StartseiteMagazinKulturDas Zürcher Opernhaus vor der Nagelprobe

Das Zürcher Opernhaus vor der Nagelprobe

Wie weiter?  Die Spielzeit 2019/20 musste im Lockdown Corona-bedingt abrupt unterbrochen werden. Damit die neue Saison nicht zum Rumpftorso verkommt, ist die Direktion des Musentempels mit Herausforderungen konfrontiert, die an Sisyphus erinnern.

Nach der „Arabella“-Premiere anfangs März ging gar nichts mehr. Die „Csárdásfürstin“ musste genauso die Segel streichen wie Verdis „I vespri siciliani“, und auch der Ballettabend “Walking mad“ und weitere Produktionen mussten aus dem Programm gekippt werden. Stattdessen behalf man sich nach der zaghaften Wiedereröffnung mit erstklassigen Liederabenden und einer Operettengala. Ende gut, alles gut? Christian Berner, Kaufmännischer Direktor, zeigt uns im Interview auf, welche planerischen Konsequenzen die anhaltende Pandemie für das Haus hat.  

Joseph Auchter: Herr Berner, Opernhäuser planen ihre Produktionen mindestens drei Jahre im Voraus. Was bedeutet das für das Opernhaus Zürich, sich immer wieder kurzfristig an die Vorgaben des Bundes oder des Kantons halten zu müssen?

Christian Berner: Dies ist in der Tat eine der grossen Herausforderungen in der Corona-Krise. Opernhäuser sind per se keine flexiblen Institutionen, wir planen, wie Sie sagen, über viele Jahre in die Zukunft. Somit waren wir im Frühling auf sehr vielen Ebenen gefordert. Es galt für abgesagte Neuproduktionen Ersatzperioden in der Zukunft zu finden, denn die Ausstattungen war ja schon gebaut und geschneidert. Gegen Ende des Lockdowns war es uns ein Anliegen, wenigstens noch eine Konzertreihe zu präsentieren. Die musste natürlich ebenfalls recht kurzfristig organisiert werden. Schutzkonzepte mussten erarbeitet und laufend aktualisiert werden. Die grösste Herausforderung bestand jedoch darin, ein Spielmodell zu entwickeln, welches für das Publikum und die Mitarbeitenden sicher ist, dennoch richtiges Musiktheater ermöglicht.

Am 20. September wird die Spielzeit mit Mussorgskis „Boris Godunow“, eine der personalintensivsten Opern überhaupt, eröffnet. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen den künstlerischen Anforderungen und den wieder steigenden Corona-Fallzahlen?

Wir können diese Oper nur präsentieren, weil wir das Orchester und den Chor von aussen live ins Opernhaus übertragen werden. Ohne diese Lösung wäre eine Oper wie „Boris Godunow“ in diesen Zeiten nicht möglich gewesen. Wir haben bei „Boris“ das Glück im Unglück, dass sich der Regisseur Barrie Kosky mit grosser Lust und Freude der Herausforderung stellt, trotz Corona einen grossartigen Abend zu inszenieren und er hat dafür, wie wir finden, ein sehr spannendes Konzept entwickelt.

«Godunow»-Probe in Zeiten von Corona am Zürcher Kreuzplatz: Schutzkonzept und Abstand sind alles

Salzburg rettete sich in den Festspiel-Sommer mit einer abgespeckten, pausenlosen Version von Mozarts „Così fan tutte“ und dem „Elektra“-Einakter von Richard Strauss. Das geht ja mit dem „Boris“ und den meisten folgenden Werken nicht. Wie lösen Sie das Problem?

Ohne High Tech geht gar nichts mehr: mit externen Zuspielungen aus der Not eine Tugend machen

Unser eigens entwickeltes Spielmodell, die grossen Kollektive wie Orchester und Chor aus einem externen Proberaum live in die Vorstellungen zu streamen, ermöglicht es uns, die Grösse und Schönheit von Oper und Ballett weiterhin unserem Publikum bieten zu können sowie den Besucherinnen und Besuchern wie auch uns eine Planungssicherheit zu bieten, die sie im Moment fast nirgendwo finden können. Unsere Strategie ist es also, das Angebot des Opernhauses möglichst attraktiv zu halten und die Kunstform nicht zu verkleinern. Wir versuchen den Zauber, den diese Kunstform ausmacht, zu bewahren, damit das Publikum auch bereit ist, den Preis für unsere Tickets zu bezahlen.

