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D’Frau ghört is Hus, is Bundeshus

Liebe Judith Stamm,

Vor 50 Jahren wurde das Frauenstimmrecht eingeführt. Das Zugestehen der politischen Rechte an die Frau verdanken wir in erster Linie Pionierinnen wie Dir. Von CVP-Frau zu CVP-Frau möchte ich Dir und Deinen zahlreichen Mitstreiterinnen von damals herzlich danken. Danken für Euer Engagement, Euren Mut und Eure Hartnäckigkeit.

Die Gegnerinnen und Gegner des Frauenstimmrechts

Eure damaligen Gegner – und auch Gegnerinnen – wollten kein Stimmrecht für die Frau einführen. Drei Gründe standen im Vordergrund:

  1. «D’Frau ghört ist Hus». Es herrschte eine diffuse Angst vor dem Vermischen der Geschlechterrollen, eine Angst, am Tisch würde nicht mehr liebevoll über Kinder und ihre Sorgen gesprochen. Zahlreiche Männer und Frauen befürchteten, dass durch das Frauenstimmrecht jene Dinge, die ihrer Meinung nach der Gesellschaft Halt gaben – allen voran Geschlechterrollen – wegbrechen würden.
  2. Die Frau sollte nicht «verpolitisiert» werden, sie sollte nicht den «schmutzigen» Geschäften der Politik ausgeliefert sein. Zudem sollte die Frau nicht durch die Männer politisch unter Druck gesetzt werden können. Das Wesen der Frau würde dies nicht aushalten. Die Frau sollte vor der Welt der Politik geschützt werden.
  3. Viele rechtsbürgerliche Männer, aber auch Frauen, hatten Angst, die Politik würde durch das Frauenstimmrecht einen Linksrutsch erleben, insbesondere durch ein sozialeres Abstimmungsverhalten der Frau. Gleichzeitig waren viele Gegner überzeugt, das Frauenstimmrecht sei eine linke Forderung und nur Linke seien dafür. 

Die späteren Profiteurinnen Eures Einsatzes

35 Jahre später war ich eine direkte Profiteurin Eures Engagements:

Mit dem Wahlslogan «Barbara is Bundeshus», wurde ich am 21. Oktober 2007 überraschend in den Nationalrat gewählt. Überraschend, denn niemand hatte erwartet, dass die CVP Zürich einen Sitz dazu gewinnen würde und somit hatte auch niemand erwartet, dass eine «neue» CVP-Frau gewählt werden würde.

Heute weiss ich, dass Ihr CVP-Frauen mir den Weg zu dieser Wahl geebnet habt; Ihr, d.h. Rosmarie Zapfl, Rosmarie Dormann, Josi Meier, Lucrezia Meier-Schatz, Chiara Simoneschi, Thérèse Meyer und viele weitere unerschrockene CVP-Frauen, die sich von Rückschlägen und Angriffen nicht von ihrem Weg abbringen liessen. 

Was ist aus den Argumenten der damaligen GegnerInnen geworden?

  1. Heute können viele Schweizer Frauen den Weg wählen, zu dem sie sich berufen fühlen. Sie können berufliche oder politische Karrieren durchlaufen und selbstbestimmt leben. Wie wohl die meisten von ihnen habe ich meine Aktivitäten «ausser Haus» nie als Nachteil für meine Familie erlebt. Im Gegenteil: Politische Diskussionen im Hause Schmid sind – über alle Generationen hinweg – extrem spannend und bereichernd. Das Aufbrechen der Geschlechterrollen wird meist als Gewinn erlebt, nicht als Bedrohung. Wenn ich mit meinen Söhnen über frühere Geschlechterrollen spreche, können diese die damaligen Vorstellungen nicht mehr nachvollziehen. Und das ist gut so.

Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Nach wie vor haben Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht die gleichen Chancen wie Männer, insbesondere wenn es um den Lohn und die Karriere geht. Als ehemaliges Vorstandsmitglied von Alliance F, die sich in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik für die Gleichstellung der Geschlechter engagiert, weiss ich, dass noch viel zu tun ist, bis wir dieses Ziel erreicht haben. Doch wir geben nicht auf. Schritt um Schritt kommen wir dem Ziel näher, eine effektive Gleichstellung zu erreichen. In der Legislaturplanung 2019 – 2023 des Bundes wurden Forderungen, wie beispielsweise die Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Alliance F zum ersten Mal aufgenommen. Dies wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Wir bleiben dran.

