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Der Literaturmarkt als Stream

Die 43. Solothurner Literaturtage zwischen Kreuz und Landhaus bleiben ein weiteres Mal ein Traum. Nicht dass das beliebte Literaturfest am Auffahrtswochenende abgesagt wäre, nur ist es vorwiegend eine Online-Veranstaltung.

Das Programm – erstmals mit dem neuen Geschäftsführer Dani Landolf – ist für Leseratten und Literaturinteressierte, Buchhändler und Verlegerinnen, Übersetzerinnen und Veranstalter üppig bestückt, denn die Solothurner Literaturtage sind mehr als die gültige jährliche Werkschau der Schweizer Literatur: 80 Namen von Schreibenden, Sprechenden, Singenden, Übersetzenden, Vermittlerinnen und Vermittler von Literatur aus dem In- und Ausland stehen im Programm.

Viel technische Vorbereitung für viele Veranstaltungen. Hier der Aufbau im Landhaus. Foto: © fotomtina

Zur Einstimmung gab es gestern als Gratis-Online-Veranstaltung einen Film zur Verleihung der Schweizer Literaturpreise durch das Bundesamt für Kultur samt der Möglichkeit, Frédéric Pajak kennenzulernen, der mit dem Grand Prix Littérature 2021 ausgezeichnet wurde. Er liest morgen um 15 Uhr live aus dem Solothurner Literaturtage-Studio. Geschäftsleiter Dani Landolf, der offiziell die Verantwortung hat, sagt zu der neuen Technik: «Wir machen Literaturfernsehen und -radio – nicht unser Kerngeschäft,» dennoch ist er zuversichtlich, dass das Streaming pannenfrei ablaufen wird, weil die technische Equipe hervorragend sei.

Dank farbigem Licht und guter Tonanlage sollen hier im Stadttheater 50 im Publikum und hoffentlich Tausende daheim hier Spoken Poetry und Konzerte geniessen. © fotomtina

Aber das Kerngeschäft läuft ebenso: Wer einen Auftritt hat, reist nach Solothurn. So sind wenigstens die vermissten Begegnungen an der Aare zwischen Dichterinnen und Moderatoren, Autoren und Jurymitgliedern möglich, und Dani Landolf freut sich nach langer Pandemie-Pause auf ein Wiedersehen beispielsweise mit Zora del Buono, oder aufs Kennenlernen: «Flavio Steimann werde ich erstmals sehen.» Steimann (75) stellt seinen Roman Krumholz vor, eine Geschichte vom alles anderen als idyllischen Landleben vor 100 Jahren, verfasst in kräftiger, zeitloser Sprache. Die Lesung findet als Audiostream am Samstag um 16 Uhr statt.

Die Werkschau fokussiert stark auf Frauen, die wohl berühmtesten und auch international gut besprochenen Bücher schrieben im vergangenen Jahr Melitta Breznik, Gertrud Leutenegger und Dorothee Elmiger. Breznik arbeitet in Mutter.Chronik eines Abschieds ihre Sterbebegleitung literarisch auf, Leuteneggers Späte Gäste erzählt vom Erinnern und vom Tod und Elmiger erzählt in Aus der Zuckerfabrik von unermesslich vielem, was sich an süssem und schrecklichem Begehren in Geschichte, Literatur und Leben ereignet hat.

Und die Stars der heimischen Szene namens Pedro Lenz, Endo Anakonda oder auch die Rapperin KT Gorique – ivorisch-italienische Wurzeln, aufgewachsen im Welschland – sind dabei, letztere beide mit Konzertauftritten im Stadttheater. Das sind zwei der zehn Veranstaltungen, bei denen je 50 Menschen live dabei sein können: «Wir haben seit Monaten alles online geplant, bis vor drei Wochen die neueste Lockerung kam,» sagt Landolf. Die zehn performativen Aufführungen seien nicht repräsentativ für die Solothurner Literaturtage, aber im Theater gebe es die beste Infrastruktur für den Einlass und nummerierte Plätze. So können wenigstens 500 Fans je einmal im Theater sitzen und Balts Nill, Trummer oder eben Anakonda auf der Bühne sehen.

Den vielen weiteren Sprachen, die in unserem Land in literarischen Texten verwendet werden, hat die WOZ ihre Beilage im März gewidmet.

