Es gibt wohl nichts Nüchternes als den Tannenbaum: stachelig, grün, immer grün, widerstandsfähig gegen alle Jahreszeiten – Langweiler, Mythenträger und geliebter Christbaum.
Rund um Weihnachten dichten die Volksweisen dem Tannenbaum Blätter und Blüten an und stilisieren ihn hoch zum Symbol für Hoffnung und Beständigkeit.
Zu Weihnachten wird die Tanne verniedlicht. Mit Kugeln und mit Süssigkeiten behängt und mit Kerzen auf seinen Ästen täuscht der Baum darüber hinweg, dass seine Nadeln stechen, seine Äste leicht entflammen und die Tanne als Christbaum mit zunehmender Anzahl an Festtagen hoch explosiv wird.
Die junge Frau schmückt die Tanne am Paradeplatz zusammen mit drei Kollegen.
Wir lieben den Christbaum. Für die Kinder ist der Christbaum ein Symbol für Wünsche, deren Erfüllung sie kaum erwarten können. Die Erwachsenen pflegen mit dem Christbaum die Erinnerungen an Feste. Ein gutes Essen gehört dazu, und Lieder, eine Weihnachtsgeschichte und Bücher.
Erinnerungen an die Feste und an die Gäste. Die alleinstehende Nachbarin, die bei uns im ersten Ehejahr mitfeierte und in der Küche mitwirken wollte, werden wir nie vergessen. Die erste Tochter haben wir liebevoll als Christkind unter dem Baum gewiegt. Mit der Anzahl Kinder wurden die Feste turbulenter und der Berg zerknüllter Geschenkpapiere grösser. Und immer musste die Katze im Schach gehalten werden, die den Christbaum hochklettern wollte.
Besonders eindrücklich die Jahre, als wir nach lebhaften Familienfeiern die Kinder in ihre Betten steckten und uns mit unseren Nachbarn stillschweigend und einvernehmlich auf den Weg zum Mitternachtsgottesdienst begaben. Einmal zusammen mit einer Chinesin, die uns mein Bruder aus Hongkong sandte, damit sie unsere Weihnachtsbräuche kennen lerne. Später gesellten sich, zögerlich und scheu, die Freunde der Kinder zur Familie. Die Enkel griffen nach den Weihnachtskugeln. Heute spielen sie Blockflöte zur Backgroundmusik aus dem USB-Stick. Als wir ein Weihnachtslied zu einer Melodie aus dem iPod anstimmten, fanden das Einzelne lustig, andere waren entrüstet. Die Gästeschar wurde vielfältiger. Eine Familie koppelte sich ab.
In diesem Jahr sind wir eingeladen. Während Jahrzehnten haben wir bei uns gefeiert und einen Baum geschmückt. In diesem Jahr sind wir nicht zu Hause. Kein Christbaum? Jetzt, nachdem wir einen neuen Christbaumständer für eine dickstämmige Nordmanntanne gekauft haben, mokiert sich mein Mann. Wo bleibt da die Beständigkeit?
Die Tannenbaumrede 2000 von Bundesrat Adolf Ogi.
2017 wird die Fichte (die Rottanne) zum Baum des Jahres erkoren.
Und so schreibt Christian Morgenstern (1871-1914):
Das Weihnachtsbäumlein
Es war einmal ein Tännelein,
mit braunen Kuchenherzelein
und Glitzergold und Äpfelein fein
und vielen bunten Kerzelein.
Das war am Weihnachtsfest so grün,
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stand’s im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
Die grünen Nadeln war’n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tages der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm –
hei! tat’s da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.