StartseiteMagazinKulturDie vielseitige Kunst der Meret Oppenheim

Die vielseitige Kunst der Meret Oppenheim

Das Kunstmuseum Bern besitzt weltweit die umfangreichste Sammlung der Werke von Meret Oppenheim und zeigt nun rund 200 Werke, ergänzt durch 100 Zeichnungen im Graphischen Kabinett des Kunstmuseums Solothurn.

«Wohin Meret Oppenheim kam, immer stand sie schnell im Zentrum eines Kreises von Künstlern, liess sich beeinflussen, inspirierte ihre Freunde», erklärte Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern sowie des ZPK, in ihrer Einführung. Sich in Freundschaft auszutauschen und Beziehungsnetze zu knüpfen, wie mit einer Aura hatte sie sich damit seit ihrer Jugend umgeben. Dafür musste sie sich Schritt für Schritt in ihrer Kunst entwickeln und – entgegen dem Zeitgeist – Selbstvertrauen aufbauen.

Diese Ausstellung ist ein weitausgreifendes Projekt: In Zusammenarbeit mit der Menil Collection in Houston / Texas und dem Museum of Modern Art in New York präsentiert das Kunstmuseum Bern als erste Station eine transatlantische Retrospektive der Werke von Meret Oppenheim. Die Ausstellung von Zeichnungen in Solothurn bildet dazu eine wertvolle Ergänzung.

Der grüne Zuschauer, 1959. Öl auf Lindenholz mit Kupferblech 166 x 49 x 15 cm. Kunstmuseum Bern. Foto: Peter Lauri, Bern  © 2021, ProLitteris, Zurich

Das aktuelle Konzept bezieht sich auf eine Ausstellung in der Berner Kunsthalle 1984, deren Gestaltung auf die Künstlerin zurückgeht. Den Titel Mon exposition setzte Meret Oppenheim selbst über eine Reihe von Skizzen, die eine mögliche Präsentation vorlegte. – Es war ihr wichtig, aktiv an der Vorbereitung der damaligen Gesamtwerkschau teilzunehmen, und sie rang darum, ihre Absichten einzubringen. Nicht leicht für eine Frau! Es war, wie Nina Zimmer erzählte, auch schon vorgekommen, dass «M. Oppenheim» als «Mister Oppenheim» verstanden wurde. Dabei war sie alles andere als stur. Sie notierte nämlich zu der von ihr ausgearbeiteten Auswahl und Anordnung ihrer Werke: «Eine von mehreren Möglichkeiten». Stets blieb sie offen für Neues, neugierig, auch die Tagesaktualitäten interessierten sie. So schuf sie nach einer Mondlandung der Amerikaner ein Bild mit dem Titel: «Endlich Nachricht von unseren Astronauten!»

Die Berner Ausstellung ist chronologisch geordnet, auf die Pariser Jahre folgt die Periode in Basel, wohin sich Meret Oppenheim zurückziehen musste, als sich abzeichnete, dass das Leben für sie als Jüdin und Ausländerin in Paris schwierig wurde. In Basel eignete sie sich künstlerische Techniken an, besuchte die (damalige) Kunstgewerbeschule, wurde Restauratorin, fühlte sich aber in einer lähmenden Schaffenskrise, obwohl sie – wie es ihrem Charakter entsprach – dort auch eine Gruppe fand: die Gruppe 33, zu der auch viele Frauen gehörten. Erst 1954 fühlte sie sich befreit und entwickelte neue Kreativität, neue Schaffensformen.

Ma gouvernante – my nurse – mein Kindermädchen, 1936/1967. Metallplatte, Schuhe, Schnur und Papier. 14 x 33 x 21 cm. Moderna Museet, Stockholm. Foto: Albin Dahlström © 2021, ProLitteris, Zurich

Wer durch die Säle geht, erkennt die Vielseitigkeit der Künstlerin, erkennt ebenso, dass sie gewisse Motive immer wieder aufnimmt: Wolken, Vögel, Traumbilder, Bäume; dunkle, melancholische Szenerien, die sehr modern wirken. Oft scheinen Witz und Humor durch, auch in düsteren Bildern. Als sie in Basel lebte, schuf sie Fasnachtslarven. Sie spielt ebenfalls gern mit erotischen Elementen, stellt sie in einen lustig-witzigen Kontext. Hier ein ikonisches Werk aus ihrer Pariser Zeit: Ma gouvernante – my nurse – mein Kindermädchen. Nur ein Blick darauf genügt, um ins Schmunzeln zu geraten; die mit Papiergirlanden geschmückten und zugleich verschnürten Absätze regen die Fantasie an.

Husch-husch, der schönste Vokal entleert sich, M.E. par M.O., 1934 Öl auf Leinwand 45,5 x 65 cm Sammlung Bürgi, Bern Foto: Roland Aellig, Bern © 2021, ProLitteris, Zurich

Das Werk Husch-husch, der schönste Vokal entleert sich. ME par M.O., zuerst 1934 entstanden, hat eine aussergewöhnliche Geschichte. Meret Oppenheim beendete damit ihre ungefähr einjährige Beziehung zu dem Surrealisten par excellence Max Ernst, den diese Trennung schmerzte. Schon die junge Meret hatte erkannt, dass sie sich neben einem Max Ernst nicht hätte eigenständig entwickeln können.