Solothurn ist ein Ort der Mehrsprachigkeit. Übersetzen ist wichtig, und alle Landessprachen sind vertreten, in der Abteilung Lyrik beispielsweise für deutsch die weitgereiste Luzerner Poetin Leonor Gnos, für italienisch die Dozentin und Übersetzerin Prisca Agustoni, für französisch Pierre Vinclair und für rätoromanisch Gianna Olinda Cadonau mit ihrem zweisprachig publizierten Gedichtband.

Die Schweiz hat freilich viel mehr als vier Landessprachen. Hier leben und schreiben viele, deren Stammlande weit entfernt liegen, literarische Texte in ihrer Muttersprache, oder arbeiten an Übersetzungen für uns. Ihnen und ihren Landessprachen gilt ein besonderes Augenmerk: Eingeladen sind die Ukrainerin Halyna Petrosanyak, seit 2016 in der Schweiz, der Tamile Yoharaja Alvar Gasinathar und aus Ex-Jugoslawien Mićo Savanović und Jagoda Šimac Despotović.

Aber die 43. Literaturtage bieten nebst Lesungen mit Gesprächen viele weitere Formate wie Diskussionen und Workshops. Diese haben limitierte Teilnehmerzahlen, aber alles sei noch nicht ausverkauft, heisst es aus dem Büro. Dort herrscht auch Freude, weil einige der ausländischen Gäste nach Solothurn reisen können, also nur wenige per Video oder Audio in ihrer Studierstube zuhause abgeholt werden müssen. Vielleicht noch einmal ein Name Dropping: Die Kroatin Lana Bastašić, welche Writer in Residence des Zürcher Literaturhauses ist, stellt zusammen mit ihrer Übersetzerin Rebekka Zeinzinger ihren Roman Fang den Hasen vor.

Alles bereit fürs Streaming der Eröffnungsveranstaltung am 13. Mai punkt 18 Uhr. Foto: © fotomtina

Und heute Abend um sechs Uhr geht es mit der Eröffnung los: Die Gäste und alle Stream zuhause werden von Kurt Fluri, Nationalrat und Stadtpräsident begrüsst. Zur Eröffnung gibt es literarische Amuse Gueules von Prisca Agustoni, Gianna Olinda Cadonau, Wagdy El Komy, Muriel Pic, und Beat Sterchi.

Da nur ein handverlesenes Publikum live dabeisein kann, ist doch der Video- oder Audiostream im aufblühenden digitalen Zeitalter gerade richtig. Sich mit dem Tablet, dem Laptop und dem Kopfhörer bei Bedarf entspannt hinsetzen und die Lesung einer Autorin mit besten Kritiken, eines Schriftstellers mit seinem Erstling oder eines Spoken-Word-Poeten geniessen, kann mehr sein als ein Ersatz für die Reise an die Aare. Gratis kann man die Preisverleihung des Kinder- und Jugendbuchpreises und des Solothurner Literaturpreises an Iris Wolff erleben, mit Dauerkarte kann einem hören und sehen drei Tage lang nicht vergehen, aber dazwischen gibt es zum Auflockern auch schräge Formate. Wie wäre es, bei Turnen mit Büchern mitzutun?

Zuvor heisst es aber die Tages- oder die Festivalkarte kaufen – natürlich online. Auf der knallbunten Homepage findet man sich nach relativ kurzer Zeit zurecht. Noch knalliger und in allen Bonbonfarben, aber nicht unbedingt handlicher ist das gedruckte Programm. Die riesige Festivalzeitung ist alles andere als lesefreundlich, besonders wenn wie das Editorial weiss auf silbergrau gedruckt wird. Aber auffallen wird der grafische Auftritt im allgemeinen und die Gazette im Besonderen.

Spaziergang in der Heimatstadt zum Auftritt bei den Literaturtagen: Urs Jaeggi 2016. Foto: Eva Caflisch

Einer der berühmtesten Solothurner, der neben Romanen und Essays auch bildender Künstler und prägender Soziologe war ist der im Februar verstorbene Urs Jaeggi. Ihm widmet das Künstlerhaus eine Ausstellung (bis 13. Juni) und in der Stadt Solothurn gibt es ein Revival seiner Tafeln mit Wortfragmenten, die er für die Literaturtage 2001 gestaltet hatte.

Solothurner Literaturtage
Künstlerhaus Solothurn: Erinnerung an Urs Jaeggi
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