StartseiteMagazinKulturSchraffur - ein besonderes Musiktheater

Schraffur – ein besonderes Musiktheater

Der Schlagzeuger und Komponist Fritz Hauser bringt ganz spezielle Sounds in die Masken-Ausstellung im Aargauer Kunsthaus. Das Projekt «Schraffur» beschäftigt ihn seit mehreren Jahren. Es basiert auf einer Kindheitserinnerung: dem repetitiven Schaben, Kratzen, Bürsten, Riffeln, das beim Schraffieren auf Zeichenpapier oder beim Abpausen von Münzen mit dem Bleistift entsteht.

Ein Trommelstock mit Kerben, ein Plastik-Essstäbchen mit oder ohne chinesische Inschrift, das ist das Instrumentarium für jeden und jede, die bei Schraffur mitwirken: Mehrere Dutzend Erwachsene, einige Fünftklässler aus Villmergen und die Equipe rund um den Perkussionisten Fritz Hauser üben in einem Kirchenraum mitten im Aargau. Das Künstlerhaus Alte Kirche Boswil ist Mitproduzent der Performance, die am ersten und zweiten November viermal in der Ausstellung MASKE im Aargauer Kunsthaus aufgeführt wird.

Fritz Hauser erklärt den Mitwirkenden in der Alten Kirche Boswil das Projekt.

Eine Partitur gibt es nicht, geübt wird dennoch viele Stunden: Der Komponist weiss genau, wie Schraffur aufgeführt werden soll, wie seine Vorstellung in reale Gänge und Klänge umgesetzt werden soll, wie eine Gesamtkomposition, die nur in gemeinsamer Konzentration entstehen kann, ihre Form gewinnt. «Musikalische Vorkenntnisse brauchen Sie nicht,» hiess es in der Ausschreibung. So meldeten sich Frauen und einzelne Männer aus der halben Schweiz, die einen aus Neugier, was hinter dem seltsamen Titel steckt, andere aus Lust, bei einer Performance mitmachen zu dürfen, noch andere aus Interesse einmal mit einem berühmten Künstler arbeiten zu können.

Jedem sein Instrument – links der Trommelstock, rechts das Essstäbchen – Linkshänder dürfen auch andersrum.

Bei der ersten Probe bekommen alle genaue Hinweise, wie sie auftreten sollen, welche Kostümvorgaben sie beachten müssen und es gibt das Werkzeug, eben den bearbeiteten Trommelstock sowie das Essstäbchen. Dann lehrt Fritz Hauser sein heterogenes Ensemble, wie damit schraffiert werden kann, wie laut und leise geht, warum verschiedene Sounds möglich sind, wann ein Crescendo erwünscht ist und wie man mit dem simplen Instrumentarium ein solches herstellt.

«Fritz Hauser – Schraffur für das Aargauer Kunsthaus» ist eine streng strukturierte Kollektivperformance, bei der jede und jeder Einzelne zu einer Gesamtkomposition beiträgt, die gemeinsam in der Gruppe entsteht. Improvisation ja, aber nicht im Sinne von Einzelreisen ins Chaos, sondern immer entlang der präzisen Vorgaben von Komponist und Choreografin.

Blaue Geister schraffieren im Bann des schwarzen Riesen …

Nicht Menschen werden in der Ausstellung über Masken auftreten, sondern gesichtslose, düstere Gestalten mit einheitlich starren Larven, höchstens noch an ihrer Körpergrösse zu unterscheiden, vielleicht an ihrem Schreiten. In Gruppen sitzen sie da und dort zwischen den Exponaten, stumm, ausdruckslos, bis sie unvermutet zu schraffieren beginnen. Eine andere Spezies sind blaue Geister mit langen Bambusstöcken, die in Einerkolonne hinter einem grossen Schwarzen her laufen, sich um ihn scharen, sobald er einhält und einen schraffierten Soundteppich in den Raum schaben, während da und dort der grosse Techniker des Spektakels auftaucht und ebenfalls rhythmisch reibend das Ganze überwacht.

… und eilen zügig ums Eck.

Draussen im Lichthof des Museums, der Witterung ausgesetzt, stehen in Gruppen bewegungslos und starr weitere schwarze Figuren mit Drum- und Chopstick bewehrt – aber das sind doch wohl eher Puppen, ist anzunehmen, denn das regennasse Geviert hinter den grossen Fensterscheiben bevölkern bei anderen Ausstellungen jeweils die grossen und schweren Skulpturen. Und – sie bewegen sich doch!

Zusammen mit der Choreografin Béatrice Goetz, der Lichtdesignerin Brigitte Dubach und den beiden Schlagzeugern Roland Fischer und Peter Conradin Zumthor setzt Hauser seine neueste Ausgabe von Schraffur um: Das Kunsthaus wird Klangraum. Die Masken sollen leben. Magische Momente entstehen und Musik beginnt in den Köpfen der Zuhörerinnen und Zuhörer zu klingen. «Wir beleben den Raum mit verschiedenen Aktionen und Bewegungsmustern und möchten eine Beziehung zwischen Ausstellungsobjekten, Raum Publikum und Akteurinnen herstellen,» erklärt Fritz Hauser die Kunst der Schraffur als Performance für die Aargauer Ausstellung.

Wer nur ein bisschen Probenarbeit miterleben durfte, kann mit Überzeugung voraussagen, diese Performance wird Fritz Hausers Suche nach immer neuen Gegebenheiten, die sich schraffierend erweitern lassen, zu einem ganz speziellen Höhepunkt bringen. Es ist das zweite Mal, dass Hauser mit grossen Gruppen von Laien schraffiert, für sie und mit ihnen die Befreiung in gemeinsamer musikalischer und performativer Aktion ermöglicht. Was er den Teilnehmenden abverlangt, ist vor allem Konzentration und Präzision, damit die Performance gelingt. Ein Zauber wie geschaffen für Novembernächte – fürs Publikum vielleicht akustisch auch die Erinnerung an warme Sommernächte in einer Pineta voller Zikaden, ganz sicher aber ein Raumerlebnis, das ungeahnte Klänge und Bilder generiert.

So viel Indivudualität geht nur in der Probe, aber üben mit Gesichtslarve hilft.

Die Schraffur erfunden hat der Perkussionist, der wie andere Schlagzeuger durchaus auch mal laut sein kann, den jedoch die Dramaturgie aus der Stille heraus ins Wahrnehmbare und zurück ins Schweigen beschäftigt, vor gut zehn Jahren, als er seine Kindheitserinnerung mit einem Esstäbchen und einem Gong erstmals aufführte. In Luzern als er 2017 Composer in residence war, arbeitete er bereits mit einer Grossgruppe, nun in Aarau geht die Erforschung einer Raumsituation mit Klang und Bewegung, erzeugt von Vielen, weiter.

Beitragsbild: Fritz Hauser. Bild zVg
Fotos: E. Caflisch

Die Performance «Fritz Hauser – Schraffur für das Aargauer Kunsthaus» wird am Freitag, 1. und Samstag, 2. November im Aargauer Kunsthaus in Aarau jeweils um 18:00 Uhr und um 19:30 Uhr aufgeführt. Hier geht es zum Ticket-Shop.
Mehr zu Fritz Hauser und zum Projekt Schraffur erfahren Sie auf seiner Homepage.

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