StartseiteMagazinKulturRémy Zaugg – radikaler Konzeptkünstler

Rémy Zaugg – radikaler Konzeptkünstler

Ein Kunstsammler schenkt der Öffentlichkeit seine Sammlung von Werken des Malers und Philosophen Rémy Zaugg (1943 – 2005). Nun ist das Geschenk mit anderen Teilen der privaten Sammlung von Hans und Monika Furer im Basler Kunstmuseum zu sehen.

Die Kunst Rémy Zauggs schafft auf den ersten Blick kein unmittelbar sinnliches Vergnügen, sie ist vor allem eine intellektuelle Erkundung des Ästhetischen im Wortsinne, der Wahrnehmung – aber kann nicht auch dies ein Vergnügen sein? Da ist zum Beispiel die Serie Über die Blindheit (1994-97), Aluminiumtafeln, 180×160, die Fläche je einfarbig lackiert. In extremen, teils fast unterträglich die Augen beissenden Farbkontrasten zur Fläche und in mächtigen Versalien ist darauf der Satz zu lesen SCHAU, ICH BIN BLIND, SCHAU. Diese Tafeln hängen nun im Basler Kunstmuseum und geben der Ausstellung, die das Haus rund um die Schenkung installiert hat, den Namen.

Rémy Zaugg, Für ein Bild Nr. 30, 1986/87. Kunstmuseum Basel, Schenkung Hans und Monika Furer-Brunner Stiftung

Hans Furer, Rechtsanwalt, Politiker und zusammen mit seiner Frau Monika Furer-Brunner auch Kunstsammler, hat dem Basler Kunstmuseum 24 Arbeiten von Rémy Zaugg aus allen Schaffensperioden geschenkt, darunter Schlüsselwerke. Eine der wichtigsten privaten Sammlungen von Zaugg-Werken kommt damit in die öffentliche Kunstsammlung, oder auch: Rémy Zaugg kommt heim nach Basel, wo der Jurassier seit 1960 die meiste Zeit lebte. Es sind unter anderem Arbeiten aus den Serien Ein Blatt Papier, Für ein Bild und die erwähnten Tafeln Schau, ich bin blind, schau. Michèle Zaugg, seine Ehefrau war ihm weit mehr als eine Assistentin, nahm durchaus den Pinsel zur Hand und malte akribisch die nötigen Schriftzeichen auf diese oder jene monochrome Tafel. Heute würden sie möglicherweise als Künstlerpaar firmieren.

Kunstsammler Hans Furer bei einer Führung durch die Ausstellung. Links Frühwerke von Rémy Zaugg, hinten die Reprofotografie von Thomas Ruff für Rémy Zauggs Entstehung eines Bildwerks, Perzeptive Skizzen, 2018

Zu der Schenkung gehört ausserdem eine Reprofotografie, die Fotokünstler Thomas Ruff zunächst nicht realisieren wollte, dann aber eine eindrückliche Lösung fand. Angeregt von Zauggs 48 Wahrnehmungsskizzen zu Paul Cézannes Gemälde La maison du pendu, die sich seit 1992 als Depositum im Kupferstichkabinett des Kunstmuseums befinden, hat Ruff – Sammler von Zaugg, gesammelt von Furer – das Foto gemacht, nicht vom Original, sondern aus einem Buch. Jenes Buch, das Zaugg für seine akribische Beschreibung des Bilds in 48 Skizzen benutzte, ist ebenfalls ausgestellt. Er hatte es seinerzeit in der Bibliothek des Kunstmuseums ausgeliehen und nie zurückgebracht. Aber nun liegt es in einer Vitrine neben den für Besucherinnen und Besucher wohl nur mit Mühe entzifferbaren Skizzen, die sich über drei Wände der Ausstellung erstrecken, Zeugnisse einer akribischen Auseinandersetzung mit Malerei.

