StartseiteMagazinKolumnenEine gerechte Verteilung von Solidaritätsleistungen tut not

Eine gerechte Verteilung von Solidaritätsleistungen tut not

Durch die Schweiz geht derzeit aufgrund der Coronavirus-Krise ein Ruck, wie er auch von der schweizerischen Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an einer Pressekonferenz gefordert worden ist. Es zeigt sich eine schier unglaubliche gesamtgesellschaftliche Solidarität mit alten und anderen besonders gefährdeten Menschen und dem Gesundheitspersonal, die derzeit die Gesellschaft in der Schweiz aufs eindrücklichste zusammenschweisst. Der Staat leistet grosse finanzielle Unterstützung, um die negativen finanziellen Folgen abzuschwächen. Sterben und Tod bringen die Beziehungen der Menschen auf den Punkt, sie legen offen, was wir einander bedeuten, was wirklich zählt und an welchen Werten wir uns orientieren. Die Schweiz erweist sich in dieser ausserordentlichen Zeit als beeindruckende solidarische Wertegemeinschaft.

Derzeit erscheint fraglich, ob sich bei der Entwicklung der Covid-19-Pandemie schon bald eine Trendwende abzeichnet. Vorausgesagte Höhepunkte verstreichen, und es wird wiederum vor neuen Spitzen und einem Wiederaufflammen gewarnt. Wissenschafter und Expertinnen streiten sich über die Gefährlichkeit des neuen Virus, Herdenimmunität usw. Die gegenwärtigen Notfallmassnahmen basieren auf einem Worstcase-Szenario der Covid-19-Pandemie. Sie orientieren sich an der Regel «Im Zweifel für das Leben». Ausserhalb des Notfalls gilt die ethische Regel «Im Zweifel für die Autonomie des Menschen», d. h. für das Abwehrrecht und damit Güterabwägungen zwischen dem menschlichen Leben und der Lebensqualität. Sollte sich die Covid-19-Pandemie als langfristig oder gar chronisch erweisen, wird die Gesellschaft um diese schwierige Güterabwägung und tragische Entscheidung zwischen einem maximalen Schutz des Lebens und dem Anspruch des Einzelnen auf Freiheit und gute Lebensqualität nicht herumkommen. Für solche Abwägungen bildet eine ausgewogene Information über eine Sachlage eine Grundvoraussetzung. Der Stellenwert nackten Überlebens ist stets mit den Bedingungen für ein gutes Leben und ein gutes Sterben für alle abzuwägen. Dazu gehört die Erfahrung von Liebe, Fürsorge, verbunden mit körperlicher Nähe der Menschen. Ohne sie sind gutes Leben und Sterben nicht möglich.

Die derzeitige Solidarität hat menschlich, sozial und wirtschaftlich einen hohen Preis: Menschen müssen einsam, ohne die Angehörigen sterben, elektive Operationen werden verschoben, Väter werden nach der Geburt ihrer Kinder nach Hause geschickt, soziale Benachteiligte sind von den Massnahmen besonders stark betroffen, die Wirtschaft erleidet massive finanzielle Einbussen, was vor allem bei Kleinen auch mit viel Unrecht verbunden sein kann. Die langfristigen Folgen der gegenwärtigen Solidarmassnahmen sind kaum absehbar. Nur eines ist gewiss: Je länger sie andauern, umso gravierender werden die negativen gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen sein. Bei einer kurzen Dauer kann die gegenwärtige Krise auch eine Chance sein, darüber nachzudenken, wie wir künftig unsere Gesellschaft und auch die Weltgemeinschaft gestalten wollen.

Bürgerinnen und Bürger müssen so rasch wie möglich wieder ihr Recht wahrnehmen können, das Leben mit dieser neuen Gefahr mitzugestalten. Sie müssen in die Güterabwägungen einbezogen werden, sollten mitbestimmen können, welche Opfer zu erbringen sie bereit sind und welche nicht. Hierzu sind die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten einzusetzen. So wie jetzt die parlamentarischen Kommissionen wieder virtuell tagen, so sind auch für die Bürgerbeteiligung solche Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei ist darauf zu achten, dass auch die Gesellschaftsgruppen einbezogen werden, die noch wenig oder keinen Zugang zu den neuen Kommunikationsmitteln haben. Eine besondere Herausforderung bildet dabei auch der Datenschutz.

Kurzfristig und notfallmässig kommt dem Schutz der Risikogruppen und deren Überleben sowie der Überlastung des Gesundheitspersonals ein höheres Gewicht zu als den Freiheitsrechten und der Lebensqualität der Gesamtbevölkerung und erscheint ihre Einschränkung als gerechtfertigt. Eine solche Gewichtung ist in der Schweiz auch über das Epidemiengesetz demokratisch abgestützt. Mittel und langfristig dürfen die negativen Konsequenzen, die jetzt schon bestehen, nicht ausgeblendet und müssen bei Entscheidungen mit abgewogen werden. Vom akuten Notfall abgesehen, geht es um eine gerechte Verteilung der Opfer und der Solidaritätsleistungen. Sobald ein Teil der Bevölkerung den Eindruck bekommt, wegen der Zwangssolidarität anderen gegenüber nur zu verlieren, erscheint der soziale Frieden gefährdet. Eine gerechte Verteilung der Opfer und der Solidarleistungen ist für das Gelingen eines möglichst raschen Ausstiegs aus dem gegenwärtigen Krisenmodus und den Übergang in ein Leben allenfalls noch längere Zeit mit dem Coronavirus entscheidend.


Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle ist Institutsleiterin bei Dialog Ethik

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2 Kommentare

  1. Es gibt leider Seniorinnen und Senioren
    – die Busse und Bahnen und zu Stosszeiten benutzen
    – die zu Stosszeiten zum Einkauf gehen
    – die weite Strecken fahren, um aus Lust Einkaufen zu gehen
    – die Sprüche machen wie «uns kann das Virus nichts anzutun, wir sind alt und
    jeder muss einmal sterben.
    Das ist reiner Egoismus und Dummheit und mangelnde Solidarität gebenüber der jungen Bevölkerung. Man sollte diese Leute in Quarantäne setzen.

  2. Ich weiss ja nicht, wie alt du bist, René, aber ich kenne auch Jüngere, die sich an keine Regel halten, die also weiterhin in Gruppen unterwegs sind, wegen denen man die Pässe und die Ausflugsziele sperren muss, die bis vor kurzem immer noch Parties gefeiert haben. Also bitte….wir können nichts dafür, dass wir gerade jetzt alt sind und dieses Misstrauen, das uns jetzt überall entgegen schlägt, haben wir nicht verdient!!

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