StartseiteMagazinKulturNur kein Corona-Roman

Nur kein Corona-Roman

Die 43. Solothurner Literaturtage sind vorbei. Die Feuertaufe ist bestanden: Das Festival mit Lesungen und Diskussionen ist online wirklich gelungen.

Ein von Glücksgefühlen überschwemmter Dani Landolf schloss die 43. Solothurner Literaturtage mit der Dankesrede von rund einer Viertelstunde ab. Kürzer ging es nicht, so vielen Menschen nebst dem treuen Publikum und den eingeladenen Literaten, Dichterinnen, Übersetzern, Moderatoren und Musikerinnen war zu danken. Es waren seine ersten Literaturtage als Geschäftsleiter und trotz der pandemischen Einschränkungen und Umdispositionen hat schliesslich alles gut geklappt.

Fast wie beim grossen Fernsehsender: Blick in die Bildregie

Gleich zu den ersten Lesungen unter anderen mit Beat Sterchi, der in seinem Buch Capricho erzählt, wie man Gärtnern und Schreiben unter einen Hut bringt, waren die Server überlastet, weil niemand mit so viel Zuspruch gerechnet hatte. Rund 11’000 waren insgesamt in den drei Tagen mit Dauerkarte oder Einzelticket eingeloggt, schauten sich im Videostream Gespräche übers Bücherschreiben unter Corona-Bedingungen oder über das Comiczeichnen an, hörten den neuesten Songs von Endo Anaconda (Standarddeutsch!) zu, diskutierten auf Anmeldung in einer Zoomkonferenz beispielsweise über Literaturkritik mit oder liessen sich im Audiostream von dieser oder jener Lesung bezaubern oder auch mal verärgern.

Comic-Lesung mit Jan Bachmann, Autor, und Moritz Bachmann, Musik.

150 einzelne Veranstaltungen waren es übers Auffahrtswochenende – nicht mitgezählt die Preisverleihung des Bundesamts für Kultur am Mittwoch an Frédéric Pajak, der selbstverständlich mit einer Lesung und bei einem Club-Format präsent war und somit vielleicht erstmals einem Publikum jenseits des Röstigrabens sein Werk bekannt machen konnte.

Wie sehr sich die Literatinnen und Autoren freuten, dass sie ihre Bücher, die teilweise schon fast im Shutdown-Grab gelandet waren, endlich einem grossen Publikum vorstellen konnten, übertrug sich trotz Pixel-Format auf jene, die zuhause am Laptop oder Smartphone zuschauten und zuhörten. So kam auch die Solothurner Preisträgerin vom vergangenen Jahr, Monika Helfer, endlich nicht nur zur Laudatio samt Blumenstrauss, sondern auch zu einer der besonders eindrücklichen Lesungen, weil die Einreise in die Schweiz möglich war.

Nenad Stojanović, Elisabeth Bronfen, Jonas Lüscher, Maria Stepanova (zugeschaltet aus Russland) Heisse Diskussion um Populismus und Demokratie unter Druck

Was vor Jahrzehnten schon die oft witzig-hintergründigen und farbigen Plakate versprachen, die dezenten, fast nicht existenten Dekors der Leseorte jedoch nicht einhielten, hat die Grafik nun eingelöst: Das Frischfrohfarbige ist auf den Bühnen präsent – mit frechen Paneelen, gestreiften Bodenbelägen und wo nötig einer Lightshow, die an ein viel wilderes Fest denken liesse. Aber Literatur kann wilde Nachwirkungen haben, sofern man sie aus den Buchstaben ins Bewusstsein holt. Und das Buch als Objekt zum Mitnehmen hat noch lange nicht ausgedient. Bei einem Mediengespräch wurde klar, dass sich das e-Book nicht durchgesetzt hat.

Ein spezielles Format fürs Online-Publikum war «Turnen mit Büchern»: hier mit den Vorturnerinnen Susanne Kunz und Ilona Kannewurf.

Ebensowenig wird es in absehbarer Zeit einen literarischen Corona-Roman geben. Zwar hat der grosse Tessiner Autor Alberto Nessi ein Tagebuch aus dem ersten Lockdown vorgelegt, aber das habe mit seinem Leben und seinen Lektüren zu tun, und Gertrud Leutenegger wollte des Moderators Frage, wie denn die Literatur an die Aktualität herangeführt werden könne, als total absurd nicht verstehen. «Jedes Werk, das aus der Mitte der Existenz geschrieben ist, fällt auch in die Mitte der Welt,» sagte sie und lehnte mit Nessi und Martina Clavadetscher entschieden ab, einen Corona-Roman zu schreiben.

Spoken Word: Stahlberger und Bit-Tuner in Hochstimmung – endlich wieder live!

Ausgerechnet bei dieser in der Stadt Solothurn selbst fast unsichtbaren Ausgabe der Literaturtage gelang es, Feste zu feiern, mit Anaconda oder mit Stahlberger, und Bit-Tuner rockte das Theater, obwohl nur wenige live in den Rängen sitzen durften, auch die Magie des Rap von KT Gorique aus dem Welschland mit ivorisch-italienischen Wurzeln fuhr direkt vom Bildschirm ins Hirn. Endgültig zu den literarischen Formaten zählen also Spoken Word und Graphic Novel. An eine gezeichnete Geschichte ging auch der ebenfalls in Solothurn verliehenen Jugend- und Kinderbuchpreis. Weiter so, Solothurner Literaturtage, aber bitte, wieder mit Flanieren an der Aare und Gedränge bei den Lesungen.

Titelbild: Gespräch über Mütter in der Literatur mit Melitta Breznik und Elke Heidenreich. Moderation: Anuschka Roshani (© fotomtina)
Sämtliche Fotos: © fotomtina
Die 44. Solothurner Literaturtage finden vom 27. bis 29. Mai 2022 statt.

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