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Stark geforderte Schulen

Wie sollen/müssen/dürfen/können die Schulen in den Zeiten von Covid-19 bestehen? Eine erfahrene Vorschullehrerin, die am rechten Zürichsee unterrichtet, war bereit, Einblick in den kniffligen Alltag ihres Kindergartens zu gewähren und die Bandbreite der Herausforderungen aufzuzeigen.

Frau Baltensperger, Sie unterrichten in einer Zürcher Vorortsgemeinde seit vielen Jahren Vorschulkinder. Ein wunderbarer pädagogischer Beruf sah sich schon vor Corona gesellschaftlichen Umbrüchen gegenüber, die sehr anforderungsreich sind. Die Pandemie erst mal ausgeblendet, wie sieht ein normaler Alltag bei Ihnen aus?

Nicole Baltensperger: Auch der normale Kindergartenalltag ist sehr anforderungsreich. Ich unterrichte in einer Gemeinde, welche sich über sehr viele Neuzuzüger freut, was für uns bedeutet: alle paar Wochen oder Monate ein neues Kind in der Klasse. Dies bringt Unruhe mit sich, die ganze Gruppendynamik verändert sich. Auch der nach vorne verschobene Stichtag für die Schulpflicht (also der Eintritt in den Kindergarten) bedeutet, vermehrt sehr junge Kinder zu unterrichten, welche emotional andere Bedürfnisse haben, was zusätzlich zu berücksichtigen ist. Eine grosse Belastung und Herausforderung stellt auch die Klassengrösse mit 23,24 Kindern dar.

Eine vielseitige soziale Durchmischung im schulischen Einzugsgebiet wird immer wieder als wünschbar bezeichnet. Inwiefern trifft das auf Ihre Gemeinde zu oder eben nicht?

Wir haben eine Riesenbandbreite betreffend Vorwissen, Fertigkeiten, Selbständigkeit und Erziehung der Kinder. Egal, woher sie kommen und welche Sprache sie sprechen. Unsere Aufgabe und Herausforderung ist, alle dort abzuholen, wo sie stehen und sie in die Gruppe zu integrieren.

Sie haben fremdsprachige, zweisprachige und deutschsprachige Kinder zu betreuen? Welchen Spagat haben Sie hier zu leisten?

Fremdsprachige Kinder sind von Jahr zu Jahr häufiger vertreten. Nicht wenige Kinder sprechen zu Hause bereits zwei Sprachen, lernen bei uns Deutsch und Schweizerdeutsch, je nach Motivation der Eltern schneller oder zögerlicher.

Neben dem Deutschspracherwerb ist die soziale Integration zentral. Im Kindergarten arbeiten wir ja sehr anschaulich, mit vielen Materialien, Ritualen und einem grossen Spielangebot, so dass auch Kinder, die noch nichts oder nicht viel verstehen, profitieren und lernen können.

Nicole Baltensperger: auch im Kindergarten mit Maske

Sie unterrichten nun auch noch mit Maske?  Was bedeutet das für Sie und die Schutzbefohlenen? Inwiefern leiden die Sprösslinge darunter?

Ja, das Unterrichten mit einer Maske ist sehr unangenehm und viel anstrengender. Die Kinder dieser Altersstufe sind in der Kommunikation auf ein „ganzes“ Gesicht angewiesen. Ich merke, dass die Aufmerksamkeit der Kinder viel schneller nachlässt und die Wirkung meiner Ansagen einiges bescheidener ausfällt. Auch lernen fremdsprachige Kinder viel weniger effizient Deutsch. 

Die Begriffe Bildungsschere und Bildungsdefizite wurden schon vor der Pandemie dahingehend problematisiert, dass es Kinder aus eher bildungsfernen oder kulturell benachteiligten Familien schwerer haben, die Schulprofile erfolgreich zu durchlaufen. Haben sich diese Befürchtungen nun noch akzentuiert?

Ich erlebe, dass Kinder, die aufgrund der Berufstätigkeit beider Elternteile viel fremdbetreut werden, in der aktuellen ‚Homeoffice’- Lockdown-Zeit entspannter sind. Sie sehen ihre Eltern dadurch häufiger und erleben sie intensiver. Auch ist das ganze Hobbyangebot gestrichen und beschert den Kindern mehr freie Zeit.

Nun fanden bis Ende Januar in den meisten Schulen Elterngespräche statt, und zwar mit Maskenpflicht und in Einzelfällen auch noch mit Dolmetschern. Wie bewältigten Sie solch schwierige Konstellationen?

Wir mussten alle Elterngespräche online durchführen, Ausnahmen wurden bewilligt. Der Vorteil war, dass wir uns ohne Maske sehen konnten. Damit ist die Liste der Vorteile aber auch bereits zu Ende. Ein wichtiger Bestandteil des Gesprächs ist für mich das Zeigen und Besprechen von Arbeiten des Kindes. Dies war online nicht gut möglich.

Die Leitung eines schulisches Standortgesprächs mit Therapeuten, Förderlehrperson und Dolmetscher hat mich besonders herausgefordert. Ich spürte zu wenig, ob alle Beteiligten genügend zu Wort kamen und ihre Anliegen einbringen konnten. Ich hoffe sehr, dass die nächsten Gespräche wieder im Kindergarten stattfinden können.

Schnappschuss aus dem Kindergarten

Erst wurden die Schulen punkto Covid-19 als Risikofaktoren ganz aus dem Radar genommen, und nun nehmen die Unsicherheiten bezüglich Ansteckungsgefahren von Woche zu Woche zu. „Schulen offen lassen, Schulen sofort schliessen, Schulen zuletzt schliessen!“ hallt es von den Auguren mehrstimmig durch den Äther. Alle wissen es besser und alle sehen die Lösungen in der Kristallkugel. Woher nehmen Sie die Gelassenheit, in all den Kontroversen ruhig Blut zu bewahren?

Auch ich bin ständig in Unruhe, da jeder Tag eine Veränderung bringen kann. Wir sind mit Assistentinnen, Praktikantinnen, Kolleginnen in Kontakt, empfangen erkältete Kinder. Auch müssen wir damit rechnen, von einem Tag auf den anderen in Quarantäne geschickt zu werden. 

Was wünschen Sie sich von den Eltern, den politischen Instanzen und einer breiten Öffentlichkeit an Einsicht und Unterstützung? 

Die Pandemiezeit einmal ausgeklammert, wünsche ich mir, dass die Arbeit der Kindergartenlehrperson auf politischer Ebene mehr Anerkennung erfährt, was sich natürlich auch im Lohn niederschlagen muss. Von den Eltern erfahre ich sehr viel Wertschätzung. Die Wichtigkeit eines geglückten Starts in die Schullaufbahn ist vielen bewusst. 

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