StartseiteMagazinKulturGrimmige Puppen, bitterböse Lieder

Grimmige Puppen, bitterböse Lieder

Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan inszeniert am Schauspielhaus Zürich einen grandiosen Georg Kreisler-Liederabend mit Puppen und Schauspielern.

Der Österreicher Nikolaus Habjan, Jahrgang 1987, wird im deutschsprachigen Theater seit einiger Zeit als «Master of Puppets» gefeiert. Nun hat er erstmals am Zürcher Schauspielhaus unter dem Titel «Ausschliesslich Inländer» einen Musiktheaterabend mit Liedern von Georg Kreisler inszeniert. Seine knapp zwei Stunden dauernde Kreisler-Interpretation in der Schiffbau-Box stiess beim Premieren-Publikum auf helle Begeisterung. Es gab langen Applaus und Jubelrufe.

Habjans Spezialität sind lebensgrosse Klappmaulpuppen, die, im Gegensatz zum Marionettentheater, das hinter einer Barriere stattfindet, von sichtbaren Darstellern gespielt werden. Man könnte sagen: Die Theaterfigur und ihr Double, denn auf der Bühne sind immer zwei zu sehen, die auf unterschiedliche Weise interagieren. Manchmal ist der Spieler nur Bauchredner, der seiner Puppe die Stimme leiht und sie in Bewegung versetzt, dann wiederum wird er zum Dialogpartner oder sogar zum Kontrahenten.

Kuriose Geschichten auf der Grenzstation

Die Bühne ist ausstaffiert mit drei in Plastikfolien gehüllte grüne Grenzhäuschen auf Holzpaletten, rechts davon wartet die Tiroler Musikband Franui mit ihren Blas-, Streich- und Zupfinstrumenten auf ihren Einsatz, ebenfalls auf Holzpaletten platziert (Bühnenbild: Jakob Brossmann). In dieser verlassenen Grenzstation taucht ein Puppenkind mit grossen Augen und einem Teddybären unter dem Arm auf. Mit der Ruhe ist es vorbei: Die Plastikhüllen werden entfernt, Leben kehrt in die Station ein. Grenzgänger mischen sich mit Grenzbeamten, erzählen und singen ihre Geschichten. Zum Vorschein kommen kuriose Gegebenheiten über fundamentale Absurditäten der menschlichen Existenz.

Grimmige Gestalten mit Nachglanz verwelckter Schönheit, im Bild Benito Bause, Michael Neuenschwander und Claudius Körber..

Die gewählten Lieder von Georg Kreisler sind meist voll von schwarzem Humor, bitterböse, gesellschaftskritisch und komisch-absurd. Einige verraten – wie im Programmheft angekündigt – einen Schweiz-Bezug. So im Lied «Max», das in eine Max Frisch-Verballhornung umgemünzt wird. Habjans Klappmaul- und Stabpuppen mit grossen und kleinen Köpfen, die er selbst baute, tragen kantige, versteinerte Züge, allesamt grimmige Gestalten mit Nachglanz verwelkter Schönheit. Ein ganz eigenes Völkchen wird da vorgeführt, das Kreislers Liedgut passgenau verkörpert und dessen Welt- und Altersweisheit dramaturgisch zuspitzt.

Altersweisheiten zu Xylofontönen

Zu Beginn wandelt eine gealterte Diva mit Federboa über die Bühne und gibt, begleitet von sanften Xylofontönen, Bruchstücke von Kreislers bekannten Sprüchen von sich, beschreibt die Menschen als ununterscheidbare Marienkäfer auf dem Globus. Dann tauchen die Schauspieler mit ihren Puppen auf und interpretieren erzählend und singend in unterschiedlichen Dialekten, mal heiter, mal bedrückt, ihre Sehnsüchte, Beziehungen und Probleme, thematisieren bunt-schräg politische Gegenwart. Es folgt Lied auf Lied, darunter bekannte Stücke wie «Wiegenlied», «Das Mädchen mit den drei blauen Augen» oder «Tauben vergiften». Dazwischen wird parodiert, was das Zeug hält. Grossartig die Szene am Grenzhäuschen, wo eine Frau ein Visum beantragt und der Zöllner daraus eine urkomische Stempelprozedur mit erotischem Akt macht.

Hervorragende Darsteller und irisierende Musik

Grosses Lob verdienen die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler (Benito Bause, Nikolaus Habjan, Claudius Körber, Miriam Maertens, Michael Neuenschwander, Elisa Plüss), die allesamt mit ihren Puppen hervorragend agieren und interagieren und gleichzeitig sich als versierte Sängerinnen und Sänger entpuppen. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Puppen zum Leben erwachen, wie sich ihr jeweiliger Charakter herausbildet. Das ist das Verdienst der Darsteller, die sie facettenreich bewegen, ihnen eine, ihre Stimme geben, die hinter den leblosen Körpern verschwinden und dennoch erst alles ermöglichen.

Facettenreich bewegte Puppen, im Bild Elisa Plüss und Miriam Maertens. (Fotos: Toni Suter / T+T Fotografie)

Nicht minder eindrücklich ist der Auftritt der sechsköpfigen Musikband Franui. Ihr variantenreiches und irisierendes Spiel bestimmt den dramatischen Rhythmus der Handlung und verleiht dem teils bedrückenden Puppenauftritt auf der Bühne Heiterkeit und Leichtigkeit. Nuancenreich unterstützen die sechs Musiker auf ihren zahlreichen Instrumenten den poetisch-schwebenden Charakter der Aufführung, die wiederholt ins derb Komische und Anklägerische ausschlägt.

Weitere Spieldaten: 4., 6., 16., 20., 21., 23., 24., 25. 29., 30 Juni

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