Kaffeehaus

Natürlich weiss ich, dass wir hierzulande das im Titel genannte Lokal nicht als «Kaffeehaus» bezeichnen, sondern als «Café». Kaffeehäuser, mit Zeitungen, gab und gibt es in Wien. Es existierte eine richtige Kaffeehauskultur. Diese Orte waren Treffpunkte der Literaten. Der Autor Alfred Polgar (1873- 1955) schreibt: «Im Kaffeehaus sitzen Leute, die allein sein wollen, dazu aber Gesellschaft brauchen.» Er schreibt auch: «Die Presse hat auch die Aufgabe, das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.» Eine zeitlose Aussage!

Selbstverständlich habe ich auch aus meinem Erinnerungsschatz etwas beizusteuern. Meine Mutter stammte aus einer Bäckersfamilie. Ihr Bruder, der Bäckermeister, trug sich am Anfang des letzten Jahrhunderts mit dem Gedanken einer Erweiterung des Geschäftes. Ein Lokal sollte angebaut werden, das zur Konsumation einlud. Nur, wie sollte es heissen? Unzählige Male erzählte mir meine Mutter, wie schwer die Wahl gewesen sei zwischen «Kafistübli» und «Tea Room». Mit Rücksicht auf die mitten durch das Dorf führende Durchgangsstrasse, die auch von ausländischen Touristen befahren wurde, entschied man sich für «Tea Room.» Wie weit sich die Namensgebung auf den Umsatz auswirkte, ist nicht überliefert.

Wenn ich hier in Luzern zum Hause hinaus gehe, erreiche ich in wenigen Schritten verschiedene attraktive Cafés. Nach dem Covid-Zertifikat zu fragen, ist in allen zur Routine geworden. Die Auswahl des Lokals zwingt zu Entscheidungen. Will ich Bekannte treffen? Will ich in aller Ruhe Zeitungen lesen? Will ich eher spät am Morgen einkehren, dafür zur Mittagszeit noch eine Kleinigkeit essen?

Auch wenn ich keine Bekannten treffe, komme ich im Lokal meist mit der Nachbarin links, mit dem Nachbarn rechts ins Gespräch. Die Themen ergeben sich aus der Tagespolitik, aus den Verlautbarungen des Bundesrates zur Bewältigung der aktuellen Pandemie oder aus dem internationalen Geschehen. Voraussetzung ist allerdings ein Minimum an Medienkonsum der Gesprächsteilnehmer. Allerdings denke ich, wer keine Zeit und kein Interesse an News hat, setzt sich auch nicht am “heiterhellen“ Tag ins Café. So eine Zeitverschwendung!

In meiner Kindheit wurde das so gesehen. Als in der Genossenschaft, in der ich aufgewachsen bin, automatische Waschmaschinen installiert werden sollten, wehrten sich einige Hausgemeinschaften dagegen. Es zirkulierte das Gerücht, einige Ehemänner hätten gefragt, was denn ihre Frauen in der gewonnenen Zeit tun würden? Sie würden ja nur zusammen «käfelen» gehen, und das sei gar nicht von Gutem!

Ich krame gerne in solchen Erinnerungen und tausche sie häufig mit meinen Freundinnen aus. Einige von uns kritzelten seinerzeit im ersten Schuljahr mit Kreide Buchstaben und Zahlen auf eine Schiefertafel. Heute leben wir in einer digitalen Welt. Welche Entwicklungsschritte liegen da dazwischen! Meine Generation hält in unterschiedlichem Tempo mit.

In der Filiale eines Grossverteilers im Bahnhof Luzern bezahlen viele Kundinnen und Kunden an anonymen Apparaten mit Karte. Ich warte gerne, bis eine der Kassierinnen frei ist. Und immer noch bevorzuge ich das Papiergeld vor der Karte.

Heimlich muss ich immer schmunzeln, wie in diesen Selbstbedienungsläden die «Arbeit» sukzessive auf die Kundschaft abgewälzt wurde. Ich wähle die Produkte selber aus. Früchte oder Gemüse gebe ich in einen Plastiksack, den ich oft nur mühsam öffnen kann. Dann lege ich die Ware auf die Waage. Nehme den ausgedruckten Bon und klebe ihn auf den Sack.

Bringe den Sack im Einkaufskorb zur Kasse. Packe ihn dann zusammen mit anderen Produkten in eine Papiertasche. Manchmal hilft mir dabei die Kassierin. Was ich immer herzlich verdanke. Auch wenn wir Masken tragen, die Kommunikation mit den Augen klappt. Dann klaube ich den zu bezahlenden Betrag aus dem Portemonnaie.

Ganz zuinnerst muss ich manchmal lächeln. Jetzt bin ich auch eine der «alten Damen», die manchmal etwas Mühe haben, ihre Handtasche, ihr Portemonnaie, den Einkaufskorb und die Papiertasche zu «organisieren». Es geht nicht mehr alles so fix wie früher. Und habe ich mich seinerzeit nicht gelegentlich über diese alten Damen, die selbstbewusst für ihre Verrichtungen Zeit und Platz in Anspruch nahmen, geärgert?

Heute fahre ich mit meiner gefüllten Papiertasche auf der Rolltreppe nach oben und trinke im Café, das sich unmittelbar daneben befindet, einen Kaffee. Als Belohnung dafür, dass ich es auch dieses Mal wieder geschafft habe!

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1 Kommentar

  1. Liebe Frau Stamm, mit Ihren Gedanken treffen Sie jedes Mal den Nagel auf den Kopf. So vieles was Sie schreiben kenne ich sehr gut. Nur, das mit der Waschmaschine war mir nicht bekannt. Ich wuchs in einer Bauernfamilie auf und als die erste Waschmaschine im Dorf in Betrieb war (privat, die man aber gegen Bezahlung benutzen durfte) waren alle in der Familie erleichtert darüber. Es gab weiss Gott immer genug Arbeit für jedermann, auch für uns Kleinsten und zwar zu jeder Jahreszeit und niemand kannte das Wort «käfelen». Danke vielmals für Ihre Beiträge und freundliche Grüsse
    Erika Bauer

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