StartseiteMagazinKulturTraumstelle gesucht und Traumteam gefunden

Traumstelle gesucht und Traumteam gefunden

Katharina Ammann leitet seit Juli das Aargauer Kunsthaus, und will das Kompetenzzentrum Schweizer Kunst weiter ausbauen.

Die neue Direktorin des Aargauer Kunsthauses ist mit Kunst aufgewachsen. Katharina Ammanns Vater, der Romanshorner Künstler und Zeichenlehrer Max Ammann (1933 – 2017), nahm sie regelmässig mit ins Atelier und zu Ausstellungen. Die 47jährige promovierte Kunsthistorikerin arbeitete in den Kunstmuseen Solothurn und Chur, danach leitete sie fünf Jahre lang die Abteilung Kunstgeschichte des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft in Zürich. Ihre Bewerbung um die Direktionsstelle im Aargauer Kunsthaus hat überzeugt.

Seniorweb: Gleich nach der Wahl Anfang Jahr sprachen Sie von einer Traumstelle. Nun sind Sie seit Juli hier. Immer noch Traumstelle?

Katharina Ammann: Ja, ganz gewiss. Ich traf hier ein Team, das wunderbar funktioniert und aus sehr engagierten und kompetenten Leuten besteht. Es macht Freude, mit ihnen zu arbeiten und das Gefühl zu haben, hier kann man miteinander etwas bewegen.

Präsentation des Depositum Sammlung Werner Coninx; Malerei von Hermann Scherer. Aargauer Kunsthaus Aarau

Ich bin ja in einer Situation gestartet, die wegen der Pandemie aufwendig und kompliziert war, ich hatte ein halbes Jahr Kündigungsfrist, so stauten sich viele Entscheidungen an. Aber ich fühle mich zu hundert Prozent gestützt und getragen – das ist die Grundlage aller guten Arbeit und aller guten Ideen: ein grosses Glück.

F: Bis Jahresende ist das Programm vorgespurt, haben Sie, habt ihr schon Vorstellungen, wie es danach weitergeht?

Sagen Sie bitte, habt ihr, das passt mir zu hundert Prozent. Das Programm verschob sich durch Corona ins 2021, die Ausstellung Kosmos Emma Kunz wird nicht dieses Jahr sondern erst nächstes Jahr starten . Weiter gibt es eine Ausstellung zur Schweizer Skulptur ab 1945, die der Gastkurator Peter Fischer einrichten wird. Dass diese Überblickschau schon geplant war, kommt mir sehr entgegen. Denn ich möchte das Kompetenzzentrum Schweizer Kunst, was das Aargauer Kunsthaus bereits ist, weiterhin stärken und ausbauen.

Installationsansicht in der aktuellen Ausstellung Julian Charrière: Towards No Earthly Pole. Aargauer Kunsthaus. Copyright the artist; ProLitteris, Zürich, Photo by Jens Ziehe

Was ich fürs 2021 im Herbst angedacht habe, hat ganz konkret mit den Erfahrungen zu tun, die wir mit dieser Corona-Pandemie machen. Das war so nicht geplant, kristallisierte sich jedoch für mich heraus: die Notwendigkeit mit Künstlerinnen und Künstlern in einem gemeinsamen Prozess über die Auswirkungen der grossen Unsicherheit auf uns alle nachzudenken, sowohl gesellschaftlich als auch künstlerisch. Daher wird meine erste Ausstellung keine klassisch kuratierte Ausstellung sein, vielmehr ein Prozess im Kollektiv, von dem ich noch nicht genau weiss, was am Ende herauskommt. Ich werde diese Schau mit dem ganzen Kuratorinnen-Team produzieren, aber auch mit externen Personen, einige fragten wir bereits an. Das Resultat soll offen sein, es wird um Kunst als Bindemittel, eine Art gesellschaftlichen Leim, gehen, rückblickend auf eine Zeit, als man sehr vereinzelt zurückgeworfen auf sich selbst war, und dennoch spürte, dass es gemeinsam wohl besser ginge.

Sammlung online 18. Jahrhundert. Johann Heinrich Füssli: Perdita umgeben von drei Fairies, im Hintergrund Ariel, 1785

Das wären also die grossen Blöcke 2021: Emma Kunz – Schweizer Plastik seit 1945 – eine Form von Reflektion über die die Rolle der Corona-Situation und die verbindende Kraft der Kunst.

Sie haben gewiss weitere Ideen für die Zukunft?

Für die kommenden Jahre stelle ich mir vor, dass wir uns Jahresthemen setzen, anstelle einer Reihung von Ausstellungen ohne inneren Zusammenhang. Wir wollen probieren, einen roten Faden zu legen. Darunter muss man nicht alles subsumieren, aber wir können grosse gesellschaftsrelevante Themen angehen. Eine Pandemie haben wir erlebt, aber da sind auch die Globalisierung, oder die Genderthematik. Es gibt so vieles, was unser Leben und die Kunst beeinflusst. Eine Plattform für Diskussionen aus verschiedenen Blickwinkeln soll die Projekte begleiten. Darauf habe ich wirklich Lust.

