StartseiteMagazinLebensartTraumwetter für Hexen und Bären

Traumwetter für Hexen und Bären

Das Schemenlaufen in der Innenstadt von Imst (Tirol) findet alle vier Jahre an einem Sonntag während der Fasnacht statt – diesmal war es der 9. Februar. Der Brauch ist (wie die Basler Fasnacht) immaterielles UNESCO-Kulturerbe.

Das Städtchen Imst liegt zwischen Landeck und Innsbruck. Alle vier Jahre verwandeln maskierte Dämonenvertreiber die grossartige Imster Alpenarena in eine Tanzbühne. Die Altstadt wird vom Treiben der Vermummten beherrscht. Hinter allen Masken stecken Imster Burschen.

Gruppenweise ziehen die Besucher vom Bahnhof und von den Parkplätzen her in die Imster Oberstadt. Sie wird im Verlauf des Tages zu einem Hexenkessel mit 20‘000 Zuschauern und fast 950 Maskierten – sie sind es, die Strassen und Plätze beherrschen.

Braune und weisse Bären werden von ihren Treibern recht unzimperlich behandelt.

Ein erster Böller kracht und hallt durch die Gassen. Die Luft vibriert vor Spannung. Endlich beginnt der Aufmarsch der Maskierten. Von der Unterstadt her werden zottelige Bären zum Gasthof Hirschen getrieben. Ohrenbetäubender Krach ertönt. Karnevalswagen mit ihren Aufbauten suchen ihren Weg. Um zwölf Uhr läuten die Kirchenglocken den Umzug ein.

Die Sackner bereiten sich vor. Sie schaffen notfalls auch mit Gewalt Platz für den Umzug.

In raschem Schritt laufen die Ordnungsmasken vorbei, drängen die Zaungäste von der Strasse weg. Die Sackner holen aus und stossen die zu nahe Stehenden derb zurück. Die Spritzer setzen ihre Wasserspritzen ein, die Kübelemajen haben für Vorwitzige eine Portion Puder parat.

In Acht nehmen muss man sich vor den Spritzern und ihrem kalten Wasserguss.

Wir stehen vor dem Hotel Hirschen und erleben das wilde Schaulaufen in einem von mehreren „Kroasen“. Immer mehr Schaulustige finden sich ein. Nun tanzen und hüpfen sie auf den Platz, die Roller und Scheller, die Hauptdarsteller der Imster Fasnacht. Feminin, jugendlich und graziös der eine, knorrig und männlich die Zweitfigur.

Der hübsche Roller hält in der Rechten einen „Pemsl“ (Pinsel), der knorrige Scheller einen Stab mit aufgesteckter Bretzel.

Alle tragen sie schwarze Kniehosen, weisse Wadenstrümpfe und Schnallenschuhe, auf den Köpfen ein prächtiger, blumengeschmückter Aufputz mit einem Spiegel. Das „Groll“ um die Hüften des Rollers ist ein mit 40 bis 48 Rollen besetzter Ledergurt. Sein Partner, der Scheller, trägt eine streng dreinblickende Larve. Seine Hüften sind mit dem bis zu 38 kg schweren „Gschall“ umgürtet, vier bis acht handgeschmiedeten Kuhschellen. „Sein“ Roller bittet ihn zum Tanz.

Eigenartig und dennoch graziös wirken ihre Tanzbewegungen. Der Roller springt hoch. Eleganz und Sprunghöhe sind wichtig; er muss den richtigen „Schlänz“ dazu finden, wie es in Imst heißt. Ihr „Gangl“ symbolisiert nicht nur den Kampf zwischen Hell und Dunkel, sondern auch den uralten Tanz der Geschlechter. Ihre Bewegungen sind elegant und herausfordernd, manchmal hüftschwingend geradezu obszön.

Laggeroller und Laggescheller, die den Rollern und Schellern als deren Parodie folgen, beim «Einführen» einer jungen Frau

Ihnen folgen Laggeroller und Laggescheller. Sie ziehen den eleganten Tanz parodierend ins Lächerliche. Gebückt, breitbeinig und ungeschickt kommen sie daher. Durch ihr Aussehen und ihre Fortbewegung rufen sie Gelächter beim Publikum hervor.

Immer wieder greifen sich die Roller und Scheller einzelne Zuschauer – mit Vorliebe junge Mädchen oder Politiker, aber auch Bekannte – und «führen sie ein». Gegen einen Obolus werden sie wieder entlassen. Eingeführt – das heisst zur Kasse geleitet – zu werden, stellt für die Auserwählten eine grosse Ehre dar.

Die Hexen tragen eine äußerst hässliche Larve, eine Flachsperücke und einen roten Faltenrock.

Ausgelassen taumeln die Masken hinab in die Unterstadt. Furchterregend sind vor allem die Hexengruppen in ihrem wilden Tanz – die Hexenmusik von Buben gespielt, absichtlich schräg. Die Hexen halten ihren Hexenbesen waagrecht über dem Kopf. Urschreie gellen durch Mark und Bein. Alles fliesst, die Stadt dreht sich im Kreis.

Vogelhändler erinnern an die Blütezeit des Ortes im 17. und 18. Jahrhunderts

Ruhiger kommen die Vogelhändler daher. Sie reisten früher mit ihrer Ware in viele Länder Europas, gekleidet in die originale Tracht mit langem Loden- oder Samtrock und Kniebundhosen. In „Vogelorgeln“ dressierte man früher die Tierchen dazu, einige Melodien zu pfeifen. Heute sind nur noch ausgestopfte oder künstliche Vögel in den „Kraxen“.

Das wilde Spiel der Bären mit ihren ebenso derben Bärentreibern, die sie durch Eisenkette, Birkenstecken und markerschütterndes Gebrüll zu bändigen versuchen, wurde auch als sinnbildlicher Kampf des Winters gegen den Frühling gedeutet. Solche Herleitungen von Fastnachtsbräuchen aus vorchristlichen Bräuchen gelten allerdings inzwischen als wissenschaftlich widerlegt. Das Imster Schemenlaufen ist freilich schon 1683 durch den Barockprediger Abraham a Santa Clara erstmals bezeugt.

Das Korbweibele hat schwer zu tragen  – wie einige der Figuren ist es auch bei anderen Fasnachten ein bekanntes Motiv.

Beim Korbweible handelt es sich um einen Fasnächtler, der zwei Figuren gleichzeitig darstellt: eine uralte Frau, die in gebückter Haltung einen großen Rückenkorb zu tragen hat, in dem ihr Mann sitzt, den sie als ständige und schwere Last mitführt. Das Fraueli mit dem Mann im Tragkorb oder auch Hexen-Figuren gibt es bei anderen traditionellen Fasnachten, so wie die Scheller und Roller im Urnäscher Silvesterbrauch ihre Verwandten haben.

Auf dem Stadtplatz findet um fünf Uhr abends der letzte Höhepunkt statt: der „Schlusskroas“. Ein letztes großes „Z’sammschellen“. Bis zum Betläuten um 18 Uhr, da muss die Larve wieder vom Gesicht. Und vielen wird bewusst: Es ist nicht das Dabeisein allein – es ist viel mehr das Teil-Sein am Brauch und an der Gemeinschaft.

Beitragsbild: Vorne ein Sackner, dahinter ein Mohrenspritzer
Fotos: © Justin Koller 2020

Weitere Informationen zur Imster Fasnacht finden Sie hier.
Zur Vielfalt der Fasnachtsbräuche in der Region Basel ist das Buch Fasnacht ohne Grenzen erhältlich. Auch hier gehören Hexen und andere traditionelle Figuren oft dazu.

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