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Von der Gegenwart der Geschichte

Mit «Romulus der Grosse» setzte sich der 28jährige Friedrich Dürrenmatt mit dem «Ungeschichtlichen der Geschichte» auseinander. DAS THEATER an der Effingerstrasse in Bern zeigt eine heutige Sicht.

1948-1949 erarbeitet Friedrich Dürrenmatt, 27 bis 28 Jahre alt, die erste Fassung seines Stücks «Romulus der Grosse – Ungeschichtliche historische Komödie». Wenige Jahre zuvor geht der Zweite Weltkrieg zu Ende, und 1949 werden aus den westlichen und der östlichen Besetzungszonen des untergegangenen Dritten Reichs die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) etabliert. Soweit das Geschichtliche in Dürrenmatts Ungeschichtlichem. Dass der ersten Fassung insgesamt noch vier weitere folgten – 1957, 1961, 1964, 1980 – kann durchaus auch auf das grosse Anliegen hinweisen, das den Autor mit diesem Stoff verbindet. Da läge ein weites Feld von literaturwissenschaftlicher Forschung bereit!

Dürrenmatts Stück kreist um den Untergang des römischen Weltreichs. Soweit – und auch in einzelnen handelnden Personen – das Historische dieser Komödie. Doch wie fast alles in den Dramen Friedrich Dürrenmatts liegen der wahre Sinn und die treffsichere, auch ein wenig missionarische Bedeutung im Hintergründigen des Textes, oder eben im Ungeschichtlichen der Geschichte. Man kann heute nur ahnen, was ein 27-jähriger intelligenter Mensch und Schweizer vom Dritten Reich, dessen Zusammenbruch und den weltpolitischen Vorgängen der Nachkriegszeit halten und denken mochte. Dass Friedrich Dürrenmatt beeindruckt war von allem, das hinter dem Heroischen eines Weltreichs sein Unwesen treibt, liegt hier auf der Hand. Es wird auch ausgesprochen. Alle Gewalt, alle Unterdrückung, Demütigung und Ausbeutung, die mit der äusserlich beeindruckenden Grösse eines Eroberers der halben abendländischen Welt verbunden ist, führt dazu, dass Kaiser Romulus der Grosse sein eigenes Reich verachtet und, wie Dürrenmatt ihn gestehen lässt, richtet und hinrichtet.

Kaiser Christoph Kail, Kammerdiener Josef Mohamed (rechts)

Kein anderer als Dürrenmatt verstünde es, diese subtile Verachtung von Weltmacht und politischer Grösse in eine so hintergründig farcenreiche Komödie zu verpacken. Das sprüht hier ebenso von Geist, Ironie, Sarkasmus wie auch von Kalauern und grotesken Situationen – alles belustigende und schwungvolle reine Theatralik.

Wie die Uraufführungen der verschiedenen Fassungen in Basel und Zürich ausgesehen haben mögen, wissen wir nicht. Wie die heutige Inszenierung von Alexander Kratzer und seinem Team sich präsentiert, ist höchst verblüffend. Was allerdings schon auf der leeren Bühne beginnt, wo Peter Aeschbacher mit seinem Team ein Privat-Hallenbad aufbaut, in ebenmässigem Blau gekachelt, mit versenktem Hühnerstall und beliebig hin- und wegstellbaren Campingmöbeln. Vor allem, dass Dürrenmatts Text auch in dieser modernen Umgebung unverkennbar wirkt, ist eindrücklich. Illustriert von poppigen Rhythmen und abgeschmackt freizügigen, nachlässig oder komisch-pompös erscheinenden Kostümen (Sybille Welti), haften dem Text und seinen Aussagen nichts Unauthentisches an. Ein gelungenes Beispiel, wie ein traditionelles Werk in zeitnaher neuer Form realisiert werden kann.

Manche der Rollen sind mehrfach besetzt. Den Kammerdiener Pyramus und den Koch spielt Josef Mohamed. Als Ämilian, an Leib und Seele geschädigt aus germanischer Gefangenschaft zurückgekehrt, zeugt er glaubhaft von Nebenwirkungen des Despotismus, auch positiv, indem er durch sein Leiden gereifter geworden scheint. Der erschöpfte Reiteroffizier, der erfolglos den Kaiser vor den anrückenden Germanen warnen möchte und sein gestalterisches Gegenstück, der schwerreiche Hosenfabrikant Cäsar Rupf, der das Reich mittels einer Bestechung des Feindes retten möchte, ist eine überzeugend gemeisterte Doppelaufgabe für Simon Käser. Hannes Perkmann überzeugt – neben den Römern Zeno und Mares – vor allem in der Persönlichkeit des grosszügigen feindlichen Führers Odoaker, der sich mit dem Kaiser des untergehenden Reiches vor allem als Hühnerzüchter verbunden fühlt. Bleiben Julia, die Landesmutter, von Nicola Trub in oft ungeduldiger Weiblichkeit verführerisch gezeichnet; Anna Rebecca Sehls, resolut, jung und als Tochter so gut wie die Mutter nur darauf erpicht, das schon verlorene Reich zu retten. Romulus der Grosse schliesslich, Hühner züchtend, die Wahrheit vermeintlich aussperrend – es vergeht geraume Zeit, bis er seine wahren Absichten und Ziele erkennen lässt – vielseitig differenziert verkörpert von Christoph Kail.

Von links: Nicola Trub, Christoph Kail, Anna Rebecca Sehls

Aufführungen bis 19. Oktober 2018.

Bilder: © Severin Novacki

DAS THEATER an der Effingerstrasse

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