Das Kunsthaus hat eine bedeutende Sammlung von Schweizer Kunst, die Sie gewiss längst gut kennen.

Die Sammlung bleibt das Kernstück, das Jahr 2022 wird im Zeichen der Sammlung stehen. Wir wollen sie in thematischen Ausstellungen neu zeigen. Und neu befragen: Es geht ja immer wieder um ähnliche kunsthistorische Narrative, die man erzählt.Es ist wichtig, mit neuen Fragestellungen an diese Sammlung heranzugehen. Wir planen auch eine Sammlungspublikation. Ausserdem wird die Online-Präsentation weiter ausgebaut, damit wir noch breiter zeigen können, was wir haben.

Sammlung online 19. Jahrhundert. Rudolf Johann Koller: Der Pflüger 1870

Jetzt beschreibt die Website über 500 Meisterwerke in die Tiefe, mit mir kommt nun ein Strategiewechsel, ich möchte mehr in die Breite gehen: In der Sammlung sind rund 19’000 Werke. Ich bin überzeugte Anhängerin des Open Access. Wir wollen also digitale Formate entwickeln, mit denen man die Sammlung neu entdecken kann.

Digitalisierung nannten Sie ja als einen Schwerpunkt Ihrer Planung.

Sie kann Zugänge schaffen und steht in keiner Konkurrenz zum realen Raum, zum Museum, zu den Originalen. Aber die Digitalisierung bietet grundsätzlich eine Chance für verschiedene Kreise, auch für jüngere Menschen. Wir überlegen, auf welche Weise man verschiedene Gruppen von Leuten konstruktiv und aktiv ans Haus binden kann.

Ein Riesenerfolg ist die multimediale Schau Van-Gogh-Alive. Ist das allenfalls auch eine Form, um den Einstieg in die bildende Kunst zu finden?

Warum nicht? Grundsätzlich bin ich offen gegenüber dem Umgang mit dem digitalen Bild, welches nicht mehr das Original ist. Gegeneinander ausspielen würde ich das nicht. Man muss sich einfach darüber im Klaren sein, welcher Art von Bild man gegenüber steht. Das setzt Medienkompetenz voraus. Auch diese muss man weiterbilden.

Sammlung online 20.Jahrhundert: Alice Bailly: Le thé, 1914

Wir haben uns ja daran gewöhnt, die Welt übersetzt ins digitale Bild wahrzunehmen. Damit zu arbeiten, ist eine spannende Herausforderung. Formate mit Augmented Reality entwickeln, den Blick schärfen, ist ein Gebot der Stunde – was sehen wir im Moment eigentlich? Ist das Original überlagert mit etwas anderem oder ist es ein komplett immaterielles Bild? Hier stellen sich hochinteressante Fragen.

Nochmals zur Sammlung Schweizer Kunst im Aargauer Kunsthaus. Fehlt da eine wichtige Künstlerposition, gibt es eine Lücke?

Lücken gibt es immer. Was ich persönlich vermisse, ist das Werk von Augusto Giacometti. Mit Graubünden und Zürich, welche Topbestände haben, können wir niemals in einen Wettbewerb treten. Dennoch, glaube ich, ist er einer der Künstler der Moderne in der Schweiz, der nach wie vor unterschätzt und in seiner Vielseitigkeit etwas zu wenig wahrgenommen wird . Es wäre mein Wunsch, dass er auch in der Aargauer Sammlung vertreten wäre.

Sammlung online 21. Jahrhundert. Klaus Lutz: Caveman Lecture, 2002.16mm Film © Nachlass Klaus Lutz

Ein Augusto Giacometti ist wohl sehr teuer. Aber das Aargauer Kunsthaus sammelt ja laufend auch aktuelle Schweizer Kunst. Wie erkennt man beim Ankauf von junger Kunst, ob sie etwas taugt oder ob es Schaumschlägerei in perfektem Design ist? Man muss genau hinsehen und sich nicht blenden lassen, ein Sensorium entwickeln. Ich sass in vielen Jurys, da merkt man schon, wenn Kunstschaffende mit den richtigen Schlagwörtern und einem griffigen Konzept sehr gewandt eine solche Jury bedienen können. In unserer schnellebigen Zeit hört man auf Schlagwörter, findet gut, was auch andere gut finden. Aber auch hier gilt: Man darf nicht verallgemeinern.

Das Kunsthaus zeigte unter dem Label Caravan jeweils junge Kunst. Führen Sie das weiter?

Wir sind dabei, das Gefäss etwas zu verändern, vielleicht enger mit Kunsthochschulen zusammenarbeiten. Wichtig ist, jungen und unerfahrenen Künstlerinnen und Künstlern ein Fenster zu öffnen.

Danke für das Gespräch.

Titelbild: Katharina Ammann, Direktorin. Aargauer Kunsthaus Aarau. Foto Judith Stadler
Einzelbilder sind verlinkt mit der Online-Sammlung.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Seniorweb hat über die Ausstellung Julian Charrière berichtet.

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