Die Jahresausstellung der aktuellen Bündner Malerei, Fotografiem Video- und Objektarbeit findet, statt im Dezember, wegen Corona nun im März ihr Publikum.
Eigentlich sind die in vielen Kunsthäusern und -museen üblichen Werkschauen einheimischer Kunst jeweils um Weihnachten und Neujahr. Corona hat auch da neue Regeln geschaffen. Während einige der Ausstellungen es nur zu einer Vernissage brachten, die Kunstwerke also ohne Echo blieben, haben andere Häuser einfach abgewartet und ihr Ausstellungsprogramm der Not gehorchend angepasst. Als Beispiel einer späten und lohnenden Werkschau sei Chur genannt.
Saalaufnahme mit Werken von Mirko Baselgia, Florio Puenter und Sara Masüger (v.l.n.r.). Foto: Bündner Kunstmuseum
151 Bündner Künstlerinnen und Künstler, oder auch jene, die von irgendwo kommend im Kanton Graubünden wohnen, haben sich für die Jahresausstellung beworben, 46 dürfen ihre Werke noch bis zum 28. März im Kunstmuseum zeigen. Juriert haben Zilla Leutenegger und Dominik Zehnder, beide Bündner Kunstschaffende, Simona Ciuccio vom Aargauer Kunsthaus sowie zwei Vertreter des Bündner Kunstvereins. Und – wie gewohnt in dem grossen Ausstellungsraum des Kunsthaus-Neubaus macht die gescheite Präsentation der Werke und Werkgruppen Freude, animiert zum Spaziergang zwischen den einzelnen Bildern, Videos und Objekten.
Guido Baselgias Bilder aus der Camera Obscura
Zum Beispiel die Belichtungen aus der Camera Obscura auf dem Berninapass, die Guido Baselgia auf Barytpapier in schwarz-weiss festgehalten hat. Nein, da gibt es keine Pixel, das sind die Schrunden und Flächen der Berge, wie sie sich darstellen, da ist nur Helldunkel. Die Bilder sind auf der Totalen wiederzufinden, dort wird auch klar, dass was sonst oben, hier unten ist. Vielleicht kann dieser noch neue Ort einer speziellen Kunstinstallation im Sommer besucht werden.
Lärchennadelkugeln vom Silsersee – Duos cullas dal lej da Segl, mit einer Raumkamera belichtet von Daniel Meuli.
Mit den Möglichkeiten der Optik haben auch andere Künstler experimentiert. Der grossformatige schwarzweisse Blumenstrauss von Florio Puenter, an barocke Stilleben erinnernd, die knallbunte Installation zum WEF in Davos von Jules Spinatsch, weniger plakativ, aber anregend die experimentellen Prints von Esther Vonplon oder Gaudenz Signorell.
Hannes Vogel: Weiter oben – weiter unten, 2020
Wer in Mittelbünden zuhause ist, lebt entweder nördlich oder südlich vom Piz Beverin, dem wohl bekanntesten Knappdreitausender mit Aussicht vom Bodensee bis zum Matterhorn. Zwei Arbeiten sind dort entstanden, einerseits die Acrylmalerei Weiter oben – weiter unten des über 80jährigen Hannes Vogel aus Mathon, der den Blick vom Atelierfenster übers Tal zum Curver zeigt, konkret und figürlich zugleich, andererseits der dreiteilige Mehrfachdruck des Holzschnitts von der Präzer Höhi mit der Beverin-Kette von Julia Barandun aus Tartar.
In Notta Caflischs Porzellankiste steckt gesellschaftskritische Brisanz.
Notta Caflischs Netto ist eine Installation mit viel teils zerschlagenem Porzellan – alle in der Manier von Delfter Geschirr mit Kobaltdekor: Aus der Versandkiste mit Holzwolle ergiesst sich ein Panoptikum an blauen Kaufanreizen, Protestbildern und Wirtschaftssujets aller Art, teilweise rassistisch, teilweise gewalttätig: Folgen des Kolonialismus und der Klimazerstörung.
Mit drei Werken ist auch Heiner Kielholz vertreten, da sind seine Murmeltiere – gestaltet aus Abfallholz, oder das Segantini nachempfundene Naturbild – mit sich kreuzenden Kondensstreifen, oder das Holzsstück mit den ornamentalen Schwalben.
Saalaufnahme mit Werken von Venice Spescha und Georg Tannò (v.l.n.r.). Foto: Bündner Kunstmuseum
Das ein paar Beispiele aus den 46 Positionen. Fast verpassen könnte man Gerber/Bardills Arbeit 1000 Mäuse. Das amüsante Video versteckt sich am Boden hinter der schmalen Treppe ins Obergeschoss.
1000 Mäuse – Aufnahme aus dem Video von Gerber/Bardill
Den Kunstpreis des Bündner Kunstvereins haben das Duo Frölicher/Bietenhader für ihre Installation CRUSH bekommen. Sie ist im Labor des Neubaus eingerichtet und fasziniert im Halbdunkel mit Farb- und Lichteffekten, die eine verzauberte Fantasiewelt der Vergänglichkeit des digitalen Speicherns erleben lässt. Denn Ausgangspunkt waren jahrelang nicht beachtete Speichermedien mit Elementen der Arbeit Juxtapositions (2014), die sich teilweise zersetzt hatten.
Titelbild: Teil der Lichtinstallation CRUSH (2020) von frölicher/bietenhader. Foto: Bündner Kunstmuseum
Fotos: E. Caflisch
Bis 28. März
Bündner Kunstmuseum Chur, Jahresausstellung