Obwohl Israel und Palästina häufig in unseren Informationsmedien erscheinen, ist es schwierig, die einzelnen Informationen zu einem Gesamtbild zu bündeln. Das macht Helga Baumgarten auf kompetente, engagierte und verständliche Weise in ihrem neuen Buch «Kein Frieden für Palästina».
Die israelische Besatzung mit ihrer Siedlungs- und Vertreibungspolitik, der Krieg der israelischen Armee gegen den Gazastreifen, der seit 2007 unter einer völkerrechtswidrigen Blockade leidet, und der Widerstand der Palästinenserinnen und Palästinenser dominieren in zeitlich immer kürzeren Abständen die Schlagzeilen der internationalen Presse. Und noch nie hat die palästinensische Bevölkerung international so viel Solidarität erfahren wie heute: in den USA bis in den Kongress, in Europa, der arabischen Welt und in Ostasien.
Neben ihrer Tätigkeit als Professorin an der Universität Birzeit, ihren zahlreichen Projekten und Untersuchungen sind von Helga Baumgarten bei uns heute vier Bücher bekannt: «Palästina: Befreiung in den Staat» (1991), «Hamas. Der politische Islam in Palästina» (2006), «Kampf um Palästina – Was wollen Hamas und Fatah?» (2013) und seit Sommer 2021 «Kein Frieden für Palästina. Der lange Krieg gegen Gaza, Besatzung und Widerstand». Im Mittelpunkt dieses Buches stehen die Palästinenser, ihre politischen Bewegungen und ihr Widerstand gegen die Unterdrückung durch den Staat Israel unter den verschiedenen Regierungen seit 1948.
Inzwischen wird Israel von internationalen Fachleuten und Politikern als Apartheid-Staat kritisiert, und darauf aufbauend entwickelt sich vermehrt ein Verständnis für die unerträgliche Lage der Palästinenser und ihren Widerstand dagegen. Die wichtigsten palästinensischen Parteien, ihre historische Herausbildung und die politische Rolle, die sie seit 1967 spielen, werden in diesem Buch im Detail untersucht. Es geht dabei auf der einen Seite um die Hamas, die heute im Gazastreifen regiert, und um die Fatah, die die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO kontrolliert, die die Regierung in Ramallah stellt. Das Ziel von Baumgartens Analyse beider Bewegungen ist es, die Mythen und Missverständnisse, die sich um sie ranken, zu entlarven.
Siedlung Har Choma in der Westbank, (c) amnesty.ch
Nicht nur in den Massenmedien, auch in der Fachliteratur ist es nicht leicht, sich Übersicht zu verschaffen: Ich kenne kein Buch, das wie «Kein Frieden für Palästina» auf nur 191 Seiten die ganze Breite und Tiefe, zeitlich, örtlich und personell vernetzt recherchiert, die Fakten und Hintergründe hinterfragt und so eine differenzierte, kluge Gesamtschau der Situation in Israel/Palästina von 1948 bis Juli 2021 liefert – und dies in einer für Fachleute und interessierte Laien verständlichen Sprache.
Der Text ist auch den palästinensischen Führern, Jassir Arafat wie Langzeitherrscher Mahmud Abbas, gegenüber unerwartet kritisch; dass auch bei israelischen Premierministern, vor allem Ariel Sharon, bisher kaum bekannte Details zutage kommen, ist selbstverständlich. Dass Baumgarten die referierten brutalen Ereignisse mit Figuren verbindet, macht sie verstehbar, doch nicht akzeptierbar.
Helga Baumgarten (c) de.wikipedia.org
Helga Baumgarten schildert im Einleitungskapitel nicht nur akribisch genau, was im Mai 2021 in Jerusalem und in Gaza geschehen ist, sondern beschreibt alles, Schritt um Schritt, wie es dazu kam, belegt alles mit Daten und Fakten, Schilderungen von Beteiligten und Beschreibungen von Fachleuten. Wer sich etwas auskennt, merkt auf jeder Seite, wie fundiert ihre Feststellungen und Analysen sind. Mit ihrem historisch-analytischen Rückblick ab 1948, dem Jahr der Staatsgründung Israels und dem Beginn der palästinensischen Tragödie, der Nakba, über die Intifada bis zum Scheitern der als Friedensprozess gefeierten Osloer Verhandlungen werden die wichtigsten Stationen der Entwicklungen in Israel/Palästina kritisch untersucht. So komprimiert und stringent beschrieben habe ich diese Geschichte noch nie gelesen.
Wenn wir Beobachter aus der Ferne kaum mehr an einen Frieden im sogenannten Heiligen Land glauben können, so kommt Helga Baumgarten, die diese Welt aus nächster Nähe und mit umfassenden Informationen kennt, aus ihrer zutiefst hoffenden und glaubenden Überzeugung heraus, auf der letzten Seite zu einem Schluss, der überrascht:
«Der Weg zum Frieden für Palästina ist wohl noch ein langer. Aber die Zahl der Menschen – in Palästina, in Israel und weltweit – die dafür eintreten, wächst. Aus eben diesem Grund blicken die Palästinenser mit Optimismus in die Zukunft, die für sie das Ende der jahrzehntelangen Unterdrückung, das Ende des langen Krieges gegen Gaza, das Ende von Siedlerkolonialismus und ethnischicher Säuberung bringen soll und den Beginn eines Lebens in Freiheit, Würde und Frieden. Der Traum des palästinensischen Liedermachers Mustafa al-Kurd vom Frieden soll nicht mehr nur Traum bleiben, sondern Wirklichkeit werden: «Ich träume von morgen: Vertrauen, Liebe, Frieden. Von morgen träume ich.»»
Titelbild: Gaza, Mai 2021. (c) www.sueddeutsche.de
Helga Baumgarten: Kein Frieden für Palästina. Der lange Krieg gegen Gaza, Besatzung und Widerstand. Pro Media, Wien 2021, 191 Seiten
Lieber Herr Hanspeter Stalder,
von den vielen Büchern über den «Nahost-Konflikt» empfehlen Sie uns ausgerechnet
den einseitigen Schund von Hamas-Helga?
Ist das Ihr Ernst?
Falls Sie Bedarf an Qualitätsbüchern zum Thema haben, erstelle ich Ihnen gerne ein
entsprechende Liste.
Schalom
Jürgen Unland
Toller Kommentar Herr Unland
Bitte schicken Sie mir Ihre Liste, Herr Unland