Behutsame Öffnungsschritte, kleine Formate und 50 Zutritte, das ist für das Opernhaus Zürich noch nicht das Gelbe vom Ei, aber es ist ein Anfang und weckt Appetit auf mehr. Das Internationale Opernstudio (IOS) machte in Winterthur den Anfang mit einer adaptierten Donizetti-Buffa.
Vor 60 Jahren wurde das Internationale Opernstudio aus der Taufe gehoben und für den Sänger- und Opernnachwuchs zur Erfolgsgeschichte. Gwyneth Jones z.B. gehörte 1961 zur ersten Garde, sang bereits ein Jahr später am grossen Haus und begründete in Zürich ihre Weltkarriere. Aufnahme finden bereits gut ausgebildete Sängerinnen und Sänger, welche das IOS als Sprungbrett an internationale Bühnen nutzen. Sie erhalten ihren letzten Schliff in Stimmbildung und Gestaltung, können wertvolle Erfahrungen sammeln und sich in kleineren Partien und in mehreren Sprachen auch mit den arrivierten Protagonisten messen.
Lina Dambrauskaité als Primadonna und Andrew Moore als Mamma Agata im Furor / Fotos © Herwig Prammer
Das wird mit diesem Jahrgang nicht anders sein, beeindruckte an der Premiere im Theater Winterthur doch das jugendliche Ensemble durch ein insgesamt gereiftes gesangliches Rüstzeug. Stachen in früheren Jahren eher die Damen obenaus, konnten sich nun einige Herren bravourös in Szene setzen. Vor allem die Titelfigur in Gaetano Donizettis komödiantischer Spieloper „Viva la mamma“ war eine echte Entdeckung. Dem amerikanischen Bass-Bariton Andrew Moore ist eine steile Karriere zuzumuten, verfügt er doch über beachtliche Stimmmittel, besitzt ein untrügliches Timing, schäkert augenrollend mit dem Publikum und zeichnet seine schalkhafte Buffo-Partie in jeder Hinsicht überzeugend. Allein ihn zu erleben, lohnt schon der Besuch in Winterthur. Ähnliche Qualitäten offenbarten auch die quirlige litauische Sopranistin Lina Dambrauskaité, der chinesische Bariton Xiaomeng Zhang, und auch der Zürcher Luca Bernard (ehemals Zürcher Sängerknabe) dürfte seinen Weg machen.
Italienisches Potpourri unter deutscher Fuchtel
Nein, das konnte nicht gut gehen. Die Schweizer Regisseurin Mélanie Huber hatte zusammen mit Stephan Teuwissen die Idee, die 1827 komponierte, unvollendet gebliebene Opera buffa „Le convenienze ed inconvenienze teatrale“ oder auch „Viva la mamma» neu einzurichten und mit Gaetano (Donizetti) einen Schauspieler als verbindende Klammer einzusetzen. Damit sollte das mit weiteren Arien angereicherte Puzzle von einer blossen Nummernfolge in einen kohärenten Ablauf integriert werden. Wenn dieser Gaetano (Fritz Fenne) dann aber mit einem eckig-platten Deutsch-Text daher säuselt und berserkert, um die Freude über seine Geniestreiche oder den Unmut über den missglückten Vortrag kundzutun, dann kommen mit der italienisch gesungenen Oper zwei Welten zusammen, die auf ewig inkommensurabel bleiben werden.
Mamma Agata amüsiert sich köstlich über den Komponisten Gaetano (Fritz Fenne)
Sobald die Musik Fahrt aufnimmt, entsteht das typisch reizvolle Belcanto-Fluidum, und wenn wieder gesprochen wird, zerfallen die Auftritte in ihre Einzelteile. Das Regiekonzept wird dadurch zum Korsett, das mehr erstickt als freilegt. Als einziges Requisit wird von vorne, von hinten und auch mal quer um einen überdimensionierten Ohrensessel gebalgt. Ja, Betriebsamkeit ist nicht automatisch lustig, die moussierende Seele bleibt immer wieder auf der Strecke.
Adrian Kelly, der neue Leiter des IOS, versteht am Pult sein Metier, aber das Musikkollegium lässt den Donizetti-Schmiss oft auch beiseite und changiert zwischen Trockeneis und betulicher Langeweile. Natürlich ist das Spielen mit Maske nicht sonderlich inspirierend. Aber der Nachwuchs verdiente es mit seinen gesanglichen Qualitäten, sich eine der noch folgenden Aufführungen anzuhören.
Weitere Vorstellungen: Mai 12, 14, 16, 19 je 19.30 Uhr
Premierenhinweis Opernhaus: «Die Geschichte vom Soldaten»
Donnerstag, 13. Mai, 19 Uhr feiert Igor Strawinskys musiktheatralisches Meisterwerk «Die Geschichte vom Soldaten» für zwei Schauspieler und sieben Musiker*innen Premiere auf der Bühne des Opernhauses.
Martin Zyssset (Soldat) und Ruben Drole (Erzähler) in der Inszenierung von Andreas Homoki / Foto © Toni Suter
Geschrieben wurde das «Bühnenstück» vor rund 100 Jahren während des Ersten Weltkrieges und der damals grassierenden Spanischen Grippe. Während die Grenzen geschlossen waren und das öffentliche Leben lahmgelegt, entwickelte Strawinsky in den Jahren seines Schweizer Exils gemeinsam mit dem Dirigenten Ernest Ansermet und dem Dichter Charles Ferdinand Ramuz die Idee eines Theaters der bescheidenen Mittel, das als Wanderbühnenformat auf Märkten und in schlichten Sälen aufgeführt werden sollte. In dieser Situation, als Gebot der angespannten finanziellen Situation, aber auch der neuen «Ästhetik der Einfachheit» legte Strawinsky sein musikalisches Märchen so schlicht und klein-besetzt wie möglich an und schuf eine Form, die sich zwischen Märchenerzählung, Moritatenvortrag, Schauspiel und Instrumentalkonzert bewegt. Erzählt wird die Geschichte vom Pakt eines Soldaten mit dem Teufel und von der Kraft der Leben und Liebe spendenden Musik. Musikalisch handelt es sich um eine Mischung aus Tango, Pastorale, Marsch, Walzer, Ragtime und Choral, in der aber nichts ist, wie es sein sollte.
Dass weiterhin lediglich 50 Besuchende Zugang haben zu Opernhaus, Tonhalle Maag, KKL und z.B. auch dem Dom St. Gallen, die Kontingente von über 1’000 Plätze aufweisen, wird zunehmend als Willkür empfunden. Will mir jemand weismachen, weshalb kleine Säle und Kirchen die gleiche Anzahl an Sitzplätzen vergeben dürfen? Solche Zuteilungen mit dem Rasenmäher sind nicht mehr zu goutieren und drangsalieren die Kultur über alle Massen.
Weitere Vorstellungen: Mai 14, 15, 16 je 19 Uhr