Zurzeit ist weniger vom Rösti-Graben die Rede, andere Schweizer Gräben werden ausgemacht: der Impf-Graben, der Stadt-Land-Graben, die Grün-Rot-Grabenkämpfe gegen bürgerliches Gedankengut. Wohin die Reise?
Zuhören war gestern. Wer sich profilieren will, sucht in jüngster Zeit weniger das Gemeinsame, das Einende. Nein, das Trennende, das Spaltende bringt viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit und mediales Gehör. So lange sich die Schweiz auf die sinnstiftende Kompromisskultur, den unbedingten Willen zum Konsens und faire Diskursdebatten verstand, so lange konnten sich Gewinner und Verlierer per Handschlag in die Augen sehen und das Volksverdikt akzeptieren. Nun scheinen Unversöhnlichkeit und gegenseitige Verachtung zunehmend Oberhand zu gewinnen, mit dem Resultat, dass am Ende alle zu den Verlierern zählen.
Der Spaltpilz zwischen Impf-Befürwortern und Impf-Gegnern offenbart ein schon fast kindisches Gezänk um die Deutungshoheit, die der Eindämmung der Pandemie zugemessen wird. «Wir hätten es in der Hand, die Epidemie zu beenden», ist Martin Ackermann, Präsident der Covid-19-Task Force, überzeugt. Doch unser Land hinkt mit der tiefsten Impfquote in Westeuropa einer gewünschten Immunisierung hinterher. Nur osteuropäische Länder, denen ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Staatsgewalt inne wohnt, haben noch tiefere Quoten. Am tiefsten ist die Impfbereitschaft in den Balkanstaaten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sich viele Zugezogene aus diesen Herkunftsländern auch bei uns nicht impfen lassen.
Schweiz und Liechtenstein
Personen mit mind. 1 Impfdosis: 54,48%
Vollständig geimpft | 4 199 690 | 48,58% |
Teilweise geimpft | 509 817 | 5,90% |
Das Bundesamt für Gesundheit BAG kommuniziert: Stand der Impfungen per 4. August 2021
Zu den Impf-Skeptikern zählen aber auch Querdenker, Wissenschaftsleugner, Verschwörungsapostel, sog. Verfassungsfreunde und nicht zuletzt naturheilkundlich und religiös Motivierte. Viele Landkantone würden Corona am liebsten mit Treicheln, Folkloreumzügen und pseudo-patriotischen Sprüchen den Garaus machen. Die Parteienstatistik zeigt, dass von der SVP lediglich 26% und von den Grünen 55% Impfbefürworter sind, die anderen Parteien zeigen Zustimmungen zwischen 66 und 71%. Das bedeutet leider, dass wir im Winterhalbjahr der vierten Welle wohl kein Schnippchen schlagen können. Folglich werden wir weitere Einschränkungen erdulden und weitere Covid 19-Tote betrauern müssen, weil das Schwadronieren über diktatoriale Züge des Schweizer Rechtstaats liberalen Freigeistern allzu unbedacht über die Lippen kommt. Die allseits beschworene Solidarität hat trotz wissenschaftlicher Evidenz und bundesrätlicher Glaubwürdigkeit die Zerreissprobe nicht bestanden, weil die sture Besserwisserei zu eigentlichen Glaubenskriegen geführt hat.
Dörfchen im Nirgendwo versteht die Städter nicht mehr / Bilder © pixabay
Damit ist auch der von der SVP angeheizte Stadt-Land-Graben angesprochen. Sie fährt mit ihren Exponenten scharfes Geschütz auf. SVP-Präsident Marco Chiesa posaunte an seiner 1.August-Rede: «Wir sagen diesen links-grünen Wohlstandsverwahrlosten den Kampf an.» Auch die Nationalräte Thomas Aeschi und Thomas Matter nahmen die Städte ins Visier. Matter: „Wir zielen nicht auf die Städte als Städte, sondern auf die Luxus-Sozialisten in den Städten.“ Er weiss auch, dass die Stadt Zürich pro Kopf zehnmal so viel Geld für Kitas ausgebe wie ländliche Gemeinden. Und dies, obwohl in der Stadt mehr Teilzeit gearbeitet werde als auf dem Land. Eine konzertierte Aktion? Die Ablehnung des CO2-Gesetzes und der Agrarinitiativen sind laut Chiesa zumindest Indiz für eine zunehmende Entfremdung zwischen Stadt und Land.
Die Zürcher Altstadt an der Limmat: Was braut sich da zwischen Stadt und Land zusammen?
Dass sich die mehrheitlich rot-grün regierten Städte derzeit so gebärden, als sei ihnen jedes Mittel recht, die bürgerliche Minderheit zu provozieren und selbst die Legalität nach ihrem Gusto zu interpretieren, zeigt Zürich im Wochentakt. Klimaaktivisten konnten z.B. die Stadionbrache auf dem Hardturm dazu nutzen, im Rahmen einer illegalen, aber bereitwillig geduldeten Aktionswoche die Zugänge der UBS und der CS auf dem Paradeplatz zu verbarrikadieren. 200 Protestler ketteten sich an Ölfässer und Velos, um sich daraufhin von einem polizeilichen Grossaufgebot wegtragen zu lassen. Trampassagiere hatten das Nachsehen und Bankmitarbeitende gelangten nur via Hintereingänge an ihre Arbeitsplätze. Der Applaus von links-grün war ihnen sicher, und der grüne Stadtratskandidat Dominik Waser, der bereits die illegale Besetzung des Bundesplatzes mitorganisierte, unterstützte auch diese fragwürdige Aktion aktiv.
Wahltag ist Zahltag, heisst es. Es ist zu hoffen, dass die Zürcher Stadtratswahlen 2022 sowie die Parlamentswahlen 2023 die Radikalisierten, welche die Aushöhlung der Demokratie stets mit Notrecht legitimieren, wieder etwas in die Schranken weisen und der Konfrontation gegenüber der Kooperation die Spitze brechen.