Es zeichnet Meret Oppenheim aus, dass es ihr schon früh bewusst wird, dass sie bei aller Zugewandtheit Weite und Freiheit für sich braucht. 1975 kann sie es bei der Verleihung des Basler Kunstpreises klar formulieren: «Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen.» Dass sie stets viele Freundschaften pflegt, insbesondere später andere Künstlerinnen unterstützt, steht dazu nicht im Widerspruch.

Margrit Baumann: Meret Oppenheim in ihrem Atelier, 1982. Fotografie, Barytabzug, selengetont 18,4 x 27,7 cm Kunstmuseum Bern, Bernische Stiftung für Foto, Film und Video © Margrit Baumann

Ihr gelassener Umgang mit ihrem Werk zeigt sich im Umgang mit dem erwähnten Husch-husch». Das Bild blieb in Paris, als sie sich nach Basel flüchtete. Später fand es eine Freundin bei einem Bouquinisten, verblasst und mit verwaschenen Farben, fast nur an der Schrift kenntlich. Meret Oppenheim nahm ihr Werk zurück und gestaltete es neu. Wir wissen nicht, ob sie es einfach restaurierte oder ganz neu schuf.

Eichhörnchen, 1960/1969 Bierglas, Schaumstoff und Pelz 21,5 x 13 x 7,5 cm Kunstmuseum Bern Foto: Peter Lauri, Bern © 2021, ProLitteris, Zurich

«Und die Pelztasse», höre ich bei der Führung hinter mir fragen. Die ist in der Tat nicht ausgestellt, der Zustand des Pelzes erlaubt keine Reise mehr. Es sind andere Pelzobjekte zu sehen. Und Nina Zimmer sagt zu Recht: «Wir verpassen viel von ihrer Vielseitigkeit, wenn wir Meret Oppenheim auf ihre surrealistischen Werke fixieren.» Die Künstlerin bleibt stets in Kontakt mit den Kunstrichtungen, die in den 1960-70er Jahren aufkommen und findet ihre eigene Ausdrucksform von Pop Art, Nouveau Réalisme, Arte povera, monochromer Malerei.

Nie imitiert sie nur, sie behält ihre Originalität in allem, was sie schafft. So müssen wir auch ihre Selbstbildnisse verstehen. Sie zeigt sich nicht als schöne Frau, sondern als «Eierkopf» ohne weibliche Merkmale wie Brüste. Meret Oppenheim ist eine intellektuelle Künstlerin und will so wahrgenommen werden. Ihre Kunst hat sie sich – bis auf die Basler Kunstgewerbeschule – selbst erarbeitet. Sie will Männer und Frauen mit gleich langen Spiessen gemessen sehen. Das sogenannt Weibliche ist auch im Männlichen enthalten und umgekehrt.

Backsteinbaum, 1954, Kohle, Gouache auf Papier, 42 x 59,5 cm, Kunstmuseum Solothurn, Ankauf 1981. Kunstmuseum Solothurn  © 2021 Pro Litteris, Zürich

Eindrucksvoll ergänzt die von Christoph Vögele, Direktor des Kunstmuseums Solothurn, kuratierte Ausstellung im Graphischen Kabinett. «Es ist eine intime Ausstellung, wir erlauben uns Nähe zu den Zeichnungen», erklärt Christoph Vögele. Mit wenigen Ausnahmen sieht man fast aus jedem Jahr eine Zeichnung. Die Reihe ist zweifach gegliedert: zum einen zeitlich, zum anderen paradigmatisch. Dabei erkennen wir, dass in Meret Oppenheims Schaffen eine erstaunliche Kontinuität besteht.

Déesse, 1939, Kohle auf Papier, auf Karton, 48 x 34,5 cm, Kunstmuseum Solothurn, Schenkung Christoph Aeppli, Basel, 2001. Kunstmuseum Solothurn  © 2021 Pro Litteris, Zürich

Während einige Blätter schnell gezeichnet sind (Linien), findet man in anderen Anzeichen für langsames Zeichnen (mit Schraffierungen, Schatten). Von 1965 an werden ihre Blätter grösser. Liegt es daran, dass Meret Oppenheim endlich Anerkennung findet, dass sie als Künstlerin wahrgenommen wird, nicht nur als Erfinderin der Pelztasse?

Diese unbedingt empfehlenswerte Ausstellung ehrt zugleich den früheren Direktor dieses Museums André Kamber, der kürzlich verstorben ist. Er hatte 1974 Meret Oppenheim eine grosse Ausstellung gewidmet.

Meret Oppenheim «Mon exposition» im Kunstmuseum Bern bis 13. Februar 2022.
«Meret Oppenheim. Arbeiten auf Papier» im Kunstmuseum Solothurn bis 27. Februar 2022.

Zu beiden Ausstellungen sind reichhaltige, sorgfältig gestaltete Kataloge erschienen.
Meret Oppenheim. Mon exposition. Hirmer Verlag. ISBN 978-3-7774-3816-0
Meret Oppenheim. Arbeiten auf Papier. Scheidegger & Spiess. ISBN 978-3-03942-034-6

Titelbild: Sechs Wolken auf einer Brücke. 1975, Bronze. 46,8 x 61 x 15,5cm. Foto: Peter Lauri, Bern © 2021 Pro Litteris, Zürich

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