Am sogenannten Zapfenstreich zur Verabschiedung von Angela Merkel hielt die Kanzlerin eine kurze, aber eindrückliche Rede. Sie wies auf die schwierigen geopolitischen Probleme der heutigen Welt und gestand, dass sie die vielen Jahre, in denen sie der deutschen Regierung vorstand, nicht hätte durchhalten können ohne eine sie begleitende „Fröhlichkeit in ihrem Herzen“! Diese Fröhlichkeit im Herzen wünschte sie zum Abschied auch ihren Landsleuten. Fast eine Liebeserklärung! Aber ist es nicht auch eine Art Vermächtnis? Ja, ich sehe es so! Wir alle können davon lernen.
Doch, ist es uns danach zu Mute? Kann man Fröhlichkeit einfach so herbeizaubern?
- trotz grassierender Corona-Zahlen?
- trotz der beunruhigenden internationalen Spannungen: dem Aufmarsch der Russen an der Grenze der Ukraine? den Gräben zwischen den USA und China?
- trotz der unlösbaren Migrationsprobleme, mit Menschen, die unsäglich unter der Winterkälte leiden, während wir in der warmen Stube sitzen und uns unser Gewissen plagt?
- trotz der klimatischen Veränderungen, die wir immer wieder spüren und uns so machtlos fühlen?
Fröhlichkeit im Herzen – haben wir sie? Nicht eigentlich! Das müssen wir uns eingestehen. Eher ist die Stimmung bedrückend.
Fast ein bisschen neidisch blicken wir auf die Kinder, die, von allem nichts wissend, spielen, lachen und sich necken. Sie erfüllen uns mit Zuversicht. Und der Überzeugung, dass es sich lohnt, für sie durchzuhalten, nicht aufzugeben und täglich, immer wieder den grossen Auftrag an die Hand zu nehmen, nämlich: heiteren Mutes sich zu bemühen, die Zukunft meistern zu wollen!
Helfen kann auch die Musik, zum Beispiel, wenn wir singen, ein Lied anstimmen. Mönend versuchen, die Töne exakt zu treffen. Ob beim Aufstehen „Morge früe, wänn d’Sunne lacht, und sie alles munter macht…“ oder am Abend ein „der Mond ist aufgegangen“ und zwischenhinein „s’Isch mer alles ei Ding! Ob ii lach‘ oder sing“ – Singen ist ein wichtiges und sicheres Seelenpflästerli. Es tut einfach gut.
Ich wiederum stricke gerne. Es beginnt mit zwei Nadeln und einer Masche und wird zu einem Socken, einem Schal oder einem Pullover! Dabei entsteht etwas; es wächst etwas; und das beglückt. Stricken sei wie Yoga für die Seele, so hat es eine Psychiaterin in der Zeitlupe formuliert. Genau so empfinde ich es.
So hat ein jeder seine Art und Weise, wie er oder sie sich aufrappelt! Wie er oder sie die Fröhlichkeit im Herzen wiedergewinnt.
Vor ein paar Tagen, in der zweiten Sessionswoche wurde in Bern für das nächste Jahr ein neuer Bundesratspräsident gewählt: Ignazio Cassis. Reden von Bundespräsidenten interessieren mich. Was sagen er oder sie zum Start in ein neues Jahr, und wie sagen er oder sie es, in allen vier Landessprachen. Antrittsreden verraten nämlich oft Prioritäten der Gewählten.
BR Cassis sprach über die Vielfalt der Kulturen, der Sprachen und Religionen, die unser Land kennzeichnen und ein Reichtum bedeuten. Es lag ihm viel daran zu betonen, dass wir nicht gespalten sind. Vielleicht geteilter Meinung, aber nicht gespalten: peut-être séparé, mais pas divisé! Seine Message war: „Noi non ci lasciamo dividere!“ Er setzte damit einen Punkt zur aktuellen Diskussion.
Sehr eindrücklich fand ich auch seine Bemerkung, dass die Vielfalt in unserem Land Ansporn zu Bescheidenheit sei! „La pluralité est une incitation à la modestie.» Er will damit sagen, dass die Vielfalt uns dazu bewegt, Respekt zu entwickeln, zu akzeptieren, dass es verschiedene Ansichten gibt, und immer wieder daran erinnert, dass keiner allein eine Entscheidung bestimmt.
Auch das ist irgendwie ein Vermächtnis! So haben wir schon zwei: Das eine animiert uns dazu, immer wieder unseren Willen zu stärken, den Alltag sinnvoll und heiter, eben fröhlich, zu meistern; und das andere erinnert uns, dass für ein friedliches Zusammenleben ein jeder und ein jede sich seiner oder ihrer Grenzen bewusst sein muss. Freiheit gibt es nur mit Rücksicht auf die Anderen!
In ein paar Tagen feiern wir Weihnachten und danach den Rutsch ins neue Jahr! Es erwarten uns wohl eher stille Tage. Vielleicht auch im Rummel der Familie. Es soll eine freudvolle Zeit sein. Das wünsche ich Ihnen von Herzen!