Gurlitt zum zweiten

Die Präsentation des 2. Teils der «Bestandesaufnahme Gurlitt» im Kunstmuseum Bern bringt spannende Erkenntnisse und weckt mancherlei Überlegungen.

Vermutlich sind alle mit dem Namen Gurlitt verknüpften politischen, juristischen, wirtschaftlichen und kulturellen Vorgänge ein einmaliges Vorkommnis in der Geschichte. Doch mit dem Studium aller verfügbaren Dokumente – Kataloge, Ausstellungsführer auf der einen Seite, aber auch politische, historische und vertragliche Dokumente seit dem Washingtoner Abkommen nach Kriegsende – öffnen sich Tür und Tor zu einem alles andere als simplen Ereignis. Das Legat von Cornelius Gurlitt, mit welchem das Kunstmuseum nicht etwa einfach einen Kunstschatz erbte, sondern vielmehr ein Konvolut in mancher Hinsicht teils heikler Probleme. Dass diese speditiv angegangen und entschlossen versucht wurde, eine Lösung in Angriff zu nehmen, (eine Lösung, deren endgültige Form wohl noch geraume Zeit beanspruchen dürfte), ist nicht zuletzt auch das Verdienst von Matthias Frehner, der kürzlich als Direktor Sammlungen der Dachstiftung Zentrum Paul Klee – Kunstmuseum Bern zurückgetreten ist.

Man erinnert sich: Bis 4. März dieses Jahrs war der erste Teil der «Bestandesaufnahme Gurlitt» in Bern ausgestellt. Schon bei dieser Gelegenheit stellten sich Fragen über Fragen ein. Mittlerweile sind einige davon konkreter geworden. Das Stichwort heisst «Provenienzforschung» Welchen Weg hat ein Kunstwerk hinter sich, bis es am aktuellen Ort erscheint? Was war der Grund zum Verkauf; wie ehrlich ging es dabei zu, auch bei der Festsetzung der Handelspreise? Das Kunstmuseum Bern ist hier erste Wege in die richtige Richtung gegangen, andere Museen weltweit sind ihm gefolgt oder haben, aus anderer Veranlassung, bereits früher damit begonnen. Dieser Tage las man in der Tagespresse, dass eine Universität Sponsoren für einen Lehrstuhl für Provenienzforschung sucht.

Peter Breughel der Jüngere, Flusslandschaft, um 1630. Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014, Provenienz in Abklärung.

Ganz anders war es vor dem historischen Einschnitt des Deutschen Dritten Reichs. Ein Händler oder Sammler erwarb ein Kunstwerk in vollem Vertrauen dafür, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Damit ist es auch im Zeitalter der grassierenden internationalen Kunstkriminalität vorbei.

Kurz gefasst: Im nationalsozialistischen Deutschland wurde sogenannte «Entartete Kunst» eingezogen, auch solche in den Sammlungen renommierter Museen; Werke im Besitz geächteter Personen, vorwiegend Juden, wurden enteignet, und viele solche Besitzer mussten ihre Kostbarkeiten weit unter deren Wert veräussern («Raubkunst») auch in besetzten Ländern wurde auf gleiche Weise vorgegangen.

Bundeskunsthalle Bonn

Max Beckmann, Zandvoort Strandcafé 1934. Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014, Provenienz in Abklärung.

Es mutet so zynisch wie ironisch an: Die als «Entartet» klassierten Werke wurden höchstens in geringer Anzahl vernichtet, sondern dienten sowohl den Protagonisten des Regimes als heimliche oder öffentliche Bereicherung (z. B. das «Führermuseum in Linz») als auch der Volkswirtschaft des Deutschen Reiches als überaus willkommene Devisenquelle. In dieser Hinsicht war der Vater von Cornelius Gurlitt einer der Hauptakteure.

Paul Signac, Quai de Clichy, 1887. Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014. Provenienz in Abklärung, aktuell kein Raubkunstverdacht. 

Jammerschade wäre es, würde man vor lauter brennenden Provenienz- und weiteren gesellschaftlichen und historischen Problemen die jetzt nach Bonn in Bern gezeigten Schätze nicht mehr sehen! Bei allen dunklen Schatten des Anlasses, der diese Werke (und noch viele andere) nach Bern gebracht hat: Es ist eine bewegende Schau von Kunstwerken, welche jahrzehntelang der Welt verborgen waren, die man hier im Kunstmuseum bewundern darf. Die Leiterin Provenienzforschung im Kunstmuseum Bern, Dr. Nikola Doll, hat sie bereits in der Bundeskunsthalle Bonn letztes Jahr und jetzt in etwas erweiterter Form im Kunstmuseum Bern kuratiert. Besonderes Interesse dürften die drei gezeigten Fallstudien über die Methoden und Fragestellungen der Provenienzforschung in der «Werkstatt Provenienzforschung» wecken. Eine Fundgrube an Beschreibungen und weitgefassten Informationen bildet der von beiden beteiligten Ausstellungsinstanzen herausgegebene Katalog, der beide Ausstellungsteile enthält.

Max Liebermann, Figuren am Strand, ohne Jahresangabe. Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014, Provenienz in Abklärung, aktuell kein Raubkunstverdacht.

Alle Bilder: Fotos Mick Vincenz, © Kunstmuseum Bern und Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH.

Die Ausstellung dauert bis 15. Juli 2018

Zur Ausstellung im Kunstmuseum Bern

Siehe auch 1. Teil der Ausstellung

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