Der alte Goethe rühmte sich einmal, er habe es darum so weit gebracht, weil er nie über das Denken nachgedacht habe.
Rund zweihundert Jahre vor Goethe hat ein gewisser René Descartes darüber nachgedacht, ob er sich denn nicht vielleicht ein bisschen zu viel mit dem Denken beschäftigte, so dass es ihm nie in den Sinn kam, Kopf und Herz miteinander zu versöhnen.
Descartes, im Jahr 1596 geboren, studierte Jura, trat 1618 in die holländische und wenig später in die bayrische Armee ein. Im Jahr 1622 kehrte er nach Paris zurück, danach hielt er sich zwei Jahre lang in Italien auf.
Dann wieder Holland, 21 Jahre. Nach und nach arbeitete er an seiner – bis dahin noch nie entdeckten – Philosophie sowie an naturwissenschaftlichen, analytischen und geometrischen Regeln.
Es folgten die <Meditationen> und die <Prinzipien der Philosophie>, die er wem widmete? Der Prinzessin Elisabeth von der Pfalz. Für sie – hört, hört! – schrieb er im Jahr 1649 eine Abhandlung über die grossen Leidenschaften der Seele.
Da wurde im gleichen Jahr die junge Königin von Schweden, Christine, auf René Descartes neugierig. Sie beschloss, von ihm unterrichtet zu werden, doch Descartes lehnte ihr Angebot höflich ab. Sie aber gab nicht auf, setzte ihn unter Druck, und so folgte er, widerwillig zwar, der Einladung bzw. dem Befehl der schwedischen Königin. Er ist 53 Jahre alt, sie 30 Jahre jünger.
Von Anfang an bestand die Königin darauf, dass Descartes schon um 5 Uhr früh mit ihr über 2500 Jahre Fundamentalphilosophie redet, ihr erklärt, mit ihr plaudert. Natürlich wird sich das Paar auch über Renés philosophische Schriften unterhalten haben. Über seine Sentenzen: „Zweifel ist der Weisheit Anfang“ zum Beispiel und «Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch“, oder „Ich klammere alle Erkenntnisse aus, die mir die Sinne vermitteln.“
Im Januar 1650 ist René Descartes gestorben. In aller Stille wurde der grosse Philosoph auf dem Stockholmer Fremdenfriedhof beigesetzt. Geheimnisvoll ist die Grabinschrift des französischen Botschafters geblieben: „Er sühnte die Angriffe seiner Neider mit der Unschuld seines Lebens“.
Descartes, der Begründer der neuzeitlichen Philosophie hat sich Sokrates, den Reformator der griechischen Philosophie („Ich weiss, dass ich nichts weiss“) zum Vorbild gewählt. Er entwickelte einen radikal-methodischen Zweifel, stellte alles in Frage: die Sitten der Menschen, die sich widersprechen; das Urteil der Sinne, das trügt; das Gedächtnis mit seinen Lücken; die Wirklichkeit der Aussenwelt überhaupt. „Was bleibt Wahres übrig? Vielleicht nur das eine, dass nichts gewiss ist“.
Zitat: „Alsbald machte ich die Beobachtung, dass während ich so denken wollte, alles sei falsch, doch notwendig ich es bin, der so dachte, irgend etwas sein müsse, da bemerkte ich, dass diese Wahrheit ‚Je pense, donc je suis‘ [ursprünglich „Ego sum – Ego existo – Certum est“] [Neugefasst: „Cogito ergo sum“] so fest und sicher wäre, dass auch die überspanntesten Annahmen die Skeptiker sie nicht zu erschüttern vermöchten. So konnte ich sie meinem Dafürhalten nach als das erste Prinzip der Philosophie annehmen“. „Ich denke, also bin ich“ meint: „So oft ich diesen Grundsatz ausspreche oder in Gedanken fasse, ist der Satz wahr“.
Damit hatte die Neuzeit des abendländischen Denkens begonnen. In erster Linie war Descartes die Methode des kritischen Zweifelns wichtig. Auf seine Philosophie gehen der Rationalismus zurück und der Empirismus. – Der Mensch findet die gesuchte Gewissheit in seinem ICH. – Descartes hat ein neues Prinzip der Philosophie aufgestellt, nämlich das des Selbstbewusstseins bzw. der Subjektivität.
Die Wirklichkeit ist nicht einfach das, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, sondern immer eine in Form von Gedanken, eine in Gestalt der Vernunft. – René Descartes verbindet eine philosophisch-logische Argumentation mit einer theologischen und schreibt: «Ich weiss sicher, das ist mein Ausgangsort, dass ich ein unvollkommenes Wesen bin. Da muss ich logisch-zwingend annehmen, dass es etwas Vollkommenes gibt. – Gott.»