Im Winterhalbjahr kommt der Pausen-Ausschank unter freiem Himmel nicht in Frage. Wie wollen Sie da dir trockenen Kehlen besänftigen oder zum Champagner einladen?

Leider müssen wir, zumindest vorerst, auf eine Pausen-Gastronomie komplett verzichten. Natürlich ist das schade, aber wir rechnen in diesen Zeiten schon auch mit dem Verständnis unseres Publikums, dass gewisse Dinge derzeit nicht möglich sind. Die Priorität setzt derzeit ganz klar darauf, dass unsere Vorstellungen unter sicheren Bedingungen stattfinden können. Da unsere Platzverhältnisse eng sind und man zum Essen und Trinken die Maske abziehen muss, verzichten wir ganz auf eine Pausen-Gastronomie.

Es besteht Registrierungs-, aber vor, während und nach den Vorstellungen auch Maskenpflicht. Wie ist das administrativ zu bewältigen? Was sagen Sie einem Besuchenden, der vorgibt, er könne aus Gesundheitsgründen keinen Mundschutz tragen?

Die Kunst des Möglichen: Der Erfindergeist kennt keine Grenzen 

Das Contact Tracing ist für uns administrativ eines der geringsten Probleme, denn wir kennen unser Publikum und wissen genau, wer wo sitzt. Diesbezüglich müssen wir zum Glück nur geringe Anpassungen vornehmen. Wenn jemand aus Gesundheitsgründen keinen Mundschutz tragen kann, bitten wir um ein Attest. Wir werden übrigens insbesondere für Risiko-Gruppen, die derzeit nicht ins Opernhaus kommen können, vom 25. bis 27. September die „Csárdásfürstin“, „Boris Godunow“ und „Maria Stuarda“ live streamen.

Das Opernhaus hatte während der ersten Ansteckungswelle sowohl im Ballett wie im Orchester Fälle von Infizierten. Ich nehme nicht an, dass „Dornröschen“ in der Ballettpremiere vom 10. Oktober mit Maske tanzt. Wie geht das Haus mit den Unwägbarkeiten um? Die sozialen Kontakte können ja nicht unterbunden werden.

Im Ballett hatten wir bis jetzt keine Corona-Fälle, aber im Opernhaus natürlich schon. Bei der Grösse unseres Betriebs lässt sich das leider nicht komplett vermeiden. Das Wichtigste sind gute Schutzkonzepte, die wir fortlaufend weiterentwickeln und anpassen. Ganz wichtig ist, dass sich alle Mitarbeitenden des Opernhauses sehr verantwortungsbewusst verhalten und die Hygienemassnahmen auch ausserhalb der Arbeit streng einhalten. Aber eine hundertprozentige Kontrolle gibt es nicht, da haben Sie Recht.

Die in der Not vollzogenen Schmalspurlösungen haben das Bedürfnis nach Normalität offenkundig gemacht. Das betrifft die Kulturinstitute genauso wie die Sportstätten. Was wünschen Sie sich von den Besucherinnen und Besuchern, damit ein zweiter Lockdown vermieden werden kann?

Das Gleiche wie von unserem Mitarbeitenden: ein verantwortungsbewusstes Verhalten und das Einhalten der Hygieneregeln. Wir sind überzeugt, dass unter den richtigen Bedingungen live Veranstaltungen möglich sind, aber es müssen sich alle an die Spielregeln halten, vor und hinter der Bühne. 

Das Programm der neuen Saison verspricht hochkarätige Kunst in allen Schattierungen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die notwendige Eigenverantwortung von der Schliesserin bis zum Weltstar wahrgenommen wird und uns die Durststrecke heil überstehen lässt?

Ich bin da optimistisch. Wir alle am Opernhaus – von der Schliesserin bis zum Weltstar – wollen das Gleiche: wieder arbeiten und tolles Musiktheater machen. Gerade nach dem Lockdown ist das Bewusstsein sehr hoch, wie wichtig Kunst und Kultur sind. Die Motivation und der Einsatz im ganzen Betrieb sind enorm, damit das wieder möglich wird.


OPER FÜR ALLE – DIGITAL
Zum Abschluss der Eröffnungswoche wird das beliebte Format «oper für alle», das Corona-bedingt abgesagt werden musste, digital zum Leben erweckt. An drei aufeinanderfolgenden Abenden, Freitag 25.9. bis Sonntag, 27.9., streamt das Opernhaus live die Premiere der Operette «Die Csárdásfürstin», die Aufführung der grossformatigen Neuproduktion «Boris Godunow» und die Wiederaufnahme der Belcanto-Oper «Maria Stuarda».

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