  1. Politik ist ebenso sehr auf «Diversity» angewiesen wie ein Verwaltungsrat oder ein Vorstand: Verwaltungsräte sind stabiler und erfolgreicher, wenn sie verschiedene Kompetenzen und Sichtweisen aufweisen. Dies haben wirtschaftliche Studien längst bewiesen. Unternehmen, in deren Chefetagen Frauen vertreten sind, sind erfolgreicher. So ist es auch in der Politik. Gerade bei der Vereinbarung von Beruf und Familie kann es nicht sein, dass Männer alleine darüber bestimmen, wie Familien zu leben haben. Es braucht die ergänzende Sichtweise der Frau. Die meisten sozialpolitischen Reformen seit 1971 wurden von Frauen angestossen. Politikerinnen haben zudem längst bewiesen, dass sie nicht geschützt werden müssen. Im Gegenteil.
  2. Frauen in der Politik haben nicht den erwarteten vermeintlichen Linksrutsch erzeugt, sonst wären die Kräfteverhältnisse in den Räten oder die Parteistärken in den Kantonen heute andere. Trotzdem wird in regelmässigen Studien festgestellt, dass Frauen sozialer und auch grüner stimmen. Übrigens: Aktuell profitieren Parteien, welche eine höhere Anzahl Kandidatinnen auf den Wahllisten haben, am meisten. Auch das ist gut so.

Danke, Judith

Du, Judith, bist bestimmt, so wie ich später auch, von namentlich bürgerlichen Männern als «Linke» gemassregelt worden, obwohl wir beide klassische Mittepolitikerinnen sind. Ich finde: Bürgerliche Politiker, welche Angst davor haben, als «Linke» bezeichnet zu werden, und nur deshalb eine Meinung vertreten, die sie de facto gar nicht so hegen, gibt es leider nach wie vor. Durch diese Angst verhindern sie eine ehrliche, authentische Politik. Ich habe nie verstanden, warum diese Angst bis heute derart stark unser Politwesen prägt.

Wie dem auch sei, es waren insbesondere Frauen wie Du, die sich innerhalb des bürgerlichen Lagers durchsetzen konnten und die somit den entscheidenden Schritt der Frau in die Politik ermöglicht haben.

Du, Judith, hast mich auch in den all den Jahren als Nationalrätin betreut und beraten. Du bist auch heute noch ein fester Orientierungspunkt für Frauen, die sich engagieren und vernetzen möchten. Dein Rat ist auch heute für viele Frauen gefragt und wichtig.

Mit strahlendem Lachen hast du mir bei meiner eigenen Wahl den Spruch von Josi Meier zugerufen: «D’Frau ghört ist Hus, is Bundeshus.»

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2 Kommentare

  1. Liebe Barbara
    danke für die Blumen, den riesigen Blumenstrauss…..!
    Es freut mich, wenn unsere Generation Deiner Generation etwas weitergeben kann. Wir haben es ja von unseren Vorfahrinnen übernommen.
    Tragt Sorge zum Übernommenen und vermehret es!
    Herzlich, Judith

  2. Liebe Judith
    Liebe Barbara

    Ein riesiger Blumenstrauss reicht nicht aus, den habt Ihr mehr als verdient. Es braucht mehr:
    gleicher Lohn für gleiche Arbeit zum Beispiel. Dass dieser verfassungsmässig garantierte Anspruch immer noch nicht umgesetzt wurde, ist ein Schandfleck in unserer Eidgenossenschaft, für den wir Männer die Verantwortung zu übernehmen haben. 50 Jahre danach haben wir Männer auf- und nachzuholen. Und ich bin überzeugt, dass unsere Enkelinnen voller Frauenpower nicht nachlassen und aufgrund Eures Engagements weiter erkämpfen werden, was noch fehlt: die volle Gleichberechtigung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

    Anton Schaller

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