Entstehung eines Bildwerks, Perzeptive Skizzen, 1963-1968. Skizze 8 von 27. Kunstmuseum Basel, Schenkung Hans und Monika Furer-Brunner Stiftung

Dem umtriebigen Kunstsammler und aktiven Unterstützer des Basler Kunstmuseum, der vor einem Vierteljahrhundert den Ankauf von Richard Serras Skulptur Intersection initiierte, wurden vier Räume für die Präsentation ermöglicht. So hat Kurator Søren Grammel, zuständig für die Moderne, aus Furers Sammlung mit dem Schenker eine Schau zusammengestellt, die Zaugg in einen internationalen Zusammenhang stellt und Einblick in die Privatsammlung ermöglicht, mitunter irritierend und die Strenge der Zauggschen Konzeptkunst brechend. Es sind das beispielsweise die Holzfiguren von Stephan Balkenhol, namenlose und attraktive Abbilder von Alltagsmenschen, die nebst den Konzeptkünstlern Zaugg, Baldessari, On Kawara, Sol Lewitt oder Lawrence Weiner sowie auch Thomas Ruff in der Furer-Sammlung sind.

Ausstellungsansicht mit Stephan Balkenhofs Tanzendem Paar von 1996 vor einer Galerie mit Fotos von Thomas Ruff.

Mit den Werken aus der Schenkung Zaugg ergibt sich in den vier Ausstellungsräumen eine anregende Gegenüberstellung. Ausserdem als Premiere im Kunsthaus: eine Serie von Fotografien Robert Mappelthorpes, die sein gesamtes Schaffen spiegelt. Und jenes Bild, das Rémy Zaugg eine Art Offenbarung wurde, hängt in der Sammlung gleich nebenan, nämlich Barnett Newmans Day Before One von 1951, eine dunkelblaue monochrome Tafel, die Zaugg 1963 in massive Verwirrung stürzte und ihn bewog, seine Kunst neu auszurichten, anhand der Geschichte der Malerei neu sehen zu lernen.

Robert Mapplethorpe, Patti Smith, 1976. Sammlung Hans und Monika Furer, © Robert Mapplethorpe Foundation, New York

Hans Furer erzählt, wie es zu der Freundschaft mit dem Künstler kam: Furer sammelt seit der ersten Ausstellung in der Basler Kunsthalle Rémi Zaugg. Es kommt zu einer Art Geschäft: Furer unterstützt den Künstler regelmässig und bekommt ab und zu ein Werk. Und Rémy Zaugg, Künstler und Theoretiker, der sich intensiv mit Architektur und Urbanistik auseinandersetzt, bietet seinem Mäzen und Sammler Einblick in seine Denkwelt und berät ihn auch.

Ausstellungsansicht mit den Siebdruck Johanna von Andy Warhol von 1981

Zaugg, einer der wichtigsten Schweizer Künstler des 20. Jahrhunderts, sorgte weit über die Grenzen der Schweiz hinaus nicht nur als Künstler, sondern auch als Ausstellungsmacher und -theoretiker für Aufmerksamkeit, herausragend die Alberto-Giacometti-Retrospektive von 1991 in Paris. Dazu trug auch die enge und fruchtbare Zusammenarbeit mit den Basler Architekten Herzog & de Meuron bei. Wer in den letzten Jahren einmal im Aargauer Kunsthaus war, der hat Zauggs Schrift-Stücke am Erweiterungsbau ganz gewiss nicht übersehen. Rémy Zaugg schuf Arbeiten auf Papier, Skulpturen im öffentlichen Raum, urbanistische Analysen und architektonische Entwürfe. Zaugg war lebenslang auch Wahrnehmungs-Philosoph und schrieb laufend Texte zur Malerei und Architektur. Diese theoretischen Schriften aus den 80er Jahren sind heute noch für Kunsthistoriker und Museumsfachleute von Relevanz. Für Rémy Zaugg war die Malerei stets eine Art Grundlagenforschung für «angewandte» Projekte im Hinblick auf Kunst am Bau oder Ausstellungskonzepte.

Darüber lässt sich in den Essays zur Publikation Schau, ich bin blind, schau. Von Rémy Zaugg bis John Baldessari – die Sammlung Hans und Monika Furer nachlesen. Der schöne (und erschwingliche) Band enthält unter anderen ein Interview mit den Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, einen Beitrag des Sammlerpaars und zu jedem Künstler in der Kollektion einen Aufsatz.

Beitragsbild: Rémy Zaugg, Schau, ich bin blind, schau. 1997/98. Foto: Julian Salinas
Bis
1. Dezember
Weitere Informationen finden Sie auf der Website zur Ausstellung

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