundesrat wieder in ihren ursprünglichen Freundeskreis, den sie über die Jahre gepflegt habe, zurückkehren können. Und noch eine hübsche Anekdote erzählte sie dem Publikum. Sie sei mit ihrem jüngsten einjährigen Enkel kürzlich im Zug unterwegs gewesen. Der habe einen schlechten Tag gehabt. Aber mit Zureden und Ablenken habe sie die Stimmung kehren können. Da habe sich ein älterer Herr vom Abteil gegenüber gemeldet und gesagt: „also, Frau Widmer, das machen Sie jetzt auch noch gut!“.

Pedro Lenz

Und „last but not least“ kam auch noch der der fünfte Gast, Pedro Lenz, zu Wort. Mit Geburtsjahr 1965 war er der jüngste in der Runde. Hatte vor Jahren eine Maurerlehre gemacht und erzählte liebevoll, wie den Eltern die Zufriedenheit der Kinder mit dem, was sie lernten,  lieber gewesen sei, als das Verfolgen von Prestigezielen. Schon mit 13 Jahren habe er angefangen, intensiv zu lesen. Er habe den Buchhändler gefragt, was denn die Klasse lese, in die das Mädchen gegangen sei, auf das er ein Auge geworfen habe. Heinrich Böll: „Ansichten eines Clowns“ war die Lektüre. In die habe er sich gestürzt. Um dann bei einem zufälligen Gespräch ganz nebenbei sagen zu können, dieses Buch habe er auch schon gelesen! Auf dem zweiten Bildungsweg holte er die Matura doch noch nach und studierte einige Semester spanische Literatur. Bei Pedro Lenz kann man das „unterwegs“ sein am wörtlichsten nehmen. Er ist jährlich für etwa 200 Lesungen verpflichtet. „Ich bin froh darüber, ich mache das gerne, und es bringt Geld“ meinte er ganz realistisch dazu!

Bemerkenswert war auch der Hinweis von Pedro Lenz im anschliessenden Podiumgespräch der fünf Gäste. Er meinte, die Menschen hätten wieder eine Sehnsucht nach Einfachheit. Er werde immer wieder gebeten, einfach eine Stunde lang vorzulesen, ohne irgendwelche Zusätze an Bildern oder Musik. Und das komme an!

Und zum Schluss

Das Podiumsgespräch befasste sich auch mit nationaler und internationaler Politik. Brexit und die Wahlen in USA liessen grüssen. Es wurde festgestellt, dass die politischen Fragestellungen häufig zu  komplex sind. Gegenüber der allgemeinen Informationsflut besteht ein Wunsch im Publikum nach einfachen Aussagen.

Der rote Faden, dem das prominente Podium folgte, hiess: wir wollen für die eigenen Werte einstehen. Wir müssen sie auch definieren: die Rechtsstaatlichkeit, die Gleichstellung, die freie Wahl der Religion, die freie Ausübung unserer Kreativität. Und die Berichterstatterin möchte anfügen: wir müssen den Inhalt dieser Werte auch erklären, immer wieder!

 

Felix Brühwiler, Gitarre, Claudia Muff, Akkordeon

Kurt Aeschbacher und die fünf Gäste hatten das Publikum reich beschenkt dadurch, dass sie aus sich herausgegangen waren, ihre Wege skizziert hatten, die Zuhörenden ein Stück weit auf diesen Wegen mitgenommen hatten.
Dafür erhielten sie tosenden Applaus.

Und erst am Schluss wurde ich noch auf einen kleinen, aber absolut amüsanten Umstand aufmerksam, den ich nicht unerwähnt lassen will. Kurt Aeschbacher mit seinem elegant gestylten Äusseren, helle Hose, schwarz-beige karierte Jacke, leistete sich einen modischen Kontrapunkt durch bunt karierte Socken. Auch das verdient Applaus!

Fotos: Peter Lauth, Luzern

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