Das Werk des vielfach ausgezeichneten, doch viel zu wenig bekannten Künstlers Claudio Moser ist im Kunstmuseum Solothurn zu entdecken.
Gegen Osten. Werke 1995 bis 2020 betitelt das Kunstmuseum Solothurn die breite Schau auf die Arbeiten von Claudio Moser. Kurator und Museumsleiter Christoph Vögele stellt einen Künstler vor, der sich ausgehend von seiner Ausbildung als Fotokünstler in vielfältigen Medien auszudrücken versteht.
Schon der erste Schritt in die Ausstellung macht es deutlich: An der linken Wand hängen grossformatige Fotografien, gegenüber sehen wir minimalistische Malereien auf grossen weissen Papieren, runde Formen, dazu farbige Streifen, die uns später wieder begegnen werden. Es sind Kontraste, die sich gut ergänzen. Wie als wollte der Künstler sagen: Es gibt die einfache klare Form, daneben die Vielfalt, klare Konturen und gleichfalls unscharfe, fliessende Eindrücke.
Ramat Ha’Negev, 2014/2015, Inkjet gerahmt,
105 x 73 cm, Edition 3
Es sind die Stimmungen, die Wahrnehmungen des Künstlers ebenso wie die der Betrachterin, auf die es ankommt. Zweitrangig sind die Namen der Landschaften, obwohl sie in jeder Betrachterin, in jedem Betrachter Assoziationen wecken.
Claudio Moser, 1959 in Aarau geboren, studierte in Genf an der École Supérieure d’Art Visuel, und zwar bei einem so renommierten Filmkünstler wie Francis Reusser. Schon früh wurde er für seine Arbeiten ausgezeichnet, was ihm ausgedehnte Aufenthalte unter anderem in Rom, in Paris, in New York, in Berlin und in Kanada ermöglichte. Eine gewisse Zeit verbrachte er in der Vallée de Joux, ein Aufenthalt in Israel war sowohl für seine Kunst als auch für seine Gesundheit sehr förderlich. Seit einigen Jahren lebt er mit seiner Familie in Genf. Wer die Fotografien und Videos genau anschaut und die Legenden dazu liest, wird einige Orte seiner Reisen wiedererkennen. Aber wie gesagt, Mosers Werke sind keine Reisetagebücher.
Die erwähnten Streifen auf den grossformatigen Papieren reduzieren sich später: Im vierten Saal hängen nur noch einzelne farbige Streifen (tape painting) von der Decke herab, ein wunderbarer Effekt: Durch einen kleinen Luftzug schaffen sie Bewegung und damit Leichtigkeit im Raum.
Autel, 2016, Acryl auf Papier, Leim und Karton,
80 x 108 x 67 cm
Mosers Arbeiten mit verschiedenen Materialien wirken wie eine Auseinandersetzung mit Schein und Sein: Im ersten Saal sehen wir zwei dicke Steinbrocken, einer auf einem Gestell, einer darüber an der Wand. Der unten ist wirklich ein Steinbrocken aus dem Val de Bagne, der andere ist täuschend echt aus papier maché gemacht– deshalb besteht keine Gefahr, dass er von der Wand fällt.
Ein ähnliches trompe-l’oeil findet die Besucherin im 5. Saal: Ein Altar, der wie ein Kultobjekt aus einer frühen orientalischen Hochkultur wirkt, aber aus Karton besteht und kupferfarben angestrichen ist. Die Erdenschwere, die dieser Gegenstand zu besitzen scheint, schafft eine Spannung zu den Fotografien, die in zwei Sälen je eine Wand füllen und von Bewegung erfüllt sind.
Diese in den Jahren 1995 – 1999 entstandene Fotoserie dedicated to the warmest flugelhorn tone – sie füllt zwei silbern gestrichene Saalwände – fasziniert besonders. Es sind grosse Bilder im Querformat, aus der fahrenden U-Bahn in New York heraus fotografiert. Wer aus dem Fenster eines schnellen Zuges schaut, kann vieles nur unscharf wahrnehmen. Diese Wirkung unterstreicht die Hängung: Das Format der Fotos erinnert an die Fenster der Subway, die Silberfarbe an die Bahnwagen aus Aluminium. Wiederum steht nicht der Gegenstand im Fokus, sondern die unmittelbare Wahrnehmung. – Könnte der Titel eine Anspielung auf das Signalhorn der U-Bahn sein, das, wie USA-Reisende wissen, häufig ertönt?
Rituximab, 2014, Öl und Tusche auf Papier, 40 x 30 cm
Claudio Moser experimentiert immer wieder mit dem bewegten Bild, mit Kurzfilmen und Videos. Da sind in zwei Monitoren walking meditations zu sehen, die seit 2000 auf seinen Reisen entstanden sind. Auch hier kommt es dem Künstler nicht auf spektakuläre Ansichten an, sondern wir folgen dem langsamen Gehen und dem Rhythmus des Atmens, denn die Kamera hatte Moser in Hüfthöhe befestigt.
Auf einem langen Tisch im nächsten Saal sind acht Monitore mit Kopfhörern angeordnet, wo die Besucherinnen und Besucher kurze Sequenzen anschauen können. Es geht wiederum nicht um eine Handlung, sondern eher um Einblicke in Lebenssituationen. Dabei hat auch der Humor seinen Platz: Ein Monitor zeigt ein Gitter, an dem offensichtlich alle Arten von Auto- und Motorradspiegeln zum Verkauf angeboten werden – und in diesen spiegeln sich vorbeifahrende Autos.
Filmbild Salame Road, 2011; Video 16:9, 9’27». Sound Design: Hanspeter Giuliani
(Foto mp)
Ein besonderer Höhepunkt bietet sich im letzten Saal: Ein kurzer 16mm-Film unter dem Titel elle et moi (entstanden 2020) wird im abgedunkelten Saal auf ausgeklügelte Art abgespielt. Zwei Projektoren werfen die Filmbilder auf zwei gegenüberstehende Projektionsflächen. Es ist aber nur ein einziger Filmstreifen, der mit einem gewissen Zeitabstand jeweils auf der einen und dann auf der anderen Leinwand erscheint. So beobachten wir, wie zwei Menschen sich begegnen, sich entfernen, stehen bleiben oder sich umdrehen. – Metaphern für Beziehungen, aufs Wesentliche reduziert.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn ist noch bis 24. Mai 2021 geöffnet.
Im ersten Stock wird eine kleine, aber faszinierende Schau von Gemälden gezeigt, die Schweizer Künstler während des 2. Weltkriegs geschaffen haben:
Krieg und (falscher) Frieden.
Titelbild: Bruce, 2015, Öl und Tusche auf Papier, 152 x 118 cm